„Es ist ungewöhnlich für einen Verein, ein Angebot zu erstellen, bei dem die Teilnehmer keine Mitglieder sein müssen, sondern wo jeder mitmachen kann“, erzählt Björn Siegers. Als Geschäftsführer des ASV Süchteln weiß er, wovon er spricht. In Kooperation mit der Pfarrei St. Clemens engagiert sich der ASV seit 2011 in Sachen offene Kinder- und Jugendarbeit.
Eigentlicher Motor der Aktion ist allerdings die Bürgerstiftung St. Irmgardis, die 2010 finanzielle Mittel zur freien Verfügung hatte, nachdem ein Förderziel weggefallen war. So war die Stiftung auf der Suche nach einem neuen Projekt, das insbesondere zwei Kriterien erfüllen musste: a) es sollte vor Ort, also in Süchteln, sein; b) die Mittel sollten im kirchlichen Sinne eingesetzt werden.
Schon schnell war die Jugendarbeit als sinnvoller Nutznießer der Aktion ausgemacht. Immerhin liege die Quote aller Jugendlichen der Stadt, die in den offenen Jugendeinrichtungen erreicht werden, nur bei drei bis fünf Prozent, schätzt Siegers. Der Prozentsatz des ASV liege etwas darüber. Ungefähr 1500 Kinder und Jugendliche leben in der Stadt mit 16000 Einwohnern. Süchteln wiederum ist Teil von Viersen mit über 76000 Einwohnern.
Daraufhin wurde Björn Siegers gebeten, ein Konzept zu schreiben, wie der ASV sich gemeinsam mit der katholischen Kirche vorstellen könne, Jugendarbeit zu gestalten. Björn Siegers ist seit Mai 2009 hauptamtlicher ASV-Geschäftsführer. Mit dem Projekt „Kirche und Sport“ wurde seine Stundenbasis von 20 auf 35 erhöht. Zur Seite stehen ihm zwei FSJler, also Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr.
Wo könnte eine Schnittmenge einer gemeinsamen Jugendarbeit liegen? „Wo wir sehr viel machen, ist in der Ganztagsbetreuung der Schulen, beispielsweise bei einer Grundschule 16 Stunden Sport von Toben, Turnen, Spielen bis hin zu sportart-spezifischen Angeboten“, erzählt Björn Siegers. Zur Sportförderung sowie Talentsichtung gehört auch ein Motoriktest. Hier fallen einige Teilnehmer durchs Raster, sei es durch Übergewicht oder aus sozialen Schwierigkeiten.
„Diese Kinder werden einmal in der Woche von unseren FSJlern in der dritten und vierten Klasse sportlich gesondert betreut“, unterstreicht Siegers. Ziel ist es, die Koordination zu verbessern, damit sie nicht mehr „als letzte gewählt werden“. Auch wird versucht, individuell die geeignete Sportart zu finden. Wer etwas „kräftiger“ ist, kann durchaus im Judo erfolgreich sein. „Wenn erreicht wird, an der einen oder anderen Stelle jemanden in den ,normalen‘ Sport zu überführen, hat das auch einen sozialen Aspekt“, betont der ASV-Geschäftsführer. „Wenn ich es schaffe, jemanden in eine Gruppe zu integrieren und seine Stärken einzubringen, dann hat er auch wieder einen anderen Status.“ So kümmert sich der ASV flächendeckend im Ort um den Sportförderunterricht, auch in der Martinschule, der städtischen katholischen Grundschule.
„Wir haben immer mehr Kinder in der Nachmittagsbetreuung, die so auch lange in der Schule sind“, meint Siegers. Da sei es schwierig, sie dann noch zum Sportverein zu fahren. „Gerade in der Grundschule möchten die Eltern die Zeit von 16.30 bis 19 Uhr gemeinsam mit den Kindern verbringen.“ Darauf müssten Sportvereine ihre Angebote abstimmen. Statt: „Wir schließen nur die Türe auf, die Kinder kommen dann schon“, heiße es jetzt: „Wir gehen dahin, wo die Kinder sind.“
Vor allem wird auch Kommunikation zwischen den Beteiligten verbessert, was wiederum auch aus kirchlichem Blickwinkel wichtig ist. „Wir bringen ja die Kinder zusammen, sie reden miteinander, sie müssen Konflikte austragen, sie müssen die Konflikte auch irgendwie verarbeiten und sich in der kommenden Woche wieder in die Augen sehen können.“ Auch der Sozialisierungsgedanke sei letztlich ein Bildungsaspekt, der im Sport stattfinde. „Das war auch eine Schnittmenge.“
Darauf sollte aus seiner Sicht in Zukunft mehr Wert gelegt werden, es habe noch Luft nach oben, „dass man die Schwächeren auffangen und einbinden muss“, erklärt Björn Siegers. „Wobei man auch sagen muss, dass man nicht jeden kriegt. Es gibt keine 100-Prozent-Quote.“ Auch sollten die räumlichen Möglichkeiten des frisch renovierten Josefshauses und das pädagogische Know-how der Pfarrei neue Angebote hervorbringen. So wurden Angebote wie orientalischer Tanz sowie Jazz und modern Dance eingerichtet. Außerdem gibt es Slackline und Parkour in der Turnhalle der Realschule – Herausforderungen an Geschicklichkeit und Gleichgewichtsvermögen mit einem gehörigen Schuss Artistik.
„Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir noch angehen wollen, ist es, die Drop-out-Leute zu bekommen, diejenigen, die mit 13 oder 14 Jahren aus dem Vereinssport ausscheiden, die sportlich sind, aber sich gegen den Leistungssport entscheiden, keinen Bock darauf haben“, meint Siegers. Das Angebot könne sowohl kirchlich als auch sportlich sein. „Wir wollen erst einmal mit den Leuten in Kontakt treten.“ Die Überlegungen gehen unter anderem dahin, ob sich Jugendliche für Mitternachtsfußball oder Freizeitturniere erreichen und sich dabei leer stehende Turnhallen nutzen ließen, so dass aus einem Pool von 30 bis 50 Jugendlichen spontan einige für etwa ein Basketballspiel dort vorbei kämen. Es scheint aber schwierig zu sein, dieses Netzwerk aufzubauen.
Von Anfang an gibt es zur Steuerung des Projektes „Kirche und Sport“ Süchteln einen Projektausschuss. Da berichtet alle fünf bis sechs Wochen der ASV-Geschäftsführer dem Pfarrer der Kirchengemeinde St. Clemens Süchteln, Michael Schlößer, und dem ASV-Vorsitzenden Wolfgang Güdden vom aktuellen Stand des Projektes. „Wir schauen uns die Teilnehmerzahlen der Gruppen an, inwieweit bestimmte Events funktioniert haben oder eben nicht, oder wie die Öffentlichkeitsarbeit ist.“ Zudem tauschen sich die drei Süchtelner Einrichtungen, das Josefshaus der Pfarrei St. Clemens mit Leiterin Brigitte Bimmermann, das Jugendheim Evve der evangelischen Kirchengemeinde Süchteln mit Leiterin Teresa Lammertz und der ASV zwei bis drei Mal im Jahr aus. „Wir treffen uns und sprechen uns ab. Was macht ihr in nächster Zeit? Was können wir gemeinsam machen? Wo ist Bedarf?“
Mehr zum Projekt Kirche und Sport unter: www.asv-suechteln.de/abteilung/kirche-und-sport