Da, wo man sich versteht

Drei Projekte, die sich mit der Caritas-Jahreskampagne „Gemeinsam sind wir Heimat“ beschäftigt haben

Heimat Nachricht (c) Andrea Thomas
Heimat Nachricht
Datum:
14. Nov. 2017
Von:
Andrea Thomas
Heimat, dafür gibt es viele Definitionen. Für die einen ist das ein Ort, für andere sind das die Dinge, mit denen sie aufgewachsen sind oder ein besonderes Gefühl. Heimat ist etwas, das sich mit uns weiterentwickelt.
Heimat (c) Andrea Thomas
Heimat

 Das gilt ganz besonders in diesen Zeiten, in denen Menschen, die ihre alte Heimat hinter sich gelassen haben, um bei uns eine neue zu finden, auch uns zwingen, zu hinterfragen, was Heimat für uns ist.

 

Foto-Aktion „Heimat ist …“

Das aktuelle Kampagnenthema ihres Bundesverbands hatte Carla Rodrigues und Geraldine Wronski vom Referat Ehrenamt-Familie-Migration des Regionalcaritasverbands Aachen sofort angesprochen. Schnell entwickelte sich daraus die Idee zu einem Foto-Projekt, das Menschen unterschiedlicher Herkunft und Lebensumstände in einen Austausch auf Augenhöhe miteinander bringen und auch Ehrenamtliche noch einmal auf eine etwas andere Art einbeziehen sollte. „Gestartet sind wir am Tag der Integration in Aachen. Wir haben Besucher angesprochen und gefragt ,Was ist für dich Heimat?‘. Das haben sie aufgeschrieben, und wir haben sie mit ihren Botschaften fotografiert“, erzählt Carla Rodrigues. „Wir“, das waren neben ihr und ihrer Kollegin Künstlerin Anja Kipp sieben junge Ehrenamtliche mit und ohne Migrationshintergrund. Weitere Shootings fanden in der Aachener Innenstadt und bei Stadtteilaktionen statt. In knapp zwei Monaten seien sie so mit über 300 Menschen ins Gespräch gekommen, von denen rund 290 sich fotografieren ließen. „Das Schöne war, dass der Mensch im Vordergrund stand und jeder eine Stimme bekam“, fasst Carla Rodrigues zusammen. Da sei ganz viel miteinander über die sehr persönlichen Definitionen von „Heimat“ enstanden. Die sind so bunt wie die befragten Menschen und reichen vom Lieblings-Fußballverein bis zu „Familie“, „Friede“, „Geborgenheit“ oder „wo ich sein kann, wie ich bin“ und „wo meine Träume wahr werden“.

Auch für die Ehrenamtlichen selbst eine nicht so einfach zu beantwortende Frage. Elisa Ehret verbindet damit vor allem „Vertrautheit und Geborgenheit“. „Ich hatte bei der Aktion viele sehr intensive Gespräche und finde es sehr spannend, was andere mit Heimat verbinden“, sagt sie. Das ist immer auch eine Frage der Lebensumstände. „Gleichheit, Freiheit, Demokratie“ steht auf den Zetteln der Brüder Omar und Khalid Kweidy. Beide sind als Flüchtlinge nach Aachen gekommen und haben sich dem Projekt spontan am Tag der Integration angeschlossen. „Wir müssen reden, dann verstehen wir uns auch besser“, sagt Omar. Aus allen Fotos sind mit Unterstützung des Ludwig-Forums mehrere Stellwände entstanden, die bis zum 30. November in der Aachener Citykirche zu sehen sein werden und danach als Wanderausstellung ausgeliehen werden können.

Ansprechpartnerinnen sind Carla Rodrigues und Geraldine Wronski, E-Mail: migrationsdienst@caritas-aachen.de

 

Wandbild, das Heimat gibt

Aus den Fenstern der Würselener Werkstatt für Menschen mit Behinderung der Caritas Betriebs- und Werkstätten GmbH schaut man auf eine triste weiße Wand. Ob sie nicht Lust hätte, die gemeinsam mit Mitarbeitern und Beschäftigten zu gestalten, habe Geschäftsführer Michael Doersch sie gefragt. Dorota Okwieka vom Sozialdienst der Werkstätten wollte und musste dann doch erst einmal schlucken, als sie ihre „Leinwand“ in Augenschein nahm: Sechs mal 90 Meter. „Mir war klar, dass ich da professionelle Hilfe brauche“, sagt die Kunsttherapeutin. Die fand sie am Lehrstuhl bildnerische Gestaltung der RWTH Aachen und bei Anja Neuefeind und ihren Studentinnen. „Die Idee, das gemeinsam mit den Mitarbeitern und den Menschen mit Behinderung umzusetzen, hat mich sofort überzeugt. Auch für die Studierenden war das etwas Besonderes“, sagt sie. Ein Thema war mit der Caritas-Kampagne „Zusammen sind wir Heimat“ auch schnell gefunden. In einem gemeinsamen Workshop sammelten sie Ideen und Gedanken dazu: Welche Begriffe verbinden wir mit „Heimat“ und welche Farben? Daraus entwickelten fünf der zwölf beteiligten Studentinnen, die selbst aus unterschiedlichen Ländern kommen, einen Entwurf. Die Jury entschied sich schließlich für den Entwurf von María García Ruiz de León, in dem sie Begriffe wie „Leben“, „Familie“, „Miteinander“, „Helfen“ oder „Toleranz“ in verschiedenen Farben, Schriftgrößen und Sprachen übereinandergelegt hat. „Wir haben bewusst nicht mit Bildern gearbeitet, damit auch unsere Beschäftigten bei der Umsetzung mitarbeiten können“, sagt Dorota Okwieka. Die wird sich noch etwas hinziehen, da sie sich dazu professionelle Unterstützung einer Fachfirma holen wollen. Am Ende, da sind sich alle sicher, wird das Wandbild der Werkstatt auch ein Stück Heimat geben.

 

Wahlheimat Walheim

„Heimat suchen – Heimat finden – Heimat geben – sich beheimaten im ländlichen Raum“, so lautet der Titel einer Ausstellung in Walheim mit verschiedenen Rahmenveranstaltungen zu Flucht, Asyl und Menschenrechten. Unter dieser Überschrift bündelt sich aber auch das vielfältige Engagement von Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, die sich hier im Süden Aachens dafür einsetzen, Menschen, egal woher sie kommen, Heimat zu geben. In Walheim war eines der Erstaufnahmelager für Flüchtlinge der Stadt Aachen untergebracht. Vom ersten Tag an haben sich die Frauen der katholischen Frauengemeinschaft (KFD) um die Menschen dort gekümmert, mit der Organisation und Verteilung von Kleiderspenden sowie einem Begegnungscafé. „Viele unserer Mitglieder sind schon älter und haben selbst Fluchterfahrungen aus der Zeit nach dem Krieg“, erzählt die Vorsitzende Karla Siegers. Zu helfen sei für sie selbstverständlich gewesen. Inzwischen haben viele Flüchtlinge eigene Wohnungen, und das Café findet nur noch einmal im Monat statt. Für viele der Flüchtlingsfrauen ist es ein Stück Heimat geworden, Kontakte sind entstanden. Sie hätten sie zu sich eingeladen und für sie gekocht und sie nähmen auch an den Veranstaltungen der KFD teil, erzählt Karla Siegers: „Für mich ist das Integration.“ Nicht das einzige Erfolgsbeispiel, im offenen Kinder- und Jugendtreff „Space“ haben sich junge Flüchtlinge zu einer Band zusammengefunden. Über die Musik als Ausdrucksform sind Kontakte zwischen ihnen und Jugendlichen aus Walheim entstanden. „Da hat sich ein tolles Miteinander entwickelt. Aus ehemaligen Flüchtlingen sind im Team hochgeschätzte Ehrenamtliche geworden“, berichtet Leiterin Nadine Zillikens.

„Es tut sich viel im Aachener Süden“, meint Barbara Krause, die sich selbst in der GdG Aachen-Kornelimünster-Roetgen, zu der auch St. Anna Walheim gehört, in der Flüchtlingsarbeit engagiert und die Schirmherrschaft der Ausstellung übernommen hat. Sie seien jetzt in einer neuen Phase, in der diese Menschen versuchten, hier Heimat zu finden und es auf die „Einheimischen“ ankomme, dies zuzulassen. Etwas, das im ländlichen Raum, wo die Strukturen überschaubarer und oft weniger anonym sind, mitunter leichter fällt. „Hier gibt es eine gute Gemeinschaft, hier wird noch einmal hingeguckt“, unterstreicht Margit Umbach, die das Projekt „Caritas der Gemeinde“ des Diözesan-Caritasverbands in der GdG betreut. Von der Ausstellung, die sie gemeinsam mit Flüchtlingsseelsorgerin Yasmin Raimundo und anderen Partnern organisiert hat, erhofft sie sich Impulse, wie das Zusammenleben von Einheimischen und Zugezogenen aus anderen Kulturen gelingen kann.