Brot teilen, anderen helfen

Nach einem Jahr fällt das Fazit der Aktion „Brotteiler“ in der Region Heinsberg durchwachsen aus

Zwei Brote kaufen, eins mitnehmen und eins spenden: So funktioniert das Prinzip „Brotteiler (c) Garnet Manecke
Zwei Brote kaufen, eins mitnehmen und eins spenden: So funktioniert das Prinzip „Brotteiler
Datum:
18. Aug. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 33/2021 | Garnet Manecke

„Teilen macht reich“: Der Wahlspruch des Volksvereins Mönchengladbach wird auch in der Region Heinsberg gelebt. Vor einem Jahr hat der Verein Amos gemeinsam mit der Projektkirche Sundayte und der GdG Heinsberg-Waldfeucht die Aktion „Brotteiler“ ins Leben gerufen. Eine erste Bilanz.

Mit einem Gottesdienst wurde die Aktion „Brotteiler“ im August 2020 gestartet. (c) Garnet Manecke
Mit einem Gottesdienst wurde die Aktion „Brotteiler“ im August 2020 gestartet.

Wer durch die Städte der Region Heinsberg schlendert, sieht sie nicht: Obdachlose fallen im Stadtbild von Heinsberg, Erkelenz, Hückelhoven oder Wassenberg nur vereinzelt oder gar nicht auf. Aber auch hier gibt es sie – genauso wie es Menschen gibt, die jeden Monat ein so knappes Haushaltsbudget haben, dass sie gerade so über die Runden kommen. Oder, wenn es ganz schlecht läuft, jeden Monat ihr Konto ein kleines bisschen mehr überziehen müssten, gäbe es keine Hilfe. Für sie ist es eine Erleichterung, wenn sie zur Tafel gehen können, um kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Corona hat die Situation noch verschärft: Mehr Menschen geraten in die Arbeitslosigkeit oder bleiben länger arbeitslos. Diese Not zu lindern, ist das Ziel der Aktion „Brotteiler“.

„Wir haben festgestellt, dass die Aktion aufseiten der Spender sehr gut angenommen wird, auf der Seite der Empfänger in den Bäckereien selbst nicht so angenommen wird“, sagt Babette Sanders von der Projektkirche Sundayte. Das System sieht vor, dass Spender in den teilnehmenden Bäckereien Bons für Brot, Brötchen und Teilchen kaufen. Die Bons werden an ein Brett gehängt, von dem sich Menschen, die knapp bei Kasse sind, Bons nehmen und einlösen können. So einfach das Prinzip, so unvorhergesehen die Schwierigkeiten.

„Diejenigen, die die Bons gut gebrauchen könnten, nehmen sie in den Bäckereien nicht mit“, sagt Johannes Eschweiler vom Verein Amos. Dabei ist die Nachfrage da. Das zeigte sich, als vergangenes Jahr die Mutter von Robin Dick, Juniorchef der Heinsberger Bäckerei Dick, die übrig gebliebenen Bons im Verein abgab. „Das war ein Wert von ungefähr 800 Euro“, sagt Eschweiler. „Die haben wir dann an unsere Tafelkunden weitergegeben, und die haben sie gern genommen.“

„Es ist vermutlich ein Unterschied, ob man direkt an die Verkaufstheke geht und einen Bon wie einen Gutschein einlöst oder ob man sich einen Bon vom Brett nimmt“, vermutet Robin Dick. „Durch Corona und die damit verbundenen Hygienevorschriften und Abstände ist es nicht mehr so anonym, an das Brett heranzutreten.“ Die mangelnde Anonymität ist eines der Hauptprobleme der Aktion.

„In Städten wie Heinsberg, Wassenberg, Hückelhoven oder Erkelenz kennt quasi jeder jeden“, sagt Johannes Esch-weiler. Das gilt noch stärker auf den Dörfern, die die zweite teilnehmende Bäckerei, Maria van Heel, mit einem mobilen Backshop anfährt. 
„Es wird immer noch als Makel empfunden, wenn man arbeitslos wird und auf Sozialleistungen angewiesen ist“, sagt Eschweiler. Das beobachtet er auch bei einigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern der Tafel, die von Amos geführt wird. „Manche haben begonnen, sich hier zu engagieren, weil sie nicht als Tafelkunde erkannt werden wollten“, sagt er. „Auf diese Weise bekommen sie ihre Zuteilung, ohne dass sie in der Warteschlange entdeckt werden können.“ Als Helfer bekommen sie zu Gemüse, Brot und Trockenprodukten auch Anerkennung und Zufriedenheit durch eine sinnvolle Tätigkeit.

Auch wenn das Resümee des ersten Jahres nicht ganz die erhofften Ziele trifft, sind die Initiatoren der Brotteiler-Aktion zufrieden. Im zweiten Jahr wollen sie die Aktion bekannter machen und ihr Angebot offensiver in die Öffentlichkeit bringen. „Wir werden weitere Bäckereien ansprechen, ob sie mitmachen“, sagt Babette Sanders. Zudem will sie auch bei Beratungsstellen, in Second-Hand-Shops und in Kleiderkammern mit Plakaten für das Projekt werben. Wenn es gut läuft, engagieren sich einige, die es aus der Krise schaffen, und kaufen dann einen Brotteiler-Bon, wenn es ihnen wieder besser geht. „Das haben wir schon erlebt“, freut sich Sanders. So läuft es optimal.