Wenn wir von oder mit Gott sprechen, geschieht dies meist in männlicher Form. Eine sehr enge Gottesvorstellung. Mit dem Projekt „Gotteswort, weiblich“ will Annette Jantzen, Pastoralreferentin und Frauenseelsorgerin in Aachen-Stadt und Aachen-Land, Anregung geben, den Blick zu weiten und zu einer Gebetssprache zu finden, die diese patriarchalische Engführung sowie überkommene Bilder überwindet.
Gestartet ist sie mit „Gotteswort, weiblich“ 2019 mit dem Beginn des Lesejahres A. Die Idee ist, der Leseordnung folgend, für jeden Sonntag einen Text in einer nicht-patriarchalischen Sprache zu formulieren: ein Eingangsgebet, eine Auslegung, Fürbitten, einen Psalm oder einen Segen.
Die Texte, die sie unter anderem auf der Internetseite der regionalen Frauenseelsorge veröffentlicht, sollen Wortgottesfeier-Leitenden in den Gemeinden in ihren Regionen als Anregung dienen. „Wenn alle Gottesanreden männlich sind, macht das etwas mit der Gemeinde. Eine männliche Anrede ist richtig, aber sie ist nicht richtiger als eine weibliche. Gott hat ja kein Geschlecht“, erklärt sie. Es sei sehr mühsam, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, solange die Art, wie wir über und mit Gott sprechen, dem nicht auch Rechnung trägt. „Solange wir das Gefühl haben, dass Gott weiblich anzureden ein Übertritt ist, dass Männer Gott etwas näher sind, männliche Sprache Göttliches besser zu transportieren scheint, haben wir noch keine Gleichberechtigung.“
Sie will mit „Gotteswort, weiblich“ niemandem etwas aufdrängen, wie sie betont, sondern denen ein Angebot machen, die sich in der traditionellen Liturgiesprache nicht wiederfinden und nach einer neuen, heutigen Sprache suchen. Die
Reaktionen nach gut zwei Jahren seien überwiegend positiv, berichtet Annette Jantzen. Natürlich gebe es auch Debatten und kritische Stimmen. Was sie gut findet (solange die Diskussionen konstruktiv und an der Sache orientiert sind), denn das sei ja noch „nicht der Weisheit letzter Schluss“, sondern etwas, das sich entwickeln, das wachsen muss. „Am schönsten ist, wenn eine tragende Liturgiesprache sich im gemeinsamen Suchen entwickelt.“
Es geht ihr um eine neue Sicht, nicht darum, rein aus Prinzip zu gendern. Und das finde Zuspruch, wie die Rückmeldungen bewiesen. Die kämen von jungen wie von älteren, mehr von Kolleginnen, aber auch von Kollegen, aus dem Bistum Aachen und darüber hinaus. Auch von Priestern habe sie positive Reaktionen erhalten. Wie oft und von wem die Texte genutzt werden, könne sie natürlich nicht messen, erklärt Annette Jantzen. Aber sie bekomme über verschiedene Quellen mit, dass das Angebot von Frauen, die in ihren Gemeinden Wortgottesfeiern verantworten, oder zum Beispiel auch in Ordensgemeinschaften angenommen wird.
Gerade für Ehrenamtliche, die meist keine theologische Ausbildung hätten, sei es wertvoll, gute Impulse an die Hand zu bekommen. „In den beiden Aachener Regionen gibt es eine gute Ausbildung zur Leitung von Wortgottesfeiern. Mein Angebot baut darauf auf.“ Von „Gotteswort, weiblich“ gibt es eigene Postkarten mit mehreren Motiven, auf denen sie ihr Angebot kurz vorstellt, wo ihre Texte nachzulesen sind und wie sie zu erreichen ist, die unter anderem auch in den Liturgiekursen des Büros der Regionen verteilt werden. Inzwischen weisen auch viele Pfarrbriefe und Internetseiten der GdG und Pfarreien auf das Angebot hin. Auch das ist mehr als nur eine Serviceleistung, sondern als eine Form von Anerkennung zu verstehen. Seit diesem Jahr bietet sie darüber hinaus Einkehrtage im Gastkloster Serafine in Würselen an: „So wird aus dem ursprünglichen Internet-Angebot ein sehr praktisch-spirituelles Angebot.“
Damit die Texte für „Gotteswort, weiblich“ das leisten können, was sie sich davon erhofft, nimmt sich die promovierte Theologin Zeit. „In der Regel brauche ich mindestens einen halben Tag für den jeweiligen Text, weil ich oft noch einmal in die theologische Literatur schaue, in den Urtext, Kommentare, Auslegungen und ähnliches.“ Manche Texte (und wie sie sich heute lesen lassen) seien ohne eine Einordnung schwer zu verstehen. Offizielle liturgische Texte hingegen bringen das Problem mit sich, dass sie nicht offenlegen, wer dahinter steht und was sein oder ihr Standort ist. „Oft sind Texte nur vermeintlich neutral“, erläutert sie.
Beim Entwickeln einer Gebetssprache, die männliche Engführungen überwindet, reiche es nicht, Gott einfach eine „weibliche, weiche“ Seite hinzuzufügen. Das zementiere im Gegenteil sogar einengende Rollenbilder. Auch weibliche Bilder könnten sehr machtvoll, auch männliche sehr zärtlich sein. „Es geht darum, weibliche Gebetssprache nicht nur als Ergänzung zu nehmen, sondern eine Perspektive zu öffnen auf das Gottesgeheimnis, das sich menschlichen Definitionen entzieht.“ Dafür könne Irritation durchaus manchmal hilfreich sein.
Über die praktische Seite hinaus gehe es ihr als Theologin auch darum, das Thema in einen kirchlich-theologischen Diskurs einzubringen. „Gotteswort, weiblich“ stehe im Kontext der
aktuellen innerkirchlichen Debatten, wo gerade viel in Bewegung gerate und sich verstärke. „Ich bin gespannt, wo wir stehen, wenn die Leseordnung einmal durch ist. Was dann aktuell ist, wie Dinge sich verändert haben, in welchem Resonanzraum das Projekt dann steht.“ Es sei eine spannende Zeit und eine gute für „Gotteswort“.