Das Lachen besiegt die Angst

„Humor und gesunde Religiosität sind Bruder und Schwester“, sagt Diakon Willibert Pauels und erklärt im Interview, warum Kirche und Karneval so gut zusammenpassen. Trost in düsteren Zeiten.

Es darf gefeiert werden! Aber bitte nicht grenzenlos, sondern mit  gegenseitiger Rücksichtnahme. (c) Bistum Aachen/Andreas Steindl
Es darf gefeiert werden! Aber bitte nicht grenzenlos, sondern mit gegenseitiger Rücksichtnahme.
Datum:
7. Feb. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 06/2024

Kirche und Karneval harmonieren gut, findet Diakon Willibert Pauels. Historisch gesehen gehören sie sowieso zusammen, auch wenn diese Verbindung vielen Feiernden nicht mehr klar sein mag. Im Gespräch mit der KirchenZeitung  spricht Pauels, auch außerhalb des Erzbistums Köln als „Ne bergische Jung“ bekannt, über die Dimension des Trostes und warum Lachen die beste Medizin und das beste Mittel gegen Diktatoren ist. 

Diakon Willibert Pauels steht seit 50 Jahren (nicht nur an Karneval) als „Ne bergische Jung“ auf der Bühne. (c) privat
Diakon Willibert Pauels steht seit 50 Jahren (nicht nur an Karneval) als „Ne bergische Jung“ auf der Bühne.

Herr Pauels, wissen Sie, was ein „Diaclown“ ist? So haben unsere Kolleginnen und Kollegen im Bistum Osnabrück Sie einmal vorgestellt, als Mann mit zwei Berufungen: Willibert Pauels ist katholischer Diakon und Clown, der regelmäßig auftritt.

(muss lachen) Ich sehe da überhaupt kein Widerspruch, das sind die zwei Seiten einer Medaille. Der religiöse Dienst und die Perspektive des Feierns und des Humors gehören zusammen. Wie hat schon Chesterton seinem Pater Brown in den Mund gelegt: „Humor ist eine Erscheinungsform der Religion. Nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln.“ Diese Perspektive ermöglicht wie keine andere die Verbindung von Humor und Spiritualität, die sogar über dem Tod steht. Nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Licht der Liebe. Humor und gesunde Religiosität sind Bruder und Schwester. 

 

Hat das Karnevalstreiben denn eine religiöse Dimension?

Selbstverständlich. Die Bezeichnung entstammt dem „carne vale“, was „Fleisch, lebe wohl“ bedeutet. Der Fastelovend ist der Abend vor dem Beginn der Fastenzeit. Jetzt könnte ich oberlehrerhaft noch weitere äußere Verbindungen mit dem Ablauf des Kirchenjahres und der Bußpraxis aufzählen, aber viel wichtiger ist der innerliche Zusammenhang. Wolfang Oelsner hat einmal gesagt: Wenn es den Karneval nicht gäbe, müsste man ihn aus psychotherapeutischen Gründen erfinden. Im ganzen Tanzen, Lachen und Feiern steckt als Kern immer der Trost. Gerade in düsteren Zeiten, wie wir sie gerade haben, ist diese Perspektive, die über den dunklen Dingen steht, über Ängsten und Sorgen, so wichtig. Wer gesund feiert, wird hineingezogen in eine Atmosphäre der Leichtigkeit und des Trostes. Es ist wie mit der Religion, wenn sie gesund verkündigt und praktiziert wird.

 

Wie sieht denn gesunde Religion aus?

Wenn es um Trost geht und nicht um Moralverkündigung. Deswegen können alle  Diktatoren, Fundamentalisten und Populisten nicht über sich selber lachen. Sie sind Gefangene ihrer eigenen Ideologie. Der Grund wird wunderbar im Buch „Der Name der Rose“ beantwortet, wo der Mörder-Mönch kundtut: „Wir müssen das Lachen bekämpfen, weil das Lachen die Angst besiegt.“ Alle fundamentalistischen Sekten und Ideologien arbeiten mit Angst.

 

Lässt sich gut lachen, wenn das eigene Leben in Gefahr ist?

In dem Moment, in dem ich über der Angst stehe, bin ich frei. Und sei es nur für einen kurzen Zeitraum eines Witzes. Diktatoren haben Angst vor Humor. Der größte Diktator des Universums ist der Tod, der sich nicht besiegen lässt. Das Christentum aber bietet eine Perspektive, die sich über den Tod erhebt: die österliche Perspektive. Jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele. Wir gehen nicht ins Nichts, wenn wir sterben. Wir wechseln nur die Räume. Das ist der tiefe Trost, man ist in dieser Position über den Dingen. Lachen ist ein Fenster zum Himmel, eine Ahnung vom Paradies. 

 

Zurück zum eigentlichen Karnevalstreiben. Was bedeutet hier, gesund zu feiern?

Wenn wir falsch feiern, machen wir uns diese Leichtigkeit kaputt. Dies passiert, wenn man sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinkt. 

 

Was ja im Karneval zum Glück nur äußerst selten passiert …

Nun, berauschende Getränke gehören seit Jahrhunderten dazu. Allerdings müssen wir uns in der Kunst trainieren, die Gratwanderung zwischen Betäubung und Erhebung zu meistern. Um Goethe zu zitieren: Löblich ist das tolle Treiben, wenn es kurz ist und begrenzt. Die Praxis, dass jede weltliche Freude entweder mit einem Kater endet oder nie zu enden hat, ist falsch. Wer nie feiert, wird psychisch krank. Wer immer feiert, wird Alkoholiker. Christlich, spirituell und religiös betrachtet ist jede menschliche, jede weltliche Feier eine Vorahnung der österlichen Feier. Wir holen in der Fastenzeit Luft, um das religiöse Fest der Befreiung, nämlich Ostern, richtig feiern zu können. 

 

Keine Befreiung ohne Fasten?

Der eigentliche Sinn von Fasten ist, das der Osterbraten doppelt so gut schmeckt. Das ist natürlich ein Scherz. Aber Fasten sollte nicht einhergehen mit einer verkrampften, Angst machenden Moral wie früher. Es geht vielmehr um eine kluge Einteilung der menschlichen Psyche. Beides ist wichtig, Fasten und Rausch, beides braucht Ausdruckshandlungen. Wenn es nicht in Selbstberauschung endet. Flirten und Sinnlichkeit gehören ebenfalls zum Karneval dazu.

 

Ich habe jetzt sehr unromantische Bilder vor Augen, die sich an Karneval abspielen können.

Leider wird Flirten oft mit Übergriffigkeiten verwechselt. Bei allen Freiheiten gibt es eine unbedingte, unumstößliche und dogmatische Grenze: die Liebe. Wer sich immer mit einem erlesenen Respekt vor dem Du, was einem gegenüber ist, handelt, wird nie übergriffig. Alles, was ich geschildert habe, ist das Idealbild und wird vermutlich nie erreicht. Aber es ist wichtig, so ein Bild schon einmal im Kopf zu haben. Wir Menschen haben offenbar zunehmend verlernt, uns zu orientieren, glauben machen zu können was wir wollen. Freiheit ist ein Segen, kann aber auch ein Fluch werden. Alles ist erlaubt? Nein. Zur Orientierung bedarf es Regeln.

 

Haben wir verlernt, uns gegenseitig mit Respekt zu behandeln?

Das glaube ich nicht, es gibt schon noch eine innere Orientierung. Jeder Mensch hat eine Seele – kostbarer als das ganze Universum. Wenn ich dieses Bild in meinem Kopf habe, wächst daraus schon ein Respekt. Mein Gegenüber ist nicht der Feind, sondern ein Mensch. Selbst wenn er Böses tut. Der Respekt muss sich aus Liebe nähren. Es ist vermutlich falsch, Liebe immer emotional zu übersetzen. Wir könnten in diesem Zusammenhang auch sagen: Ich respektiere deine Würde, obwohl ich dich nicht lieben kann. 

 

Diese Session stehen Sie nicht auf der Bühne – was ist der Grund?

Ich hatte früher bis zu 300 Auftritte in einer Session, nach meiner Erkrankung waren es 30 bis 40. Ich werde dieses Jahr 70 und habe mir selber ein Sabbatjahr geschenkt. Das ist wunderbar. Sonst ist der Februar mega Stress – und der ist weg, ohne dass ich deswegen in ein Loch gefallen bin. Eigentlich stehe ich dieses Jahr seit 50 Jahren auf der Bühne. Ich hätte das feiern können, aber es ist mir so durchgegangen. 

Das Gespräch führte Stephan Johnen

zur person

Willibert Pauels wurde 1954 in Wipperfürth geboren und 1993 zum Diakon geweiht. Seine humoristische Begabung lebt er seit Mitte der 70er Jahre auf der Bühne aus, 1996 feierte er in Köln als Büttenredner Premiere und machte sich schnell einen Namen. Pauels ist regelmäßig im Kölner Domradio mit dem „Wort zum Samstag“ zu hören. 2015 veröffentliche er das Buch „Wenn dir das Lachen vergeht. Wie ich meine Depression überwunden habe“. Aktuell gönnt er sich ein Sabbatjahr ohne Auftritte.