Das Dunkelfeld erhellen

Warum nennt das Bistum Aachen die Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern?

Datum:
25. Okt. 2023
Von:
Bistum Aachen

Das Bistum Aachen ist die erste deutsche Diözese, die in Verbindung mit einem öffentlichen Aufruf Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern im größeren Umfang nach festgelegten transparenten Kriterien nennt.
Bisher unbekannte Betroffene sollen damit ermutigt werden, sich zu melden. Die Persönlichkeitsrechte der (mutmaßlichen) Täter treten dabei hinter die Interessen der Betroffenen zurück.
Die KirchenZeitung fasst die wichtigsten Fragen und Antworten zur Veröffentlichung zusammen.  

Wer gilt als Täter?

Als „Täter“ bezeichnet das Bistum Aachen Personen, deren sexualisierte Gewalttaten gegen Minderjährige oder schutz- oder hilfsbedürftige Erwachsene durch Strafverfolgungsbehörden rechtskräftig festgestellt worden sind.
Auch rechtskräftig abgeschlossene Urteile von kirchlichen Gerichten fallen nach unserem Selbstverständnis des Bistums in diese Kategorie, auch wenn es sich um Entscheidungen kirchlicher Stellen handelt und für die Verurteilten nach Maßstäben weltlicher Gerichte die Unschuldsvermutung gilt.  

Wer gilt als mutmaßlicher  Täter?

Als „mutmaßliche Täter“ bezeichnen wir Personen, bei  denen wir hinreichende Hinweise auf sexualisierte Gewalttaten gegen Minderjährige oder schutz- oder hilfsbedürftige Erwachsene besitzen.
Als „hinreichende Hinweise“ erachten wir Beschuldigungen, die in mindestens  einem abgeschlossenen Verfahren zur Anerkennung des Leids als plausibel im Sinne von Ziff. 6 der Ordnung für das Verfahren auf Anerkennung des Leids des Bistums Aachen in ihrer jeweils geltenden Fassung anerkannt wurden und für die mindestens ein positiver Bescheid der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) vorliegt. 

Warum nennt das Bistum  Aachen die Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern?

Das Bistum Aachen steht auf der Seite der Betroffenen sexualisierter Gewalt. Durch die Namensnennung möchte das Bistum weitere Betroffene, die das ihnen widerfahrene Unrecht und erlittene Leid bislang noch nie mitgeteilt haben, ermutigen, sich vertrauensvoll bei den unabhängigen Ansprechpersonen oder der Stabsabteilung PIA zu melden.
Der Schutz der Betroffenen genießt jederzeit oberste Priorität.  Das Bistum Aachen betont: „Wir stehen für eine Kultur des Hinsehens. Wir gewährleisten den Rahmen, dass alle Betroffenen Anträge auf Anerkennung des Leids stellen sowie professionelle Hilfe in  Anspruch nehmen können. Verbunden mit der Nennung der Täternamen ist auch der Aufruf an all diejenigen, sich zu melden, die Hinweise geben können.
Die Nennung der Täternamen ist Teil einer konsequenten Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.“  

Welche Namen werden veröffentlicht?

Das Bistum Aachen nennt die Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige/Schutzbefohlene, bei denen folgende Kriterien erfüllt sind:
• Die Personen sind von staatlichen oder kirchlichen Gerichten einschlägig rechtskräftig verurteilt worden („Täter“).
ODER
• Mindestens ein Antrag auf Anerkennung des Leids, in dem die Person beschuldigt worden ist, wurde durch die UKA positiv beschieden („mutmaßlicher Täter“).
UND
• Der Täter oder der mutmaßliche Täter ist seit mehr als zehn Jahren verstorben. 

Welche Namen werden nicht veröffentlicht?

Das Bistum Aachen veröffentlicht nicht die Namen von Beschuldigten, die nicht als Täter oder mutmaßliche Täter im oben beschriebenen Sinn eingestuft werden können, das heißt, die Vorwürfe sind weder rechtskräftig im Rahmen eines staatlichen oder kirchlichen Strafverfahrens festgestellt und bejaht, noch in einem Antragsverfahren auf Anerkennung des Leids positiv beschieden worden.
Namen von Tätern oder mutmaßlichen Tätern, die noch leben, die noch nicht seit zehn Jahren verstorben sind oder deren Todesdatum nicht feststellbar ist, werden nach der entwickelten Systematik grundsätzlich nicht veröffentlicht.
Bei noch lebenden Personen gelten die Regelungen der Interventionsordnung. Eine Veröffentlichung ihrer Namen könnte zu einer dauernden Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung führen oder eine Prangerwirkung entfalten.
Bei verurteilten Tätern ist außerdem deren Resozialisierungsinteresse zu beachten; eine Identifizierung dieser Personen ist unzulässig, wenn dadurch nach der Verbüßung der Strafe die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefährdet würde.
Verstorbene werden durch das sogenannte postmortale Persönlichkeitsrecht geschützt. Es umfasst den aus der Menschenwürde folgenden Wert- und Achtungsanspruch, der auch nach dem Tod für eine gewisse Zeit bestehen bleibt.
Dieses Recht gilt es abzuwägen gegen das Informations- und Aufklärungsinteresse von Betroffenen. Aus Sicht des Bistums Aachens überwiegt das Aufklärungsinteresse der Betroffenen im Grundsatz zehn Jahre nach dem Tod des Täters oder mutmaßlichen Täters. Davon kann es aber Ausnahmen geben. 

Gibt es Ausnahmen von der Zehnjahresfrist?

Ja, in begründeten Ausnahmefällen behält sich der Bischof vor, die Zehnjahresfrist zu verkürzen.
Dies ist etwa beim Aufruf vom 26. Mai 2023 bezogen auf einen Täter geschehen, der erst 2018 verstorben war. Der Grund lag in diesem Fall darin, dass das Bistum  Aachen begründete Vermutungen hegt, dass der Priester auch auf den Philippinen Verbrechen begangen hat.
Ein öffentlicher Aufruf erschien dem Bistum daher ein angemessenes Mittel, um weitere mögliche Zeugen oder Betroffene dieser Taten zu finden.

Warum hat es so lange  gedauert, bis das Bistum  Aachen Namen nennt?

Das Bistum Aachen ist die erste deutsche Diözese, die in Verbindung mit einem öffentlichen Aufruf an Betroffene die Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige/Schutzbefohlene im größeren Umfang nach festgelegten Kriterien nennt.
Die Kriterien dafür mussten ganz neu entwickelt werden.
Der Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess, die Einbeziehung der Gremien sowie die rechtliche Beratung benötigten Zeit. Sorgfältige Vorbereitung und verantwortungsvolles Handeln gehen vor Schnelligkeit. Der gesamte Prozess wird vom Bistum Aachen auch nach der ersten Veröffentlichung von Namen evaluiert. 

Stimmen und Reaktionen lesen Sie hier.

Öffentliche Aufrufe

Alle Informationen zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und Nennung von Tätern und mutmaßlichen Tätern gibt es unter www.bistum-aachen.de/Aufarbeitung