In der Glimbacher Kirche St. Agatha wacht ein wahrer Schatz über die Gemeinde. In dem Gotteshaus ist ein Crucifixus dolorosus zu sehen. Dies ist eine Darstellung Jesu Christi am Kreuz, die sich besonders stark mit dem Leid auseinandersetzt. Nun ist das Kruzifix aufwendig restauriert worden.
Die Skulptur wird auf das 14. Jahrhundert datiert und ist aus Nussbaumholz gefertigt. Solche Relikte seien äußerst selten. Zum einen ist dies aufgrund der besonderen Darstellungsweise der Fall und zum anderen darin begründet, dass, wie Restauratorin Katharina Liebetrau erklärte, davon ausgegangen wird, dass nur rund fünf Prozent der kirchlichen Exponate aus dem Mittelalter erhalten sind. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass diese Prozentzahl nicht vollends belegt werden kann, da verlorene Dinge nur schwer zu erfassen sind. Und auch diese Darstellung Christi hat es nur durch das Eingreifen der Dorfbewohner in das jetzige Jahrhundert geschafft.
Durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges wurde die Pfarrkirche stark beschädigt. Fast wie durch ein Wunder war das Crucifixus dolorosus noch vorhanden. Allerdings war die Skulptur nicht mehr vor Wind und Wetter geschützt. Um sie vor dem Regen zu bewahren, wurde sie von einem Glimbacher geborgen und aufbewahrt. Im Jahr 1953 wurde die Kirche wieder aufgebaut, so dass auch die Jesusdarstellung wieder an ihren angedachten Platz zurückkehren konnte. Entsprechend, ziemlich auf den Jahrestag
genau zur Feierstunde der jetzigen Restaurierung, nämlich am 14. Dezember 1961, wurde die Restaurierung des Crucifixus dolorosus schon einmal zelebriert. Damals wurde das Gabelkreuz, gefertigt in einer Kölner Werkstatt und dem Gabelkreuz in St. Maria im Kapitol in Köln ähnlich, hinzugefügt. Außerdem wurde der fast abgebrochene rechte Arm wieder verfestigt, großflächig Retusche aufgebracht und ein Holzwurmbefall mit starken Giften bekämpft. Obendrein muss es starke Risse in der Malerei gegeben haben.
„Eben um 15 Uhr haben die Glocken geläutet, wie in jeder Woche um diese Zeit, um an das Sterben Jesu zu erinnern und die Auferstehung zu feiern“, leitete Pfarrer Heinz Philippen in die Veranstaltung zu der nun vollendeten Restaurierung ein. „Und wir sind genauso dankbar wie damals.“
Katharina Liebetrau ist Restauratorin für Gemälde und gefasste, dies bedeutet bemalte, Skulpturen. Und ihre Restaurierung des Crucifixus dolorosus hatte nicht das Ziel, das Relikt „wie neu“ aussehen zu lassen. „Restaurieren heißt: das Objekt respektieren – in der Gesamtheit seiner ästhetischen, historischen und physischen Eigenschaften. So zumindest begreife ich meine Arbeit als Restauratorin“, ist auf der Webseite Liebetraus zu lesen. Dieser Arbeitsweise hielt sie auch bei der Jesusdarstellung die Treue. „Das eigentliche Bild liegt in der Farbe. Jede Schicht erzählt eine Geschichte, und jeden Krümel dieser wertvollen Substanz und dieses Wissens gilt es zu erhalten.“ Außerdem soll das Zeitzeugnis nicht verfälscht werden. „Manche Stellen sind so groß, dass sie belassen werden. Die Bearbeitung wäre zu interpretierend gewesen.“ Hinzu kommt ein weiterer Grundsatz: „Auf alten erhaltenen Fassungen haben wir nichts zu suchen.“ Was bedeutet, dass noch gut erhaltene Stellen selbstverständlich nicht überarbeitet wurden.
Doch die Restaurierung des Glimbacher Kruzifixes war durchaus komplex und brachte einige Hürden mit sich, die es zu überwinden galt. Zum einen gehören gefasste Holzskulpturen, wie die Restauratorin erklärt, zu den empfindlichsten Kunstwerken. Denn die Holzbestandteile altern. Überdies sind auf der Oberfläche des Crucifixus dolorosus mehrere Grundierungen zu finden. Katharina Liebetrau spricht hier von einer dreidimensionalen Fläche. Die verschiedenen Schichten können sich voneinander lösen. Besonders anfällig sei hier die fleischfarbene, porzellanartige Oberfläche.
Nach der Reinigung der Figur wurden mit einem kleinen Zahnarztspachtel die zahlreichen Wurmlöcher zugekittet, damit man „nicht auf ein Meer aus schwarzen Punkten“ blickt. Die Farbflächen wurden so bearbeitet, dass sie, wenn der Schaden, wie oben beschrieben, nicht bereits zu groß war, ein gesammeltes Bild ergeben. Hierzu zählen auch beispielsweise die Geißelmale, welche typisch für die Crucifixus-dolorosus-Darstellung zu bezeichnen und über den ganzen Körper verteilt sind. Zu den hellen Stellen im Gesicht sagte Liebetrau, dass „sie den Betrachter so weit irritieren, dass die schnitzerische Form in den Hintergrund tritt“. Auch stark nachgedunkelte Ölfarbe, die bei der letzten Restaurierung aufgebracht wurde, musste ausgebessert werden.
266 Arbeitsstunden wurden in die jüngste Restaurierung des Glimbacher Kreuzes investiert. Insgesamt belaufen sich die Kosten der Bearbeitung auf 25000 Euro, die aus Spenden finanziert wurden. Liebetrau hat während der Bearbeitung festgestellt, dass in den Kopf der Skulptur Nägel eingeschlagen wurden. Ein Grund hierfür könne sein, dass der Holzkorpus eine Zeitlang eine Echthaarperücke trug. Die Nägel dienten dann zur Befestigung.
Ein weiteres Geheimnis birgt das Glimbacher Kruzifix allerdings noch: Während der Restaurierung ist aufgefallen, dass sich in der Skulptur hinter der Wunde auf Brusthöhe ein beweglicher Gegenstand befindet. „Wir sind uns nicht sicher, worum es sich handelt“, gab Liebetrau preis.