Das Wunder „Solidarität“

Wie Regionalvikar Philipp Cuck als Seelsorger und Betroffener das Flutereignis in Schleiden erlebte

Regionalvikar Philipp Cuck (M.) begleitete Generalvikar Andreas Frick (2.v.r) und Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens (r), die sich nach der Flut 2021 einen ersten Überblick verschafften. (c) Bistum Aachen / Andreas Steindl
Regionalvikar Philipp Cuck (M.) begleitete Generalvikar Andreas Frick (2.v.r) und Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens (r), die sich nach der Flut 2021 einen ersten Überblick verschafften.
Datum:
26. Juli 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 30/2022 | Dorothée Schenk

Im wahrsten Sinne verschlafen hat Regionalvikar Philipp Cuck die Flutnacht im Pfarrhaus Vorburg 3 in Schleiden. Zehn Meter vor der Haustüre blieb das Wasser stehen. Erst am Morgen danach erkannte er das Ausmaß. 

„Ich bin dann die Orte abgefahren, bin zu allen Kirchen gefahren und war erst einmal entsetzt und bedrückt“, schildert Regionalvikar Cuck die ersten Eindrücke. Es kam zu den ersten von vielen folgenden Gesprächen mit Menschen, die er unterwegs traf. Viele von ihnen fanden in den kommenden Tagen und Wochen den Weg zu ihm ins Pfarrhaus, so dass ihnen geholfen werden konnte, sagt der Pfarrer. Das gelang unkompliziert, denn: „Ohne dass ich werben musste, sind auf unserem Pfarrkonto 80000 Euro Spendengelder eingezahlt worden.“

Viele Gespräche führte er auch mit Kindern, weil das Flutereignis mit der Zeit der Erstbeichte zusammenfiel. Ein Kind erzählte ihm, wie die Flut ins Haus kam und hochstieg. Die Katze ist aufs Bett gesprungen, wurde bis an die Decke geschwemmt, und als das Wasser abfloss, war die Katze gerettet. „Was für mich tröstlich war, dass die Kinder uns anschauten mit dem Vertrauen: Ihr regelt das schon für uns. Das war für mich sehr positiv. Ich habe kein Kind erlebt, das hilflos alleine geblieben wäre.“ Und nach einer Pause ergänzt Pfarrer Cuck: „Und es gab ein Wunder für mich: Menschen, die sich bislang nicht angeguckt haben, haben plötzlich einander geholfen.“

Von Trost und Vertrauensverlust

Wie hat der Regionalvikar die Verarbeitung der Flutereignisse bei den Erwachsenen erlebt? Es sei eine urtheologische Frage, warum Gott Leid zulasse, und die habe er in den Gottesdiensten zur Sprache gebracht. „Ich habe auf Jesus am Kreuz verwiesen, der gebrüllt hat: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Er hat mit Gott gerichtet. Das dürfen wir auch. Nach Corona, nach Missbrauch in der Kirche und der Flut dürfen wir sagen: Lieber Gott, es reicht. Es gibt ja auch viele Klagepsalmen. Es ist wichtig, dass wir unsere Wut ,rauslassen‘ und auch rausbrüllen.“

Wie ist die Situation aus seiner Sicht heute, ein Jahr nach der Flut? „Zuerst machte mir Sorgen, ob die Menschen gut versorgt sind. Ich habe den Eindruck: Das läuft. Es gab zuerst die Trauerphase bei den Menschen. Dann gab es die ,Wir-fassen-Mut-Phase‘. Und dann gab es die ,Knöter‘-Phase, weil es vielen nicht schnell genug ging. Was mir aber noch Sorge macht, ist, dass die Gemeinde zerfällt. Die Kirche in Gmünd ist zerstört und wird noch für Wochen geschlossen bleiben. In der Eifel steht die Kirche aber immer noch im Dorf, und wenn sie in einem anderen Dorf steht, geht man dort nicht ohne Weiteres hin. Der andere wackelige Pfeiler ist der Vertrauensverlust in die katholische Kirche. Die Austrittszahlen sind enorm hoch. In Hellenthal-Schleiden sind es ungefähr 15000 Katholiken. Vor fünf Jahren traten im Jahr 10 bis 20 aus der katholischen Kirche aus. In diesem Jahr werden es wohl 200 werden.“