„Der Humor ist der Gegenentwurf zu dieser verkopften, reglementierten und mitunter auch leblosen Welt”, sagt der Sachbuchautor und Pädagoge Thomas Hax-Schoppenhorst, der sich mit Themen rund um die seelische Gesundheit beschäftigt.
Fast 40 Jahre lang arbeitete er in verschiedensten Funktionen an einer großen psychiatrischen Klinik im Rheinland. Mit der Kirchenzeitung spricht er über das Wesen des Humors, die Frage, warum Lachen in jedem Alter gesund ist – und warum schlechte Witze nicht mit Humor verwechselt werden sollten.
Kirchenzeitung: Können Sie verstehen, warum ein junger Mensch Mitte 20 beschließt, alles auf die Karte Standup-Comedy zu setzen?
Thomas Hax-Schoppenhorst: Ich halte das für eine kluge Entscheidung. Wir werden erleben, dass die Zahl junger Menschen, die ins humoristische Fach wechseln, steigt. Und zwar nicht ohne Grund: Humor ist eine sehr gern gesehene und gehörte Form, um mit den Krisen unserer Zeit umzugehen. Humor ist Balsam für die Seele.
Humor ist eine Art allergische Reaktion auf das Zeitgeschehen?
Hax-Schoppenhorst: Es ist eine angemessene, gesunde Entscheidung, keine allergische Reaktion. Humor ist eine Form des Selbstschutzes, eine Reaktion auf das, was nicht nur junge Menschen vielleicht als Bedrohung, als sinnleer erleben. Sie entscheiden sich zum einen, mit heiterer Distanz über die Welt nachzudenken. Und sie haben das Ziel, andere Menschen an ihrer Kunst teilhaben zu lassen. Ich stelle mir diese Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes erfüllend vor.
Wie definieren Sie Humor?
Hax-Schoppenhorst: Das mit dem Humor ist eine ernsthafte Sache. Humor ist eine hohe Kunst. Man kann sich Humor nicht aneignen wie einen Führerschein. Das Wesen des Humors ist die Fähigkeit, eine innere Haltung zu entwickeln, die von einer heiteren Distanz geprägt ist, das Leben so zu nehmen, so wie es ist. Durch den Humor ist man befähigt, vor allem die Dinge, die man sowieso nicht ändern kann, nicht zu nahe an sich herankommen zu lassen.
Humor ist also eine Flucht?
Hax-Schoppenhorst: Humor entlastet uns graduell von allem Bedrückenden. Und sei es nur für einen Augenblick. Auch der beste Komiker kommt und geht, sein Auftritt ändert die Welt nicht. Aber im Idealfall hatten wir 90 Minuten Pause und konnten herzlich lachen. Welche Kraft der Humor hat, zeigt die Lebensgeschichte des Psychologen Victor Frankl, der während der NS-Diktatur drei Konzentrationslager überlebt hat. Er sagt, er habe das nur überstanden, weil er trotz aller Bedrohung Witze gerissen hat. Über die Schergen der Nazis, über die Lebenssituation. Humor ist daher etwas, das jeder Diktator sofort unter Beschuss nimmt.
Fabian Lampert ist 27 Jahre alt, Standup-Comedian, und tritt in Altenheimen auf. Kann das funktionieren, wenn der Altersunterschied so groß ist?
Hax-Schoppenhorst: Ich finde es genial. So gut ein Altenheim auch sein mag, es ist die Zielgerade des Lebens, das hat auch etwas Bedrückendes. Dann ist das Angebot, das für Lebendigkeit sorgt, das das Leben draußen in die Einrichtung hineinträgt, doch wunderbar. Es hat etwas Versöhnendes, es ist geradezu Medizin. Zu glauben, dass ältere Menschen kein Interesse an Comedy haben, grenzt an Arroganz. Die meisten Menschen blicken hoffentlich in der Gesamtbetrachtung mit Zufriedenheit auf ihr Lebenswerk zurück. Über das, was den mitunter aufgeregten Alltag in unserer Welt ausmacht, können viele ältere Menschen nur noch beherzt lachen, mit dem Kopf schütteln. Gleichzeitig werden viele Nachrichten von Krieg und Gewalt oft als wiederkehrende Bedrohung empfunden. Einem Menschen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Humor zu bedienen, sollte daher jede Tür geöffnet werden. Wer hingegen billige Witze reißt, den würde ich hochkant rausschmeißen.
Es gibt also guten und schlechten Humor?
Hax-Schoppenhorst: Humor ist unmittelbar mit dem Menschenbild verbunden. Guter Humor lässt den Menschen Mensch sein, auf eine gute Art und Weise, die ihn nicht degradiert, ihn nicht kleinmacht. Wenn es mein Ziel ist, mich auf Kosten anderer über sie lustig zu machen, ist das sozial nicht so kompatibel. Es gibt einen allgemeinen Humor, der sich über die Generationen trägt, der bodenständig ist und der schon fast philosophischen Charakter hat. Aktuell leben wir aber in einer Zeit, in der die Dinge gefährlich durcheinandergebracht werden. Vieles firmiert unter dem Markenzeichen “Humor”, ist aber bei genauem Hinsehen Klamotte, billiger Witz, Lachen auf Kosten von Minderheiten. Lachen kann Ausdruck von einer humorvollen Grundhaltung sein. Witze können aber auch zynisch und zerstörerisch sein, diskreditieren und bloßstellen. Das ist eine Art des Lachens, die man besser nicht pflegen sollte, die aber leider wieder Aufwind bekommt.
Warum erlebt der Witz auf Kosten anderer so einen Aufwind?
Hax-Schoppenhorst: Mit vielem, was unsere Zeit ausmacht, sind große Bedrohungen verbunden. Das kann lähmen, einen hilflos machen. Wenn ich dann das Angebot auf einen Lacher bekomme, auch wenn es ein schlechter Witz ist, dann gelingt es mir, ähnlich wie bei gutem Humor, Distanz zu schaffen, mich zu befreien. Alles auf die Gefahr hin, dass ich mich im Grunde einreihe in die Riege derer, die billige Witze machen. Der Effekt des Humors ist der Lacher, der so etwas ist wie ein Stopp-Moment. Über die Pointe bringt der Komiker Menschen unvermittelt und recht schnell zum Lachen. Nur schrecken wir zugleich auf: Weil wir Dinge erkennen, die eine nüchterne Beschreibung nicht bewirken würde. Ziel des Kabarettisten ist durchaus, zu provozieren und zum Denken anzuregen. Mit einem nüchternen Vortrag über die Schlechtigkeit der Welt würde niemand so weit kommen.
Wie fließend ist die Grenze des guten Geschmacks?
Hax-Schoppenhorst: Zum Humor gehört das Spielerische. Es ist, als würden wir Kinder mit Erwachsenen vergleichen. Kinder nähern sich nur zaghaft den Gesetzmäßigkeiten und sozialen Reglements des Lebens an, sie probieren aus, bringen Dinge in Zusammenhang, die überhaupt nichts gemeinsam haben, testen Grenzen aus. Erwachsene sind in erster Linie von Pflicht und Vernunft gesteuert, deswegen beschreiben sie das, was Kinder tun, oft als unerzogen und vor allem unvernünftig. Der Humor jedoch ist der Gegenentwurf zu dieser verkopften und reglementierten Sichtweise. Das, was uns auf gute Weise zum Lachen bringt, macht Menschen neugierig, lässt sie hinhören.
Warum ist Lachen gesund?
Hax-Schoppenhorst: Lachen ist ein medizinisch und psychologisch ganz besonderes Ereignis. Der Puls geht runter, der Blutdruck sinkt, Brust-, Bauch- und Beckenbereich werden angespannt und wieder entspannt. Ein wohliges Gefühl mit Gesundheitseffekten, die man alle beschreiben kann, durchflutet unseren Körper. Die Technik des Lachyoga
zielt beispielsweise genau auf diese Wirkung ab. Lachen ist aber nicht per se Humor.