Das ist etwas für die Seele

Gemeinsames Projekt einer Aachener Tanzwerkstatt und der Berufungspastoral im Bistum Aachen

Tanz Solo Nachricht (c) Katharina Hermsdorff
Tanz Solo Nachricht
Datum:
4. Okt. 2016
Tanz und Spiritualität: Das liegt näher beieinander und hat mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint.
Tanz Gruppe Quadrat (c) Katharina Hermsdorff
Tanz Gruppe Quadrat

Im Interview mit der KiZ erzählen Gemeindereferentin Kerstin Schützendorf, die Inhaberinnen der Aachener Tanzwerkstatt Carla Brettschneider, Carla Brettschneider und Kathrin Liedtke, sowie Clara Witte und Lea Steinrücke, zwei ihrer Schülerinnen, was für sie beides miteinander verbindet.

 

Frau Schützendorf, was verbindet Sie mit dem Tanzen und wie verbindet sich das mit Ihrer Arbeit als Gemeindereferentin?

Kerstin Schützendorf: Ich tanze schon, seitdem ich stehen kann, und ich entdecke immer mehr, wieviel Potential und Ausdruckskraft darin liegt. Ich bin Tanzpädagogin und Gemeindereferentin und auch in der Berufungspastoral tätig. Mein Gedanke, Tanzkultur und Kirche miteinander zu verbinden, wurde konkreter, als Kathrin Liedtke und Carla Brettschneider die Idee hatten, eigene Choreografien von Schülerinnen auf die Bühne zu bringen und unseren Ideen einen Raum zu geben. In der Vorbereitungszeit hatten wir auch einen Workshop bei Carla Brettschneider zum Umgang mit Raum, Improvisationstechnik sowie Zeit und Dynamik in der choreographischen Arbeit. Da habe ich mir überlegt, berufungspastorale Fragen tänzerisch umzusetzen. Tanz ist neben Wort, Musik und Bild eine ganz eigene Sprache. Die möchte ich gerne einmal in der Kirche zeigen und vorstellen.

 

Daraus ist die Idee entstanden, im Rahmen der „Nacht der offenen Kirchen“ in Aachen Teile dieses Choreografieprojektes „Auf_Takt“ als Projekt der Berufungspastoral in der Kirche zu zeigen. Wie verbinden sich Berufung und Tanz miteinander?

Kerstin Schützendorf: Wir haben bei uns in der Berufungspastoral die Aktion #wofüressichlohnt entwickelt und in „Auf_Takt“ habe ich vieles davon gesehen, wofür es sich lohnt. Da steckte so viel von unserer Grundüberzeugung drin, dass ich gerne das, was die Tänzer auf der Bühne machen, mit dem Thema „Berufung“ verbinden wollte. Bei der Nacht der offenen Kirchen haben wir jetzt den Raum dazu gefunden.

Kathrin Liedtke: Kerstin hatte von Anfang an den Aspekt Berufung mit eingebracht und das passte, weil es, auch wenn es nicht geplant war, schon ganz viel um Berufung ging. Gerade viele junge Hobbytänzer wollen gerne Tänzer sein und blenden dabei etwas aus, was da alles zugehört und dass vor einem ein ganzes Leben liegt. Tanzen macht man aber nicht so lange. Es ging uns darum, dass sie einmal testen, wie das ist, und einmal alle Berufe kennenlernen, die es rund um das Tanzen noch gibt.

Carla Brettschneider: Das war nicht nur das Entwickeln eigener Choreografien. Sie mussten die ganze Veranstaltung eigenständig organisieren, vom Raum über die Beleuchtung bis zur Gestaltung des Programmheftes und den Kostümen. Da ist ganz viel Gruppenzusammenhalt entstanden und eine ganz tolle, auch menschliche Verbindung. Die jungen Tänzerinnen und Tänzer sollten ihre Persönlichkeiten, Lebensthemen und Alltagsgeschichten in ihren Choreografien darstellen und verwirklichen. Das ist gelungen. Es sind ganz unterschiedliche künstlerische Arbeiten entstanden. Jeder hat ganz viel von sich gezeigt, das war nicht nur Technik, sondern auch ganz viel Herzblut.

Kathrin Liedtke: Für die Nacht der offenen Kirchen haben wir jetzt eine neue Show aus verschiedenen Choreographien entwickelt. Dabei setzen sich die Tänzer auch kritisch mit dem Thema Berufung auseinander. Was lohnt sich für mich? Worin möchte ich investieren? Und wofür lohnt es sich auch nicht?

Carla Brettschneider: Wenn man sich im Fernsehen diese ganzen Castingshows wie „Deutschland sucht den Superstar“ anschaut und sieht, wie junge Menschen niedergemacht werden – das finde ich schlimm. Eine Berufung spüre ich in mir, die kommt von innen heraus und die darf ich mir nicht aufzwingen lassen.

 

Clara und Lea, Sie waren beim Projekt „Auf_Takt“ dabei und tanzen auch bei der Nacht der offenen Kirchen mit. Inwieweit ist Tanzen für Sie Berufung?

Clara Witte: Ich habe erst mit 16 mit dem Tanzen angefangen. Es ist ein Teil meines Lebens, ohne den mir etwas fehlen würde – ein Ausgleich, etwas für die Seele. Meine Mutter hat das Tanzen geliebt und wenn ich gesehen habe, wie viel Spaß sie hatte, mir zuzusehen, dann hat das auch mir etwas gegeben.

Lea Steinrücke: Tanzen ist ein bisschen wie eine Sucht. Ich habe von vier bis zwölf Jahren getanzt und dann etwas anderes gemacht. Bin aber mit 19 Jahren wieder zum Tanzen zurückgekommen. Tanzen und das Tanztraining stehen für mich über vielen anderen Dingen. Mich fasziniert, was man bei Freunden und Familie auslösen kann, wenn sie einen tanzen sehen, und was ich durch den Tanz auch auf der Bühne ausdrücken kann.

 

Wie verbindet sich für Sie Tanz mit Spiritualität?

Clara Witte: Wir haben schon vorher bei der Nacht der offenen Kirchen in der Kirche getanzt. Da herrscht eine ganz spezielle Stimmung und es ist ein anderes Publikum als sonst. Lea Steinrücke: Die Zuschauer sind ganz gerührt und sagen, dass ihnen das sehr nahe geht.

Carla Brettschneider: Das Publikum ist offen für anspruchsvolle Themen und spirituelle Erlebnisse und möchte nicht nur unterhalten werden. Es ist schön, freier zu sein für Choreografien, die in die Tiefe gehen, die abstrakter sind. Der Kirchenraum und die besondere Spiritualität tragen mich. Gerade in der Kirche brauchen wir das Hauptaugenmerk nicht auf „Show“ zu legen, sondern können in der Tiefe überlegen, welche Botschaft wir vermitteln wollen.

Kerstin Schützendorf: In der Kirche können wir durch Tanz ein ganz neues Sprachrohr finden, das es so noch nicht gibt. Man kann durch Bewegung so viel mehr ausdrücken als mit Worten. Im Tanzen stecken Worte, Gefühle und Geschichten. Der Begriff „Berufung“ lässt sich dadurch ganz individuell übersetzen. Zu einer ganzheitlichen Spiritualität gehört auch der Tanz und die Arbeit mit dem Körper. Etwas, das in Deutschland abhanden gekommen ist. In anderen Ländern hat das Tanzen eine ganz andere Tradition und oftmals einen viel höheren Stellenwert. Mein Wunsch wäre es, eine Tanzpastoral zu entwickeln.

Carla Brettschneider: Die Seele kann durch das Tanzen heilen. Ich kann Dinge ausdrücken, die aus mir heraus wollen oder von denen ich gar nicht weiß, dass es sie in mir gibt. In der Kirche geht es um Seele und um Seelenheil. Beim Tanzen zeigen wir unsere Seele und sie kann heilen. Spiritualität hat ihr Zuhause im Tanz. Tanz ist nicht nur Technik, man muss seine Seele hineinlegen, sonst geht es nicht. Technik ist die Basis, die man braucht, so wie in der Malerei oder in der Musik, um etwas zu schaffen. Aber darum geht es nicht, da fängt es erst an.

 

Frau Schützendorf, ist Tanzen für Sie auch eine Form des Gebetes?

Kerstin Schützendorf: Tanzen ist für mich eine Form, mich auszudrücken. Beten bedeutet für mich, mit Gott ins Gespräch zu kommen, indem ich ihm erzähle, wie es mir geht und was mich gerade beschäftigt. Meine Sprache ist der Tanz. Deshalb werde ich den Segen zum Abschluss bei der Nacht der offenen Kirchen auch tanzen, ohne viele Worte.

Das Gespräch führte Andrea Thomas. Zu sehen ist die Aufführung der Tanzwerkstatt in Zusammenarbeit mit der Berufungspastoral im Bistum Aachen bei der „Nacht der offenen Kirchen“ am 28. Oktober, um 21 Uhr in der Kirche St. Adalbert, Adalbertstift 1–3 in Aachen.

Tanz und Spiritualität Quadrat (c) Andrea Thomas
Tanz Duo Quadrat (c) Katharina Hermsdorff
Tanz Solo Quadrat (c) Katharina Hermsdorff