Vor 60 Jahren, am 8. Dezember 1965, ging das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende, das bis heute das kirchliche Leben maßgeblich prägt. Der ehemalige Aachener Dompropst Dr. Herbert Hammans hat die vorkonziliare Zeit und die Veränderungen, die das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Liturgiereform „Sacrosanctum concilium“ in der gesamten Kirche und im Bistum Aachen mit sich brachte, noch selbst miterlebt.
Prälat Hammans beschreibt anschaulich, wie es um die Liturgie der Gottesdienste vor dem Konzil bestellt war: Die Messe war damals ausschließlich eine Angelegenheit des Priesters, der sie buchstäblich leise las (daher der Begriff: „die Messe lesen“), und die Messdiener antworteten ihm auf Latein. Das Kirchenlied hatte eine gewisse Bedeutung, und es gab in einzelnen Teilen der Messe und an manchen Tagen Wechselgebete, in denen auch die Gläubigen zu Wort kamen. Darüber hinaus waren sogenannte „Betsingmessen“ üblich. „Für die Gläubigen war es wichtig, dass die Sonntagspflicht erfüllt wurde“, verdeutlicht der ehemalige Dompropst. „Dabei war die Andacht am Nachmittag für manche sogar wichtiger als die Messe.“
Hammans verweist darauf, dass das kirchliche Leben im deutschen Sprachraum sich in Vereinen, Verbänden, Schulen und Familien bereits im 19. Jahrhundert gut entwickelt hatte und es zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon zu einer beginnenden Erneuerung gekommen war. „Man ging häufiger zur Kommunion als vorher, und es gab eine Bewegung hin zu mehr Liturgie“, betont er. Einen großen Schub gab der erste Liturgische Kongress 1909 im belgischen Mechelen.
Die liturgische Bewegung entstand, getragen von der Jugendbewegung und der Bibelbewegung und befeuert von Personen, die in den Gemeinden seelsorgerisch prägend waren. In Österreich kämpfte Pater Pius Parsch vom Stift Klosterneuburg für eine Verwurzelung der Liturgie im Kirchenvolk, und der „Schott“, wie das neue Volksmessbuch genannt wurde, verbreitete sich stark. „Manche Schritte geschahen damals auch in einem gewissen Ungehorsam“, erinnert sich Hammans. „So wurde zum Beispiel die Osternacht um 5 Uhr morgens gefeiert und das Exsultet auf Deutsch angestimmt.“ Im Jahr 1951 wurde vom Vatikan die Neuordnung der Osternacht vollzogen, durch die sie am Abend des Karsamstags oder am Ostermorgen gefeiert werden konnte. Vier Jahre später folgte die Neuordnung der Karwoche.
Bereits im Mai 1947 war die liturgische Bewegung durch die Enzyklika „Mediator Dei“ lehramtlich anerkannt worden, und gut zehn Jahre später erfolgte der nächste logische Schritt, als am 25. Januar 1959 das Zweite Vatikanische Konzil angekündigt wurde. Die Vorschläge zu den verschiedenen Themen, die in Rom eingegangen waren, waren auf 9000 Seiten verzeichnet. „Die meisten Veränderungswünsche gab es auf dem Gebiet der Liturgie, weil durch sie am deutlichsten die Zugehörigkeit zur Kirche ausgedrückt wird“, betont der Zeitzeuge. „Vor eigenmächtigem Vorgehen wurde damals ausdrücklich gewarnt“, erinnert sich Hammans, „und im Bistum Aachen war man zunächst sehr zurückhaltend und ließ zum Beispiel anfangs nur Männer als Lektoren zu.“
Der dritte deutschsprachige liturgische Kongress, der vom 20. bis 26. April 1964 in Mainz abgehalten wurde, wurde als eine Art Siegesfeier der liturgischen Bewegung betrachtet. Die Gottesdienste sollten gemäß der Liturgiereform mit dem Gesicht zur Gemeinde gefeiert werden, weshalb der Volksaltar freistehend sein sollte. Dementsprechend wurde etwa der Altarraum in der damaligen Aachener Pfarrkirche St. Paul umgestaltet, und die Lesungen sollten in der Muttersprache vorgelesen werden.
Am 7. März 1965 veröffentlichten die deutschen Bischöfe Richtlinien für die Feier der heiligen Messe, die ab dann befolgt werden sollten. „In Viersen war man zu dieser Zeit liturgisch bewegt, aber nicht liturgisch beschleunigt“, hebt Hammans schmunzelnd hervor. Ab dem ersten Fastensonntag des Jahres 1965 sei es zu einer Straffung des Ritus gekommen. Hammans: „Die Zelebration zum Volk hin wurde zentral, obwohl sie eigentlich nicht vorgeschrieben war.“ Veränderungen im Chorraum sorgten etwa in Viersen dafür, dass ein günstiger Platz für den Altar gefunden werden musste.
„Völlig neu war es, Lesungen und Fürbitten, die jetzt fester Bestandteil der Liturgie waren, von Lektoren und Lektorinnen sprechen zu lassen“, bringt der Zeitzeuge die Entwicklung auf den Punkt. Er gehörte damals zu den jungen Priestern des Bistums Aachen. Für die Gläubigen war etwas Konkretes eine ganz einschneidende Maßnahme im Zusammenhang mit der Liturgiereform: die Änderung des Nüchternheitsgebotes durch Papst Paul VI. vom 21. November 1964, die konkret zur Folge hatte, dass man nicht mehr auf frühe Messen angewiesen war, um das Gebot der Nüchternheit einhalten zu können.
„Die erneuerte und ersehnte Liturgie war in den Augen der Gläubigen das bedeutendste Geschenk des Konzils“, lautet die Bilanz des ehemaligen Dompropstes. „An Widerstände im Bistum Aachen kann ich mich dagegen nicht erinnern.“ Doch die Neugestaltung brachte auch Probleme mit sich: So ist die lateinische Sprache zwar elegant, aber als Sprache schwierig, wörtliche Übersetzungen ins Deutsche waren oft holprig. Die Anforderungen an den Priester wurden größer. Besinnungstexte, die häufig dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry entlehnt waren, wurden in dieser Zeit üblich – und auch selbst fabrizierte Hochgebete kamen vor. Die Handkommunion wurde im Jahr 1969 eingeführt und ersetzte die bis dahin übliche Mundkommunion.
„Die Ordnung der Messe hat durch die Liturgiereform eine große Durchsichtigkeit erreicht“, lobt Hammans. „Dadurch ist die Eucharistie wirklich zur Mitte des christlichen Lebens geworden.“
Die Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen hat unter dem Titel „Das Konzil mit Leben füllen“ in den vergangenen Wochen Gespräche in der „lebendigen Bibliothek“ zum Zweiten Vaticanum veranstaltet, bei denen unter anderem auch Herbert Hammans referiert hat. Die Reihe geht am 8. Dezember, dem Gedenktag des feierlichen Abschlusses des Konzils, um 19 Uhr mit einem Vortrag von Prof. Dr. Aloys Johann Buch (Mönchengladbach) in der Bischöflichen Akademie, Leonhardstraße 18-20, Aachen, zu Ende.