Mit den Eroberern kamen immer auch die Missionare. Das war bei Christoph Columbus so und hatte sich auch im 18. und 19. Jahrhundert nicht wesentlich geändert, als Europa den afrikanischen Kontinent unter sich in Kolonien aufteilte. Kirche und Kolonialismus sind untrennbar miteinander verbunden mit Nachwirkungen bis heute. Eine Podiumsdiskussion in der Bischöflichen Akademie sowie ein Seminartag mit Mitarbeitern der drei Aachener kirchlichen Werke haben sich mit diesem Spannungsfeld beschäftigt.
„Für Europäer war jahrhundertelang selbstverständlich, dass ihre die einzig richtige und bessere Religion ist“, sagt die Journalistin Tina Adomako. Diese Haltung hat maßgeblich zu dem rassistischen Bild beigetragen, das man sich von den Menschen auf anderen Kontinenten gemacht und zu dessen Verfestigung und Verbreitung auch die Kirche beigetragen hat. In ihr wie auch in vielen anderen Organisationen sei struktureller Rassismus noch bis heute fest verankert. Sie zeigt auf, wie in Bildern kolonialistische und rassistische Haltungen reproduziert wurden und werden. Als Beispiel stellt sie Fotos aus dem frühen 20. Jahrhundert einander gegenüber: Auf der einen Seite eine junge Europäerin, modisch gekleidet und selbstbewusst, auf der anderen eine junge Afrikanerin, nackt und gedemütigt.
Auch heute noch bedienten Bilder aus Afrika häufig Vorurteile und Stereotypen: „Afrika der Krisenkontinent“ mit Bildern von Armut und Elend. Ganz typisch sei da das Kind mit Blähbauch. Gezeichnet werde immer noch das Bild von jemandem, der Hilfe brauche, nicht das von Menschen, denen man auf Augenhöhe begegnet. Oder es werde „Safari-Romantik“ gezeigt mit Folklore und Sonnenuntergängen. Auch das sei nur vermeintlich positiv. Afrika und seine Menschen würden als „exotisch“ im Sinne von fremd und andersartig dargestellt. Besonders deutlich wird das in der Werbung, die bis heute mit rassistischen Stereotypen arbeitet. War es vor hundert Jahren das schwarze Kind in der Seifenreklame, das gerne so sauber (und weiß) wäre, ist es aktuell die Pflegeserie, die verspricht, die Haut frischer, schöner (und heller) zu machen.
Boniface Mabanza
Elisabeth Kaneza ist Vorsitzende der Kaneza-Foundation in Aachen und UN-Botschafterin der Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft, die noch bis 2024 läuft. Kirche sei Teil der Historie und habe zu Kolonialisierung und Diskriminierung beigetragen, aber sie sei auch Teil der Gegenwart und trage Mitverantwortung, rassistische Strukturen abzubauen. Dazu biete sich zum Beispiel eine Chance über den Austausch mit der afrikanischen Diaspora und den Communitykirchen. Über sie erführen Menschen Ermutigung, und sie leisteten wichtige Arbeit, die in die Anti-Rassismus-Arbeit einfließen müsse. Sie wünscht sich, dass die Kirche die UN-Dekade stärker als bislang für die Etablierung einer rassismuskritischen Auseinandersetzungskultur nutze. „Wir müssen mit dem christlichen Menschenbild für Gleichberechtigung werben.“
Für Boniface Mabanza von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg sind „Kolonialisierung und Mission zwei Spezies einer Art“. Als Beispiel nennt er Beutekunst, die Missionare in ihre Heimat mitbrachten. So sei viel Kreativität und kulturelle Tradition zerstört worden. Die Kirche habe sich bis heute nicht genug mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinandergesetzt. Der koloniale Diskurs habe andere Ausdrucksformen angenommen, aber die Machtverhältnisse hätten sich nicht grundlegend verändert.
Im Rahmen eines Seminartages haben sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Aachener Hilfswerke näher mit den Wurzeln ihrer Arbeit beschäftigt. „Das Thema brodelt bei uns schon länger, nicht erst seit es durch den Tod von George Floyd weltweit in die Öffentlichkeit gerückt ist“, berichtet Philipp Spinner, Projektreferent bei Missio. Da stellten sich viele Fragen zum Umgang mit Partnern, der Verwendung von Bildern und Sprache, dem Verständnis ihrer Arbeit, Vorurteilen, die jeder mal stärker, mal schwächer habe. „Das ist unser Erbe, unsere Geschichte, mit der wir uns auseinandersetzen müssen“, sagt Marianne Pötter-Jantzen, Referentin bei Misereor.
Es gehe um Wissen darüber, was die Zeit geprägt habe und wie das unsere Weltsicht heute präge. Darüber informierten Schule und Studium kaum. Dabei sei dies essenziell, um Probleme in der Welt heute zu verstehen und etwas zu verändern. Die Experten – Boniface Mabanza und Abdou-Rahime Diallo, der die Podiumsdiskussion moderierte, haben den Tag begleitet – hätten ihnen das Thema sehr eindrücklich mit viel Detailwissen und persönlichen Erfahrungen nahegebracht. Es sei ein spannender Austausch gewesen innerhalb des eigenen Kollegiums und werkeübergreifend. „Das hilft einzuordnen und zu reflektieren, zu schauen, was kann ich, was können wir anpassen, was ändern“, fasst Philipp Spinner zusammen.