„Bufdi“ mit 85 Jahren

Der Mönchengladbacher Klaus Hettlage hat sich entschieden, den Bundesfreiwilligendienst zu leisten

Margarete  Pilichievicz liebt es, wenn ihr „Bufdi“ Klaus Hettlage aus der Zeitung vorliest. (c) Cartias
Margarete Pilichievicz liebt es, wenn ihr „Bufdi“ Klaus Hettlage aus der Zeitung vorliest.
Datum:
24. Nov. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 47/2021 | Garnet Manecke

Etwas Neues anfangen und zu lernen: Das ist das beste Rezept, um im Alter fit zu bleiben. Klaus Hettlage hat sich das zu Herzen genommen und leistet nun seinen Bundesfreiwilligendienst im Caritaszentrum Rheydt. Er dürfte einer der 
ältesten „Bufdis“ in ganz Deutschland sein.

Wenn Klaus Hettlage morgens seinen Kaffee trinkt und dabei aus dem Fenster schaut, weiß er schon, was er an diesem Tag machen wird: Er wird zur Arbeit gehen. Das ist für die meisten ganz normal und auch für Klaus Hettlage war das lange Zeit sein Alltag. Nun aber ist er 85 Jahre alt – bestes Rentneralter also. Wer in diesem Alter einer Arbeit nachgeht, bekommt entweder eine sehr schmale Rente oder aber hat Langeweile. Bei Klaus Hettlage trifft letzteres zu.

Ein Freund seines Sohnes hat Hettlage auf den Bundesfreiwilligendienst aufmerksam gemacht. Den kann jeder Erwachsene leisten, wenn auch die meisten sich dafür direkt nach ihrer Schulzeit entscheiden. Entsprechend jugendlich sind die „Bufdis“, wie die Bundesfreiwilligendienstler oft genannt werden. Auch im Caritaszentrum Rheydt sind Hettlages „Bufdi“-Kolleginnen und -Kollegen im Alter von 18 bis 20 Jahren.

An die erstaunten Blicke hat sich Klaus Hettlage längst gewöhnt. „Ach so, der neue Bufdi…“, heißt es schon mal halb ungläubig, halb bewundernd, wenn der Mönchengladbacher im Einsatz ist. Gegenüber seinen jungen Kolleginnen und Kollegen hat Hettlage in seinem Alter eine große Stärke: „Er hat ein gutes Gespür, vor allem für demenziell veränderte Menschen. Wir sehen deshalb zu, dass er so viel Zeit wie möglich bei und mit Bewohnern verbringen kann“, sagt Judith Schiffer, Leiterin des Sozialen Dienstes im Caritaszentrum Rheydt.

 

>> Ich wollte nicht mehr und war am Boden zerstört.<<

Klaus Hettlage

 

Eingesetzt wird er hauptsächlich beim Mittagstreff, ein Angebot für Menschen mit Demenz. Aber auch die Begleitung zum Arzt oder die Arbeit im Büro und an der Besucherregistrierung gehört zu seinen Aufgaben. „Ich mache alles, was anfällt“, sagt Hettlage. Mit einer Ausnahme: Die Arbeit am Computer ist nicht so seins. „Ich kann einen Brief schreiben, aber nicht viel mehr“, sagt der 85-Jährige. Hettlage hat andere Qualitäten, die von montags bis freitags für jeweils vier Stunden im Haus gefragt sind.

Als Spross einer Textilfamilie ist Klaus Hettlage in der Albertusstraße in Mönchengladbach aufgewachsen – in direkter Nachbarschaft zur Caritas. Sein Großvater und sein Vater führten das damals über Mönchengladbachs Grenzen hinaus sehr bekannte gleichnamige Bekleidungsgeschäft Hettlage an der Hindenburgstraße. Kein Wunder, dass auch der Enkel das Textilgen hatte. Als gelernter Textilkaufmann und studierter Betriebswirt hat Hettlage 
in vielen Unternehmen gearbeitet, unter anderem als Vertriebsleiter für einen Baustoffhersteller und als Handelsvertreter. Mit 70 trat er in den Ruhestand, „den ich genossen habe“, wie er sagt.

Zwei Schicksalsschläge warfen sein Leben aus der Bahn: Der vierfache Vater verlor eine Tochter und vor vier Jahren starb seine Frau. „Ich war am Boden zerstört, ich wollte nicht mehr“, erinnert sich Hettlage. Ein Nachbar, ebenfalls Witwer, machte ihn auf das Nikolauskloster in Jüchen aufmerksam. „Dort hat mich ein Pater seelisch und moralisch aufgebaut und mir sehr geholfen“, erzählt der 85-Jährige. Mit dem „Bufdi“-Dienst hat er nun wieder einen neuen Sinn in seinem Leben gefunden.