Das Bildnis vom Senfkorn

Auf dem Campus Melaten kommen Ingenieure mit Kirche in Berührung. Was hat die Gesellschaft davon?

Ein Ort der Stille und der Reflexion, aber auch des Austausches soll der
Ein Ort der Stille und der Reflexion, aber auch des Austausches soll der "Quellpunkt" auf dem Campus-Boulevard sein.
Datum:
16. Jan. 2018
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 03/2018

In den nächsten Tagen wird es ganz offiziell eröffnet: das fünfte Katholische Hochschulzentrum im Bistum Aachen. „QuellPunkt“ ist ein Ort der Kirche inmitten technologischer Spitzenforschung. Das Zentrum residiert im Campus Melaten in Aachen. Wo Tausende Arbeits- und Studienplätze entstehen, zeigt die Diözese Gesicht. Über die Hintergründe und Perspektiven spricht die KiZ mit Pastoralreferent Dieter Praas und Universitätsprofessor Achim Kampker.

Zwei Freunde der Vernetzung: Pastoralreferent Dieter Praas (l.) und der Universitätsprofessor Achim Kampker im angeregten Gespräch. (c) Thomas Hohenschue
Zwei Freunde der Vernetzung: Pastoralreferent Dieter Praas (l.) und der Universitätsprofessor Achim Kampker im angeregten Gespräch.

Herr Praas, jetzt wird’s ernst, das Zentrum geht an den Start. Was haben Sie hier vor?

Dieter Praas   Wir öffnen unsere Tore, das ist richtig. Was aber im Zentrum passiert, ist noch nicht bis ins Detail festgelegt. Denn ich beginne hier nicht mit einem fertigen Konzept, sondern ich entwickle es mit Menschen, die im Campus forschen, lehren und studieren, zusammen. Ich führe sehr viele Gespräche und nehme aus jedem einzelnen Gespräch mindestens eine konkrete Idee und Anregung mit. Es gibt hier im Zentrum noch keine Tradition, wir können ganz neu gucken. Das ist eine großartige Erfahrung, für die ich schon heute dankbar bin.

 

Was erleben Sie an Reaktionen, wenn Sie in die Gespräche gehen?

Dieter Praas   Viele sind neugierig. Manche haben auf so ein Angebot gewartet, auf eine Einladung, sich über die Werte auszutauschen, die der katholische Glaube transportiert. Mir ist bisher wenig Abwehr oder Skepsis begegnet. Klar ist Kirche für viele ganz weit weg. Wenn wir über den Rückgang des Christlichen in unserer Gesellschaft sprechen, wird das hier im Campus spürbar. Und doch wird aufmerksam registriert, dass die Kirche hier neu und einladend Präsenz zeigt.

 

Herr Kampker, Sie haben das Zentrum mit Generalvikar Andreas Frick voran und anderen Mitstreitern auf den Weg gebracht. Was hat Sie dazu bewogen?

Achim Kampker   Ich bin nicht nur Ingenieurwissenschaftler, sondern auch gläubiger Christ. Als solcher hat mich ganz praktisch die Frage beschäftigt: Wo kann man hier beten, Gottesdienste feiern, zur Ruhe kommen in unserem dicht getakteten Alltag? Als zweites kamen grundsätzliche Gedanken hinzu. Ich möchte das ökonomische und technische Szenario hinterfragen, das da lautet: immer höher, schneller, weiter. Ich möchte diskutieren, ob alles, was machbar ist, auch gemacht werden sollte. Und da glaube ich, dass uns das Evangelium viel zu sagen hat.

 

Unter welchen Vorzeichen steigen Sie in eine solche Auseinandersetzung ein?

Achim Kampker   Aus meiner christlichen Prägung heraus bin ich der festen Überzeugung, dass wir uns mehr in den Dienst der Nachhaltigkeit stellen müssen. Wir haben den Auftrag, unsere Fähigkeiten so einzusetzen, dass die nächsten Generationen weiterleben, ja dass sie überhaupt leben können. Wir verbrauchen viel mehr Ressourcen, als wir haben, wir leben über die Verhältnisse der Menschheit und des Planeten. Als Christ kann ich durch Verzicht und andere Entscheidungen helfen, als Ingenieur durch neue Technik. Die Kirche mit ihrem Kern an alten Wahrheiten und Traditionen gibt mir da eine Orientierung, die mir Kraft verleiht.

 

Was kann das Katholische Hochschulzentrum zum Wandel beisteuern?

Achim Kampker   Ich spüre, dass viele Studenten und Kollegen die Dringlichkeit in sich spüren, die das Thema Nachhaltigkeit in sich birgt. Sie bringen es oft, wenn auch eher unterbewusst, mit den Werten des Evangeliums in Verbindung. Das Zentrum gibt dem nötigen Dialog einen Ort. Kirche bringt sich hier neu ein, zeigt, dass die frohe Botschaft auch heute werthaltig ist. Den ein oder anderen ermutigt es vielleicht auch, sich wieder stärker zu seinem Christsein zu bekennen. So oder so bin ich ganz gespannt darauf, mit anderen die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Wer weiß, was für Ideen aus dem Glauben heraus hier entstehen!

Dieter Praas   Ich habe viel Mut, dass das gelingt. Wir wissen zuwenig voneinander. Deshalb ist die Vernetzung so wichtig. Bei den Gesprächen erlebe ich große Offenheit dafür. So mancher hat schon gesagt: Jetzt weiß ich, was das für ein Ort ist, und da bin ich sofort dabei. Meine Aufgabe sehe ich deshalb darin, Menschen zusammenzubringen, die sonst wenig oder nichts miteinander zu tun haben. So kann Neues entstehen.

 

Der Campus Melaten ist eine Welt, in der Messbarkeit und Leistungsdaten zentral sind. Wie ist das mit Kirche kompatibel?

Achim Kampker   Zuerst: Ich finde es ganz herausragend, dass das Bistum hier investiert, und zwar sowohl in Steine als auch in Menschen. Dadurch ermöglicht es eine offene, unaufgeregte, spontane Begegnung mit dem Christlichen. Ich bin ganz gespannt, wer sich alles aufmacht, wenn sich hier im Zentrum das Leben entfaltet. Damit verlasse ich auch schon die Welt der Zahlen und Finanzen, denn wie das in die Gesellschaft hineinwirkt, ist keine Frage, die man mit Hilfe zählbarer Fakten beantworten kann. Ich vergleiche das gerne mit dem biblischen Bildnis vom Senfkorn, das reiche Früchte trägt. Jeder, der hier Impulse mitnimmt, gibt sie weiter. Das ist meine Hoffnung und Erwartung.

Dieter Praas  Ich sehe das Ganze auch in umgekehrter Richtung. Ich meine, nicht nur die Gesellschaft lernt von der Auseinandersetzung mit dem Evangelium, sondern die Kirche wiederum hat hier die große Chance, von der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft zu lernen. Da kann ich schon jetzt einige Punkte benennen: die Betriebskultur und Arbeitsatmosphäre in den Instituten, deren Freundlichkeit und Verbindlichkeit gegenüber Externen, ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur fachübergreifenden Zusammenarbeit. Davon können wir als Kirche für eine vernetzte Pastoral viel lernen.

 

Das Gespräch führte Thomas Hohenschue.