Wenn Blacky Frauchen ins Gesicht schaut, weiß er genau, wie es ihr geht. Ist sie nervös, extrem gestresst? Seinem aufmerksamen Blick entgeht nichts. Droht eine Depression? Seine gute Hundenase sagt ihm jederzeit, ob sich ein Migräneanfall ankündigt, denn das kann er wittern.
Der zweijährige Königspudel-Rüde ist ein medizinischer Assistenzhund mit offiziellem Ausweis, einer „Marke“ am Geschirr – und an der Seite von Nicole Weiden-Luffy ein unverzichtbarer Begleiter, der sie sicher durch ein von chronischen Erkrankungen und Attacken geprägtes Leben führt. Der Hund arbeitet selbstständig – immer. Orientiert sich aber auch an den leisen Kommandos der Halterin, die im Alltag ab und zu nötig sind, wenn andere Hunde im Blickfeld auftauchen oder die Gemeindereferentin im Pastoralteam der Pfarrei St. Katharina Aachen-Forst in einer Schule oder in den vier Kirchen der Pfarrei unterwegs ist. Vom Büro an der Forster Linde aus schaut sie auf St. Katharina. Püppchen, Tiere und bunte Objekte füllen Regale und die Fensterbank rund um ihren Schreibtisch – gebastelt von Kindern, die Nicole Weiden-Luffy im Unterricht zu Themen wie „Tod und Sterben“ bei regelmäßigen Schulgottesdiensten und in Kindergärten begegnen.
Sie lieben den Vierbeiner an der Seite der 54-Jährigen, sie alle wissen und respektieren gleichfalls das Gebot: „Bitte nicht anfassen oder locken!“ Das hat Gründe, denn die feinen Sinne des Hundes sollen nicht überlagert werden. Seine Aufgabe ist lebenswichtig. Was nicht heißt, dass der Menschen zugewandte Hund sich nicht hellwach für sein Umfeld interessiert und genau weiß, wo jemand mal ein Leckerchen in der Tasche oder Kontakt zu einem Artgenossen hatte. Ein leises und konsequentes „Nein“, und Blacky zieht sich auf seine Decke zurück, die Nicole Weiden-Luffy stets im Gepäck hat.
Zu Hause in Stolberg wird er später Familienhund Fluffy, einen Maltesermischling, treffen. Häufiger Besuch aus Alsdorf: Bolek, gleichfalls ein Königspudel, der als medizinischer Assistenzhund eine erwachsene sehbehinderte Tochter der Familie begleitet. Durch ihn entwickelt sich die Idee zur „tierischen“ Hilfe auch für die leidende Nicole Weiden-Luffy. Daheim – das bedeutet oft Spiel und Entspannung für Blacky, Privatleben für Frauchen, Mutter von fünf Kindern, und Ehemann Norbert.
Mit Blacky beginnt vor zwei Jahren ein entscheidender Weg, der die Gemeindereferentin aus schmerzlichen Krisen und dunklen Tiefen herausführt. „Ich habe vor meinem heutigen Beruf ein Medizinstudium absolviert“, erzählt sie. Doch ihre Gesundheit ist zerbrechlich. Sie erkrankt mehrfach an schweren Depressionen, denen wochenlange Klinikaufenthalte und der Einsatz von Medikamenten mit erheblichen Begleiterscheinungen folgen. Gleichzeitig wird eine Migräne-Art diagnostiziert, die besonders heftig ist – und tückisch.
„Die Anzeichen habe ich häufig nicht gespürt, das Erbrechen stellt sich schlagartig ein, das ist für mich und andere sehr schlimm“, erinnert sie sich. „Man muss sich das vorstellen: am Grab etwa oder in der Kirche.“ Heute ist Blacky da. Droht eine Migräne, legt der große Hund mit dem wollig schwarzen Fell die Vorderpfoten auf ihren Brustkorb – höchste Alarmstufe, danach richtet sie sich und kann noch handeln. Der Assistenzhund wittert das drohende Unheil, denn es verändert sich etwas in der Körperchemie der Betroffenen.
Und die Depression? Droht Stress, der den Anfall auslösen kann, lehnt sich der Pudel mit seinem ganzen Gewicht gegen sie. Verlässt die Betroffene dennoch nicht die angespannte Situation? Dann wird Blacky richtig lästig. „Er packt einen Ärmel oder etwas von meiner Kleidung und zieht mich weg.“ Täglich erkennt sie neue Stärken: Etwa im Schulunterricht, wo er sich manchmal genau dort still hinlegt, wo ein Kind bekümmert ist.
In Stolberg bei Tiertrainer Michael Wipping durchläuft Blacky seine Ausbildung in enger Verbindung zu Nicole Weiden-Luffy, die ausführt, was der Fachmann sagt. Stets nah am Hund, die Beziehung ist eng. Gemeinsam schaffen Hund und Besitzerin die zweieinhalbstündige Prüfung, die das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW vorsieht und bei der man dem Hund (mindestens) fünf Assistenzleistungen bescheinigt. Mit Beginn des Trainings und nach der Prüfung gibt es für Blacky alle drei Monate einen Gesundheitscheck.
Nicole Weiden-Luffy, die sich selbst in den schwersten Situationen in ihrem Glauben geborgen fühlt und quälende Phasen so mit Hoffnung durchsteht, denkt noch gern an die Zeit, als sie und ihr Mann Blacky entdeckt haben. „Im Internet“, gesteht sie. „Das soll man ja nicht tun, ich habe trotzdem mal geschaut.“ Und da ist es – das Angebot einer Züchterfamilie in Erftstadt, die Schweres erlebt hat. Bei einem Autounfall stirbt die Tochter, dann kommt der Angriff Russlands auf die Ukraine.
„Sie haben dort Verwandte und wollen ihre Nichte schnell nach Deutschland holen“, erinnert sich Nicole Weiden-Luffy. Was also tun mit den Welpen, die inzwischen zwölf Wochen alt sind? „Der Preis war deshalb günstig. Der Hund kam sofort auf uns zu“, erzählt Nicole Weiden-Luffy. „Und mit der Familie in Erftstadt habe ich beim Abholen von Blacky dann sogar spontan ein Trauergespräch geführt.“
Längst ist der Pudel überall dabei und unverzichtbar: Im Supermarkt hält er in der Kassenschlange zu dicht „auflaufende“ Kunden von Nicole Weiden-Luffy fern, indem er sich zwischen sie und die Folgenden legt, bei der Flugreise nach Mallorca erhält er einen eigenen Sitz, kostenfrei. Zehn Dienstjahre hat ein Assistenzhund, dessen Ausbildung bis zu 26 000 Euro kosten kann und nicht von den Krankenkassen getragen wird. Danach kann man noch zwei Mal ein Jahr verlängern, danach wird Blacky ein Rentner, der zuvor gewiss seinem „Dienst-Nachfolger“ ein guter Lehrer ist. „Manchmal fragen mich Leute, ob der Hund denn irgendwann nicht mehr an meiner Seite sein muss, weil es mir besser geht“, sagt die Gemeindereferentin. „Doch Blacky als medizinisches Hilfsmittel sorgt ja erst dafür, dass ich arbeitsfähig bin und es mir heute gut geht. Daher ist und bleibt er unverzichtbar.“