Das Lächeln der Jugendlichen braucht keine Übersetzung

An mehreren Bischöflichen Schulen im Bistum Aachen gibt es Internationale Klassen, etwa in Geilenkirchen, Düren – und an der Liebfrauenschule Eschweiler. Wie junge Geflüchtete dort ihren Platz finden. Ein Besuch im Unterricht.

An der Bischöflichen Liebfrauenschule lernen in der Internationalen Klasse Mädchen und Jungen aus acht Nationen gemeinsam. (c) Dagmar Meyer-Roeger
An der Bischöflichen Liebfrauenschule lernen in der Internationalen Klasse Mädchen und Jungen aus acht Nationen gemeinsam.
Datum:
21. Okt. 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 28/2025 |Nicole Kuckartz-Cremer

Von außen betrachtet ist es ein ganz normaler Schulmorgen an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler. Doch in einem der Klassenzimmer beginnt ein besonderer Unterrichtstag: In der „Internationalen Klasse“ treffen sich Schülerinnen und Schüler aus acht Nationen – Irak, Syrien, Ukraine, Rumänien, Mazedonien, Thailand, Albanien und Marokko. Was sie eint: der Neuanfang in einem fremden Land, das Lernen einer neuen Sprache und die Hoffnung auf ein besseres Leben. 

Begonnen hat alles im Sommer 2024 – mit nur acht Schülerinnen und Schülern. Sieben Wochen später kamen sieben weitere hinzu. Heute sitzen hier junge Menschen zwischen zwölf und 16 Jahren. Einige sind vor Krieg geflohen, andere kamen, weil ihre Eltern nach Deutschland gezogen sind. Einer von ihnen hat noch nie eine Schule von innen gesehen. Seine Kindheit verbrachte er in Flüchtlingslagern. Jetzt lernt er, was es heißt, zu lernen. Die Stimmung in der Klasse ist ruhig, konzentriert. Oft hört man gedämpfte Gespräche in verschiedenen Sprachen, ein leises Kichern, neugierige Fragen auf Deutsch.

 

Neuanfang und Hoffnung auf ein neues Leben Ein normaler Morgen an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler – für einige Kinder und Jugendliche ein besonderer Unterrichtstag: In der „Internationalen Klasse“ treffen sich Schülerinnen und Schüler aus acht Nationen – Irak, Syrien, Ukraine, Rumänien, Mazedonien, Thailand, Albanien und Marokko. Sie alle eint der Neuanfang in einem fremden Land, das Lernen einer neuen Sprache und die Hoffnung auf ein besseres Leben. (c) Dagmar Meyer-Roeger
Neuanfang und Hoffnung auf ein neues Leben Ein normaler Morgen an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler – für einige Kinder und Jugendliche ein besonderer Unterrichtstag: In der „Internationalen Klasse“ treffen sich Schülerinnen und Schüler aus acht Nationen – Irak, Syrien, Ukraine, Rumänien, Mazedonien, Thailand, Albanien und Marokko. Sie alle eint der Neuanfang in einem fremden Land, das Lernen einer neuen Sprache und die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Der Unterrichtsalltag ist alles – außer gewöhnlich. Frontalunterricht? Undenkbar. „Wir arbeiten in Kleingruppen, sehr individuell – jeder ist an einem anderen Punkt“, erklärt Lehrerin Ramona Zylus. Mit ihrem Kollegen Kevin Röder bildet sie das engagierte Kernteam der Internationalen Klasse. Unterstützt werden sie von einem ganzen Netz aus Ehrenamtlichen: Winfried Brinkhues, ehemaliger Lehrer und Urgestein der Schule, ist nach 33 Dienstjahren in den Ruhestand gegangen – und nun täglich wieder da. Auch Ioanna Frangoulis, Mutter eines Schülers, sowie Lena Pollak, 17-jährige Schülerin aus der Oberstufe, helfen regelmäßig mit. Letztere sagt: „Für mich war es eine Chance, es aus der anderen Perspektive zu erleben, wie es ist, wenn man kein Wort Deutsch spricht. Ich stelle mir das sehr schwer vor.“

Im Zentrum steht der intensive Deutschunterricht; mindestens zwölf Stunden pro Woche. Schrittweise werden die Jugendlichen in ihre Regelklassen integriert, je nach Lernstand. Ziel ist es, sie möglichst bald vollständig in den regulären Schulbetrieb zu übernehmen. Anfangs waren digitale Übersetzungshilfen auf dem iPad unverzichtbar. Lehrer Winfried Brinkhues erinnert sich: „Gerade die thailändische Schülerin musste sogar erst das Alphabet lernen. Die Schriftsysteme sind völlig unterschiedlich.“

Neuanfang und Hoffnung auf ein neues Leben Ein normaler Morgen an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler – für einige Kinder und Jugendliche ein besonderer Unterrichtstag: In der „Internationalen Klasse“ treffen sich Schülerinnen und Schüler aus acht Nationen – Irak, Syrien, Ukraine, Rumänien, Mazedonien, Thailand, Albanien und Marokko. Sie alle eint der Neuanfang in einem fremden Land, das Lernen einer neuen Sprache und die Hoffnung auf ein besseres Leben. (c) Dagmar Meyer-Roeger
Neuanfang und Hoffnung auf ein neues Leben Ein normaler Morgen an der Bischöflichen Liebfrauenschule in Eschweiler – für einige Kinder und Jugendliche ein besonderer Unterrichtstag: In der „Internationalen Klasse“ treffen sich Schülerinnen und Schüler aus acht Nationen – Irak, Syrien, Ukraine, Rumänien, Mazedonien, Thailand, Albanien und Marokko. Sie alle eint der Neuanfang in einem fremden Land, das Lernen einer neuen Sprache und die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Auch kulturelle Orientierung war Teil des Anfangsunterrichts. Eine Mutter zeigte den Neuankömmlingen die Stadt, erklärte Alltagsdinge – auch ein Feueralarm wurde geübt, um mögliche Traumata frühzeitig zu erkennen. Die Herausforderungen betreffen oft nicht nur die Jugendlichen.

Viele Eltern kämpfen mit eigenen Sorgen – von Depressionen bis zu aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten. Lehrer Kevin Röder berichtet von einem Geschwisterpaar, das nach den Sommerferien von einem Besuch ihrer Familie in Mazedonien nicht direkt wieder zurückkommen konnte, inzwischen aber wieder in der Schule ist.

Begleitet wird die Klasse auch von der Schulseelsorge, die mit Teambuilding-Aktivitäten und Gesprächen unterstützt. Denn Integration heißt nicht nur Vokabeln pauken. Es geht um Vertrauen, Zugehörigkeit und Freundschaft.

So blieb auch das internationale Fest in besonderer Erinnerung, bei dem jeder etwas aus dem Heimatland mitbrachte. Gemeinsam wurde gefeiert, gegessen – und ganz nebenbei gelernt, wie man ein Rezept auf Deutsch schreibt. Lehrer Röder lacht: „Da geht es nicht nur um Vokabeln, sondern auch um Grammatik und Struktur. Aber wenn es schmeckt, lernt es sich gleich leichter!“

Der 14-jährige Romal aus der Ukraine ist mit seinem Bruder gekommen. „Ich habe in einem Jahr viel gelernt: Deutsch, neue Freunde, Fußball.“ Seine Augen leuchten, wenn er über Erdkunde spricht, sein Lieblingsfach. Sein Ziel: Abitur und Zahnarzt werden.
Die 16-jährige Phiyada aus Thailand erzählt: „Am Anfang war alles schwer. Aber jetzt habe ich Freunde gefunden.“ Lehrer Brinkhues ist stolz auf ihre Fortschritte: „Sie musste bei null anfangen – heute versteht sie schon viel.“ Auch wenn die Phonetik des Thailändischen ganz anders ist – das Lächeln der Jugendlichen braucht keine Übersetzung.

 

Alles – außer gewöhnlich Frontalunterricht? Undenkbar. In der internationalen Klasse wird sehr individuell in Kleingruppen gearbeitet. (c) Dagmar Meyer-Roeger
Alles – außer gewöhnlich Frontalunterricht? Undenkbar. In der internationalen Klasse wird sehr individuell in Kleingruppen gearbeitet.

Im Klassenzimmer hängt ein großes Puzzle. Alle haben ein Stück gestaltet: mit Flaggen, Tieren, Lieblingsvereinen. Zusammen ergibt es ein buntes Bild – ein Symbol für Vielfalt und Zusammenhalt. „Jeder ist Teil des Ganzen", sagt Ramona Zylus.

Was hier geschieht, ist mehr als Unterricht. Es ist ein lebendiges Beispiel gelebter christlicher Werte. Schulleiterin Anja Groth betont: „Es ist für uns selbstverständlich zu helfen. Das ist unser christliches Menschenbild.“ Unabhängig von der Konfession – wichtig sei der Wille zur Gemeinschaft. Die Religionszugehörigkeit spiele keine Rolle – Offenheit und Respekt schon.

Alles – außer gewöhnlich Frontalunterricht? Undenkbar. In der internationalen Klasse wird sehr individuell in Kleingruppen gearbeitet. (c) Dagmar Meyer-Roeger
Alles – außer gewöhnlich Frontalunterricht? Undenkbar. In der internationalen Klasse wird sehr individuell in Kleingruppen gearbeitet.

Das Engagement geht weit über das Klassenzimmer hinaus: Schülerinnen und Schüler aus anderen Klassen begleiteten die Neuankömmlinge morgens zur Schule, halfen beim Übersetzen oder verschenkten Tickets für ein Fußballspiel von Alemannia Aachen. Der Förderverein unterstützte mit Essensgutscheinen, das Sekretariat baute ein Netzwerk aus Hilfsangeboten auf. Manchmal, so erzählt Schulleiterin Groth schmunzelnd, rufen Mütter einfach an und bieten ihre Hilfe an – als Dolmetscherinnen, Unterstützerinnen, Zuhörerinnen. „Nicht alle werden das Abitur schaffen“, sagt Schulleiterin Anja Groth ehrlich. „Aber alle sollen einen Schulabschluss erreichen, der zu ihnen passt.“ Und dafür setzt sich die Schule auf vielen Ebenen ein.

 

Die 17-jährige Lena sitzt neben dem ukrainischen Schüler Sviatoslav, der sein iPad als Übersetzer neben sich liegen hat. Gemeinsam üben sie: „Wie heißt mein Freund? Woher kenn ich ihn? Was ist das Besondere an der Freundschaft?“ Sein Freund lebt noch in der Ukraine. Sie telefonieren täglich. Die Sehnsucht ist groß – aber die Hoffnung auf Zukunft ist größer. Und so wächst hier Tag für Tag ein Puzzle der Hoffnung. Mit jedem neuen Wort, jedem Lächeln – und jedem Menschen, der sagt: Du gehörst dazu.

Ausdruck christlicher Nächstenliebe Drei Fragen an Schulleiterin Anja Groth

Anja Groth (c) Dagmar Meyer-Roeger
Anja Groth

Was bedeutet die Internationale Klasse für Ihre Schule?

Die Internationale Klasse ist für uns ein gelebter Ausdruck christlicher Nächstenliebe. Wir sehen es als selbstverständlich an, jungen Menschen in Not nicht nur Bildung, sondern auch Orientierung, Sicherheit und Gemeinschaft zu bieten. Es ist eine große Herausforderung – aber auch ein großer Schatz für die ganze Schulgemeinschaft.

Wie gelingt Integration im Schulalltag konkret?

Wir setzen auf ein starkes Netz aus Lehrkräften, Ehrenamtlichen, Mitschülerinnen, Eltern und der Schulseelsorge. Die Jugendlichen lernen bei uns nicht nur Deutsch, sondern auch, wie unser gesellschaftliches Zusammenleben funktioniert – mit Respekt, Offenheit und gegenseitiger Hilfe. Besonders wichtig ist uns, dass die Schülerinnen möglichst viel Kontakt zu Gleichaltrigen in den Regelklassen haben.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass jeder einzelne junge Mensch bei uns seinen Weg findet – unabhängig von Herkunft, Religion oder sprachlichen Hürden. Wir möchten sie begleiten, stärken und ihnen Perspektiven eröffnen. Dafür brauchen wir weiterhin ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten. Und auch politische Unterstützung, damit Integration langfristig gelingen kann.