Das ist wohl die letzte Chance für die Kirche

Die Gesellschaft lässt beim Thema Gleichstellung der Geschlechter nicht locker, sagt Marie-Theres Jung

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Datum:
17. Sep. 2019
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2019

Es ist ganz schön was los unter den Katholiken in Deutschland. Gewaltige Verwerfungen sind sichtbar über den rechten Umgang mit den bedrückenden Erkenntnissen der MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker. Im Fokus der Debatte: die Frage der Gleichstellung der Geschlechter in der Kirche. Nicht nur Frauen fordern, dass hier endlich heutige Normalität in die Institution einzieht. Ein Gespräch mit Marie-Theres Jung, der Diözesanvorsitzenden der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) im Bistum Aachen.

Marie-Theres Jung, Vorsitzende des KFD-Diözesanverbands Aachen (c) KFD Diözesanverband Aachen
Marie-Theres Jung, Vorsitzende des KFD-Diözesanverbands Aachen

Die Aktion „Maria 2.0“ fand vor vier Monaten statt. Wie blicken Sie darauf zurück?

Die Aktion traf und trifft den Nerv der Zeit. Wir hatten bereits kurz vorher in der Aachener Katho einen bemerkenswerten Abend. Er war hoch emotional und machte deutlich: Auch im Bistum Aachen suchen die Menschen einen Ort, um die Frage nach der Gleichstellung der Frauen in der Kirche zu besprechen. Sie möchten das in einer verbindlichen Form tun. Und es war unmissverständlich spürbar, dass ganz viele Leute denken: So wie bisher geht es nicht weiter, es muss sich etwas ändern in dieser von Männern dominierten Institution.

 

Wie war die Resonanz auf die „Maria 2.0“-Aktionen im Bistum ansonsten?

Ganz überwiegend positiv. Wir KFD-Frauen haben die aus Münster stammende Initiative mit ganzem Herzen unterstützt. Aus den Gemeinden, in denen Aktionen starteten, haben wir ein gutes Echo gehört, abgesehen natürlich von einzelnen Stimmen, die sagten: Dann geht doch zu den Altkatholiken, wenn ihr die katholische Kirche so schlimm findet. 

 

Aktionen können ja wie Steine sein, die ins Wasser geworfen werden. Ruht der See wieder?

Nein, das denke ich nicht. Ich beobachte ganz deutlich, dass zurzeit auch unter Menschen, die dem Anliegen gegenüber bislang eher reserviert gegenüberstanden, ein Umdenken stattfindet. Es sind bei Weitem nicht nur Frauen, die sich für die Gleichstellung einsetzen. Auch zahlreiche Männer machen sich die Forderung nach einer geschlechtergerechten Kirche zu eigen.

 

Woran machen Sie das fest?

Als wir im Juli den Aachener Dom umarmten mit 400 Menschen, waren viele Männer dabei. Sie sind mit uns für die Öffnung der Dienste und Ämter in der Kirche auf die Straße gegangen, haben dem Anliegen ein Gesicht gegeben. Und im Nachgang sind sieben, acht Männer in unseren Verband eingetreten. Das ist schon etwas Besonderes, das haben wir so noch nie gehabt. 

 

Jetzt machen Sie eine Folgeaktion in Mönchengladbach. Wie lange geht es so weiter?

Die Menschen suchen einen Ort, wo sie über diese Fragen reden können. Bisher gibt es ihn im Bistum Aachen nicht. Anfang 2020 plant der Diözesanrat der Katholiken etwas zum Thema. Ansonsten wird immer gleich auf die Weltkirche verwiesen oder zumindest auf den synodalen Weg, der in der deutschen Kirche wichtige Themen klären soll.

 

Um diesen scheint es ja bereits, bevor er losgeht, schlecht bestellt zu sein. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Wir stehen ganz klar an einem Scheideweg. Wird sich die katholische Kirche als Volkskirche allen Menschen zuwenden oder wird sie immer mehr an Bedeutung und Glaubwürdigkeit verlieren? Das Statut für den synodalen Weg spricht von einer Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit des Reformwillens. Ich kann nur hoffen, dass diese gelingt. Denn ich höre so viele, die sagen: Wenn das jetzt auch noch scheitert, dann bin ich weg. Ich rechne fest mit einer Austrittswelle ungeahnten Ausmaßes, sollte der synodale Weg keine Ergebnisse bringen.

 

Wie erklären Sie sich die Vehemenz, mit der das Anliegen auf den Tisch kommt?

Was manche Bischöfe versuchen, ist, die gesellschaftliche Entwicklung zurückzudrehen oder außer Acht zu lassen. Das geht aber nicht. Wir leben in einem demokratischen Land. Das gibt es nicht anders, als dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Das ist fest im Grundgesetz verankert, als Menschenrecht, das von der Verfassung garantiert ist. Die Kirche kann es sich nicht mehr lange leisten, diese Situation zu ignorieren. Ich frage mich, wovor die Herren Angst haben. Und wir Frauen sagen ihnen: Das ist wohl die letzte Chance für sie, das Ruder herumzureißen.

 

Das Gespräch führte Thomas Hohenschue.

Aktion in Mönchengladbach

Im Juli umarmten rund 400 Frauen und Männer den Aachener Dom, um den Forderungen nicht nur von „Maria 2.0“ nach einer geschlechtergerechten Kirche Nachdruck zu verleihen. Nun lädt die KFD im Bistum Aachen zu einer Folgeaktion ein: am Donnerstag, 26 September, um 19 Uhr auf dem Edmund-Erlemann-Platz vor der Citykirche in Mönchengladbach. Nun wird nicht etwa schon wieder ein Gotteshaus umarmt, sondern die Veranstalterinnen haben sich etwas Neues und Kreatives einfallen lassen. Sie laden dazu ein, gemeinsam ein Frauenzeichen aus Menschen zu bilden – das dann im Laufe der Aktion zu einem Kirchensymbol umgewandelt wird. Das gelingt, indem man es einfach auf den Kopf stellt. Mehr zur Aktion „Perspektivwechsel – die Kirche ist weiblich“ im Netz unter www.kfd-aachen.de sowie unter Tel. 02 41/45 24 52.