Corona ausgleichen

Projekt nimmt soziale Erfahrungsdefizite von Grundschulkindern in den Blick

Allein vor dem Rechner daheim oder mit Maske und Abstand in der Schule, so sieht Lernen in der Pandemie aus. (c) www.pixabay.com
Allein vor dem Rechner daheim oder mit Maske und Abstand in der Schule, so sieht Lernen in der Pandemie aus.
Datum:
23. März 2022
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 12/2022 | Andrea Thomas

Die Grundschulzeit ist weit mehr als lesen, schreiben und rechnen oder überhaupt das Lernen erlernen. Sie ist die Zeit, in der Kinder soziale Fähigkeiten in einer Gemeinschaft erwerben, in der sie in den Pausen, auf dem Schulweg und nach der Schule Kontakte knüpfen und wichtige und wertvolle Erfahrungen außerhalb der Familie sammeln.

Erfahrungen und Erlebnisse, die den Kindern seit Beginn der Pandemie fehlen und die die Jüngsten noch gar nicht machen durften. Schulalltag mit Corona, das ist Homeschooling und Präsenzunterricht mit Masken, Abständen, Coronatests und zahlreichen Einschränkungen. Das macht etwas mit den Kindern.

Das Land NRW hat mit dem Programm „Extra Zeit zum Lernen“ eine Förderung für Projekte entwickelt, die pandemiebedingte Lerndefizite auszugleichen versuchen. Eines der darüber finanzierten Projekte ist „Stärken stärken – Schwächen schwächen“, das das Augenmerk auf Grundschulkinder in der Pandemie legt. Entwickelt hat es Silvia Hamacher, Professorin an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Aachen, mit Karin Jazra vom Innovation-Lab Aachen, Transfernetzwerk Soziale Innovation. Kooperationspartner bei der Umsetzung ist das Jugendamt der Stadt Aachen.

„Die Pandemie hat den sozialen Austausch der Kinder untereinander in den Grundschulen zu kurz kommen lassen. Sich in kleinen Gruppen zu treffen, gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse zu machen, sind wichtige Lerngrundlagen“, zieht Silvia Hamacher Bilanz. Das Homeschooling habe dies weitgehend unmöglich gemacht. Ungleiche Lernvoraussetzungen während der Pandemie ließen ein sehr gemischtes Bild bei den Kindern erkennen. Deutlich werde, dass bei vielen Kindern ein Defizit in grundlegenden, sozialen Fähigkeiten vorliegt. Im Rahmen des Projektes nehmen acht Studierende der Sozialen Arbeit die Entwicklung von Fähigkeiten wie Lernstrategien, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Konfliktfähigkeit und andere Handlungskompetenzen in den Blick. 

Modellschule war die Städtische Gemeinschaftsgrundschule Richterich/Horbach (GGS Richterich). Sie blickt auf einen erfolgreichen ersten Durchlauf des Projekts „Stärken stärken – Schwächen schwächen“ zurück. Acht Wochen haben die Studenten die Grundschulkinder in vier altersgemischten Gruppen intensiv pädagogisch begleitet. Jeweils zwei Studierende im dritten Semester haben eine der kleinen Gruppen „trainiert“. Dabei ging es nicht um verpasste Lerninhalte aus dem Unterricht, sondern um außerschulische Lerninhalte, die spielerisch und kreativ gefördert werden sollten.

Zweite Runde ab Mai

Ein Projekt, von dem beide Seiten profitieren. Durch die gemeinsame Arbeit mit den Kindern können die Studierenden ihr theoretisch erworbenes Wissen in der Praxis zum Einsatz bringen – denn auch ihnen fehlen durch die Pandemie wichtige Praxiserfahrungen. „Eine absolute Win-win-win-Situation“, meint Karin Jazra – wenn man auch die Schule, die die Defizite im turbulenten Schulalltag nicht aufholen kann, zu den Gewinnern zählt. Inhaltlich und didaktisch begleitet werden die Studentinen und Studenten der Sozialen Arbeit durch Seminare davor und danach und ein durchgängig stattfindendes Reflexionsseminar.

„Wir sind wirklich sehr froh darüber, dass unsere Schule an zwei Standorten als Modellschule etwa 40 Schülern und Schülerinnen die Teilnahme an dem 
Projekt ,Stärken stärken – Schwächen schwächen‘ in Kooperation mit der Katho ermöglichen konnte“, sagt die kommissarische Schulleiterin der GGS Richterich, Claudia von den Hoff.

In den letzten Monaten sei im Präsenz-unterricht sehr deutlich geworden, dass zwar auch Lernrückstände aufzuholen sind, aber insbesondere die sozialen Fähigkeiten der Schüler und Schülerinnen vermehrt gefördert werden müssten. „Auch die vielen positiven Rückmeldungen unserer Kinder zeigen, wie wertvoll das Projekt ist, indem es zur Steigerung des Selbstvertrauens und dem sozialen Austausch als Grundlage zum gemeinsamen Lernen in der Schule beiträgt“, resümiert Claudia von den Hoff. 
Nach einer umfassenden Auswertung wird bereits im Mai der zweite Durchlauf an vier weiteren Aachener Grundschulen starten. Dieses Mal sollen 80 Kinder und 16 Studierende davon profitieren können.