Carsten Gier verantwortet im Generalvikariat des Bistums die Abteilung Erziehung und Schule. Im Interview erklärte er, warum das Bistum Aachen jährlich mindestens 30 Millionen Euro in seine zwölf Bischöflichen Schulen investiert.
Das Bistum Aachen ist Schulträger für zwölf Bischöfliche Schulen und begleitet weitere 14 katholische Schulen in freier Trägerschaft über die Schulaufsicht. Gibt es im Schulalltag einen Unterschied zu kommunalen Schulen?
Ja, deutlich. Bei den staatlichen Schulen ist das Land für die Einstellung von Lehrpersonal zuständig und in allen Fragen vorgesetzt. Bei den Bischöflichen Schulen stellen wir das Personal ein, kümmern uns um das Gebäude und die Ausstattung und unterstützen vor allem bei der Schulentwicklung und beim Erarbeiten des Schulprofils. Wir stehen also inhaltlich stark in der Verantwortung.
Nehmen Sie dann auch Einfluss auf den Lehrplan?
Jeder Schüler kann an unseren Schulen jeden anerkannten Schulabschluss erreichen. Deshalb müssen unsere Lehrpläne und Prüfungsanforderungen vergleichbar sein mit denen an staatlichen Schulen. Aber wie ich Lehrpläne inhaltlich akzentuiere, wie ich Schulleben gestalte, das obliegt jeder Schule im Rahmen ihres Profils. Und das ist an unseren Schulen katholisch-christlich. Ich als Physiklehrer kann aufgrund des christlichen Bekenntnisses an einer Schule anders über die Frage, wie Urknalltheorie und Schöpfungsgeschichte zusammengehen, diskutieren als an einer staatlichen Schule. Mein eigener Glaubenshintergrund kann eine größere Rolle spielen. Nicht besser, aber anders sind wir auch bei der Frage, wie wir Gemeinschaftsleben christlich akzentuiert gestalten, unterwegs.
Kritiker sagen: Gemessen am eigenen finanziellen Aufwand übt Kirche über ihre Schulen enormen Einfluss aus. Warum brauchen wir kirchliche Schulen?
Ein Teil unserer Bildungsarbeit ist die Werteerziehung: Verantwortung für sich selbst, den Mitmenschen, für die Schöpfung übernehmen. Katholische Schulen bieten starke Räume, zum Beispiel durch einen eigenen Eine-Welt-Laden, Sozialprojekte, um Mitmenschlichkeit und humanistische Werte kennenzulernen. Gleichzeitig bieten wir durch gemeinsame Gebete oder den Besuch vom Schulgottesdienst die Möglichkeit, Glauben und Religion zu erleben und sich damit auseinanderzusetzen. Wir wollen in diesem Sinne handlungsfähige, reflektierte und verantwortliche junge Leute in die Welt entlassen.
Warum gehört Religionsunterricht in die Schule?
Neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Religionen bietet er den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich ohne Leistungsbewertung mit ihrer Religiosität, mit ihrem Sein, ihrem Wesen auseinanderzusetzen, zu diskutieren und Orientierung für ihr eigenes Leben zu finden. Ethik-Unterricht ist eine Alternative, aber die Erfahrung von Glauben im Religionsunterricht macht eine weitere Dimension auf. Es entstehen andere Antworten, wenn sie darüber mit den Religionslehrkräften in den Diskurs gehen und sich auch reiben.
Bedeutet katholische Schule, dass alle katholisch sind?
Nein! Auch unsere Schulen sind ins gesellschaftliche Umfeld eingebunden, in dem die Zahlen der Taufen zurückgehen und christlich getauft noch lange nicht christlich sozialisiert heißt. Das ist eine Aufgabe für die nächsten Jahre: Welche Angebote können wir kirchenferneren Schülerinnen und Schülern machen? Wie integrieren wir sie ins Schulleben und bleiben nach außen wahrnehmbar katholische Schule? Gleiches gilt für das Personal.
Haben Sie schon eine Antwort?
Ja. Vor einigen Jahren wurde das Leitbild der Bischöflichen Schulen verfasst und durch den Bischof in Kraft gesetzt. Es öffnet diesen Blick sehr zeitgemäß. Jetzt müssen wir dieses in den Schulprogrammen und -profilen konkret umsetzen. Hierbei kann auch die Schulpastoral wesentlich unterstützen. Wir brauchen einen bunten Strauß an Angeboten von niederschwellig bis theologisch anspruchsvoll, der über den wöchentlichen Schulgottesdienst weit hinausgeht. Und er muss auch neue Kolleginnen und Kollegen an Bord bringen.
Das alles geht nicht ohne Geld. Wie viel investiert das Bistum in seine Schulen?
94 Prozent der Personalkosten und ein Teil der Sachkosten werden vom Land refinanziert, sechs Prozent liegen also bei uns, und vor allem sind wir als Träger zu 100 Prozent für die Investitionen in Gebäude und Ausstattung verantwortlich. Insgesamt investiert das Bistum jedes Jahr 30 Millionen Euro in seine Schulen. Und da sind Extra-Ausgaben wie für die Rückkehr zu G9 oder den gesetzlichen Anspruch auf einen OGS-Platz nicht eingerechnet.
Warum ist Schule dem Bistum so viel wert?
Unsere Schulen sind die Orte, an denen wir als Kirche noch mit jungen Menschen – wir beschulen über 8500 Kinder und Jugendliche – in Kontakt, in Diskussion, in Auseinandersetzung kommen. An anderer Stelle – siehe Sonntagsgottesdienst – haben wir sie oft verloren. In unseren Schulen können wir ihnen Räume bieten, in denen sie Glauben erleben und leben und dann für ihr Leben fundierte Entscheidungen treffen können. Dieser Zugang zu jungen Menschen ist ein großes Pfund.
Mono-Edukation: Schulbetrieb in eigenen Mädchen- oder Jungenschulen. Ab dem 18. Jahrhundert ermöglichte sie höhere Schulabschlüsse auch für Mädchen. Die letzte Schule in Mono-Edukation des Bistums ist die Bischöfliche Mädchenrealschule in Monschau.
Bi-Edukation oder parallele Mono-Edukation: Jungen und Mädchen gehen auf dieselbe Schule, sind aber klassenweise getrennt. Diese Form der Beschulung wird im Gymnasial- und Realschulzweig der Bischöflichen St. Angela-Schule in Düren geboten.
Ko-Edukation: Jungen und Mädchen gehen in gemischtgeschlechtliche Klassen. Erste Entwicklungen dahin begannen in der Weimarer Republik. Es ist mittlerweile das weitverbreitetste Schulmodell auch in katholischen Schulen.