Der Tod gehört zum Leben dazu. Doch auseinandersetzen mit dem Sterben – das möchte sich kaum jemand. So bleiben Sterben und Tod immer noch Tabuthemen.
„Ein Grund dafür ist, dass uns der Tod von Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten vor Augen führt, dass wir eben nicht unsterblich sind, wie wir das oft gerne glauben“, sagt Professor Roman Rolke. Als Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Aachen ist er damit vielfach konfrontiert. Als Präsident des 15. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der vom 25. bis 28. September in Aachen stattfindet, will er deswegen das Thema mitten ins Leben holen. Denn die Botschaft der Palliativmedizin sei: Ein würdevolles Leben bis zum Tod ist möglich. Und so bietet das Rahmenprogramm des Kongresses viele Möglichkeiten, sich dem Thema zu nähern. Diese Auseinandersetzung sei auch gewinnbringend, betont Roman Rolke: „Man wird demütig und lernt, wie kostbar das Leben ist.“
Auch für die Stadt Aachen ist dieses Thema ein ganz besonderes. So hat Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen gerne die Schirmherrschaft übernommen. Mit Haus Hörn ist in Aachen vor mehr als 40 Jahren das erste Hospiz in Deutschland entstanden. Und bei einer immer älter werdenden Gesellschaft stellt sich die Frage dringlicher denn je: Wie gehen wir in unserer Stadt mit der Pflege und den letzten Stunden eines Menschen um? „Wir tragen als Stadtgesellschaft eine Verantwortung“, sagt die Aachener Oberbürgermeisterin. Wie kann man ihr bestmöglich nachkommen? Caring Communities, sorgende Gemeinschaften also, könnten ein Ansatz sein. Diese gibt es oftmals schon in den Niederlanden, die Sibylle Keupen als Beispiel nennt.
„Unser Ziel ist es, mit diesem Kongress der Realität in der Pflege und Betreuung schwerkranker Menschen und ihrer Zugehörigen eine Vision zu geben, einen Diskurs über das Konzept der Caring Communities als nachhaltige Grundlage für eine solidarische Gesellschaft zu fördern und dazu einen Raum für Betrachtung zu schaffen“, betont Iris Appelmann, Vorsitzende des Lokalen Komitees für den DGP-Kongress 2024. Auch dazu lädt das Rahmenprogramm ein.
Ein fulminantes Abendprogramm versprechen jedenfalls die Veranstalterinnen: Mit dabei ist auch das Apollo-Kino mit gleich einer ganzen Reihe Angebote. Die Filmwoche bietet Gelegenheit zur Reflexion über Fragen des Lebens und das, was bleibt. An sieben Tagen laden filmische Werke dazu ein, über diese Themen nachzudenken. Beim Diözesanen Hospiztag (Samstag, 21. September) geht es um das Thema „Spiritualität als Beitrag zur Selbst(für)sorge“. Am Vormittag geht der Schweizer Autor und Theologe Pierre Stutz in der Citykirche der Frage nach, wie gelebte Spiritualität ein hilfreicher Beitrag zur Selbstfürsorge sein kann.
Das Bürgerforum am Dienstag, 24. September, bietet die Möglichkeit, Palliativversorgung in der Städteregion hautnah und live zu erleben und die Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin kennenzulernen. Für alle, die gerne Rad fahren, gibt es am Sonntag, 22. September, eine Tour unter dem Motto „Regionale Versorgung entdecken“. Beim Themenabend am Mittwoch, 25. September, im Krönungssaal geht es um „Caring Communities“. Kunstausstellungen, Vorträge sowie ein Medienprojekt von Kindern runden den Veranstaltungsreigen ab.
Veronika Schönhofer-Nellessen, Leiterin der Servicestelle Hospiz für die Städteregion Aachen und neben Roman Rolke Kongresspräsidentin, hofft, dass Kongress und Rahmenprogramm der „Startschuss sind mit Blick auf Caring Communities und damit für eine einfühlsame Stadt der Zukunft“.
Das gesamte Programm unter: www.dgp2024.de
einmal klingelte Frau B. und ich kam
in ihr Zimmer um sie zu fragen was
ihr denn fehle
sie saß im Rollstuhl vor ihrem Kleiderschrank der
geöffnet war eine Seite davon verdeckte ihr Gesicht
und sie sagte Tage um diese
T-Shirts zu tragen und sie zeigte auf
ihren Schoß in dem gestreifte karierte
unifarbene gepunktete T-Shirts lagen
ihr Gesicht erschien hinter der Schranktür
wenn Sie wüssten das wäre Ihr letzter Tag
könnten Sie sich dann entscheiden welches
Sie tragen würden
ich schluckte ihre Augen sahen ganz verglimmt aus
und ihre Stimme klang heiser so heiser wie eine
junge Stimme klingen kann
ich fuhr sie ins Bad und sehr sehr lange
sah sie sich im Spiegel an
zählte die T-Shirts und die Tage die es gegeben hatte
um sie zu tragen und die an denen sie keins davon
getragen hatte weil es zu kalt gewesen war
am nächsten Tag starb sie es war Winter
Dezember vor einem Jahr Flocken fielen
die Tannen hoben ihre Äste wie Arme
und es wäre zu kalt gewesen
um T-Shirts zu tragen
niemand verlässt mich so wie er mich
vorgefunden hat
zum Beispiel Sie Herr S. wie Sie glaubten dass Ananas und Vollkornbrötchen zum Frühstück und Zähneputzen mit „ja! Wasser“ nur das Beste sein könnten um zum Krebs nein zu sagen und wie Sie in den dritten Stock gelaufen sind wo das Krankenhausradio ist und wie Sie sich wie ein kleiner Junge aufgeregt ein Lied gewünscht
haben für Ihre Frau und danach Tränen in den Augen hatten und wie Sie mit ihr Silvester gefeiert haben sie hatte ihr Zimmer so schön dekoriert und wie sie gesagt hat nächstes Jahr lassen wir es richtig krachen
ich hab mich anders vorgefunden als Sie uns verlassen haben Herr S. und für Sie möchte ich
irgendetwas richtig krachen lassen es muss ja nicht Silvester sein
ich will etwas vorfinden das jemand verlassen hat bitte jeder der verlassen wurde muss von jemandem vorgefunden werden Sie würden mich jetzt anders vorfinden Herr S. versprochen darauf ein Schluck „ja! Wasser“ um zu nichts mehr nein zu sagen erst recht nicht zum Leben
Mit 19 Jahren absolviert Julia Weber ein Freiwilliges Soziales Jahr auf einer Palliativstation. Ungewöhnlich in diesen jungen Jahren – mag man meinen. Doch Julia Webers Vater ist Arzt auf einer Palliativstation. So war ihr das Thema nicht fremd. „Tod und Sterben waren in meiner Familie nicht Tabuthemen“, sagt die heute 29-jährige Ärztin. Ihre Erinnerungen, kleine Geschichten zum Nachdenken und Gedichte hat Julia Weber festgehalten im Buch „T-Shirt-Tage“ (zwei ihrer Texte lesen Sie auf dieser Seite). Sie beschreibt darin die Essenz der Begegnungen mit Menschen am Lebensende. Daraus liest sie am Donnerstag, 26. September, um 20 Uhr im Aachener Dom. „Die Palliativstation war für mich ein Ort, an dem ich ganz viele spannende Erfahrungen gemacht habe, ein Ort der Hoffnung und der Liebe. Aber auch ein Ort, an dem gelacht wurde.“
Musikalisch unterstützt wird sie von Diözesankirchenmusikdirektor Michael Hoppe und dem Jungen Chor St. Johann.