Schwindende personelle und finanzielle Kräfte der Kirchengemeinden zwingen die Beteiligten, über eine neue Nutzung kirchlicher Immobilien nachzudenken – seien es Kirchen, Pfarrhäuser oder Gemeindezentren. Mit diesem Thema befasste sich kürzlich eine Tagung von Transara, der Forschungsgruppe Sakralraumtransformation.
Ziel des Projektes, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird, ist „die Formulierung einer interdisziplinären Kriteriologie für die Bewertung und Steuerung von Transformationsprozessen“. Das Problem überzähliger Im-mobilien kennen nicht nur katholische Gemeinden, weshalb neben dem Untersuchungsgebiet „Raum Aachen“ im Westen Deutschlands auch ein Blick nach Osten in den „Raum Leipzig“ geworfen wird.
Zahlreiche Kirchen im Bistum Aachen sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Ein Großteil der Kirchen lag nach Kriegsende in Schutt und Asche da, 160 Gotteshäuser waren vollständig zerstört. Wenig später lockten die Industriebetriebe im Rheinland mit Arbeitsplätzen, sodass rasch neue Ortsteile und Stadtviertel entstanden, die auch den Bau neuer Kirchen erforderlich machten. Ein wahrer Bauboom setzte ein; seinerzeit wurden kleinere Pfarreien favorisiert.
Allein im Bistum Aachen wurden von 1951 bis 1961 109 Kirchen wieder in Benutzung genommen oder neu gebaut (A. Brecher: Neubeginn auf Trümmern). Ein zusätzliches Charakteristikum ist hier der Braunkohle-tagebau, dem in weiteren Jahrzehnten zahlreiche Kirchen und Kapellen weichen mussten. Sie wurden dann in den umgesiedelten Orten neu aufgebaut.
In der oben genannten, hochkarätig besetzten Tagung diskutierten Liturgiewissenschaftler, Theologen, Architekten, Kunsthistoriker, Kirchenrechtler, Denkmalpfleger, Frauen und Männer, evangelische und katholische Christen. Auch ein Finanz- und Immobilienwirt war mit von der Partie. Während der Gespräche wurde deutlich gemacht, dass auffällig viele Kirchen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts abgerissen werden. Was Anlass zu der Überlegung gab, wie man ein besseres „Marketing“ für diese Kirchen erreichen könne, damit sie nicht vorschnell nicht nur vom Erdboden, sondern auch aus der Ortsgeschichte verschwinden.
Ein grobes Muster für einen Kriterienkatalog in Sachen Immobilienaufgabe bot der Vergleich mit gängigen Fußballweisheiten. Nr. 1: Der Gefoulte sollte nie selbst zum Elfmeter antreten. – Einer Gemeinde in ihrer Trauer um den Verlust der Kirche oder des Gemeindezentrums fehlt vielleicht der nötige Abstand, um eine tragfähige Entscheidung zu treffen. Nr. 2: Am Ende zählt nur das Ergebnis. – Es muss Bestand haben vor den Augen der folgenden Generationen. Nr. 3: Der Trainer wird als erster gefeuert. – Wie und durch wen wird der Prozess choreografiert und koordiniert?
Am Beispiel der Kirche St. Clemens und St. Pankratius Inden/Altdorf zeigte Pfarrer Hans-Otto von Danwitz aus Düren die Folgen eines nicht gut abgestimmten Umwandlungsprozesses auf. Die Gemeinden St. Clemens Inden und St. Pankratius Altdorf versuchten beide, so viel wie möglich von ihren abgebaggerten Kirchen in das neue gemeinsame Gotteshaus hinüberzuretten. Mit dem Ergebnis fühlt sich niemand so richtig wohl. Das zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig alle Diskussionsstränge zusammenzubinden – Denkmalamt, kirchliche Behörde, Architektur und Kirchenrecht. Ein breiter Diskurs ist vonnöten. Die Entscheidung, was mit einer kirchlichen Immobilie geschehen soll, darf nicht unter Stress fallen. Um beim Fußball zu bleiben: nicht erst, wenn der Ball bereits auf dem Elfmeterpunkt liegt. Erinnert wurde in diesem Zusammenhang auch an die 70er Jahre, als „alles, was alt war, abgerissen wurde“ – worüber die Nachwelt heute noch den Kopf schüttelt.
Aktuell ist die Situation so, dass Pfarreien größer und die Zahl bekennender Christen kleiner wird. Das muss bei Entscheidungen zur Umwandlung von Gebäuden berücksichtigt werden. Und, wie Pfarrer von Danwitz betonte, das Ergebnis muss möglichst vielen Menschen eine neue Heimat geben. Manche Lösungen, zum Beispiel die Umwandlung einer Kirche in ein Kolumbarium, sind für Stadtgemeinden, aber nicht für kleinere Ortschaften denkbar. Zu bedenken ist daneben, dass die Entwidmung von Kirchen den Wegfall von Angeboten und damit auch soziale Veränderungsprozesse nach sich zieht. Oft verwendet wurde während der Tagung der Begriff „hybride Nutzung“, wogegen aus kirchenrechtlicher Sicht nichts einzuwenden ist. In der „Konstitution über die heilige Liturgie“ vom 4. Dezember 1963 heißt es schlicht: „Beim Bau von Kirchen ist sorgfältig darauf zu achten, dass sie für die liturgischen Feiern und für die tätige Teilnahme der Gläubigen geeignet sind.“
Als positives Beispiel für eine hybride Nutzung wurde St.Mariä Empfängnis Neersen genannt. Hier sind jetzt Sakral- und Veranstaltungsraum, Caritas-Station, Bücherei und Kleiderkammer „unter einem Dach“. Wie hieß es noch gleich während der Tagung? – Auch die Kirche als Institution muss sich ändern.
Mehr Informationen unter www.transara.de