Der Höhepunkt ist überschritten, und schon ist wieder Selbstdisziplin gefragt: Auf vier Tage – covidbedingt gebremster – Karnevalsfreude folgen 40 Tage Fastenzeit. Dafür bietet sich eine Vielzahl an Angeboten.
Ganz, ganz früher ging es vor allem um den Verzicht von Nahrung überhaupt. Kein Wunder, war sie doch anders als heute kein alltäglich im Supermarkt verfügbares Gut. Vielmehr waren die Menschen abhängig vom Wetter, das die Ernte begünstigte oder verdarb, und damit der Gnade des Herrn empfohlen.
Keine 40 Jahre ist es her, da war Fastenzeit gleichbedeutend mit Verzicht auf Luxusgüter. Kinder wurden angehalten, keine Süßigkeiten und Nachspeisen zu essen, Erwachsene ließen Alkohol und Zigaretten weg. Außerdem fütterten die Familien stetig kleineres und größeres Geld ins Opferkästchen von Misereor, das zu Beginn der Fastenzeit ausgegeben und Ostern dem guten Zweck zugeführt wurde. Das gibt es auch heute noch, aber in durchaus professionalisierter Weise. Inzwischen gibt es eine eigene Internetseite, die Kinder zum Fasten anhält und gemeinsam mit einem unterhaltsamen Video das Basteln des Opferkästchens vermittelt.
Fasten ist bei genauem Hingucken in der Tat wie Kleidung und Traditionen den gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen. In einer Zeit, in der Verpflichtung als etwas Negatives verstanden wird, wird auch das Fasten zu etwas, das vielfältig auf das Individuum zugeschnitten ist: Man besinnt sich „auf sich selbst“. Der Verzicht auf bestimmte Genussmittel ist auch heute noch üblich. Er ist aber in vielen Fällen weniger durch den Glauben motiviert, sondern soll der „Reinigung des Körpers“ dienen. Vor einigen Jahren war Heilfasten sehr „in Mode“. Inzwischen gibt es viele Menschen, die bewusst auf den Konsum von Medien verzichten, vor allem elektronischen. Was empfunden wird, ist ein Gewinn an Lebensqualität.
Ein Blick in die „Angebote“ rund um die Fastenzeit in einzelnen Gemeinden, im Exerzitienkalender des Bistums Aachen oder auch im Internet zeigt die Veränderungen. Ein wichtiger Aspekt, der hinzugekommen ist, ist, dass „die Welt“ in unserer globalisierten Zeit einen großen Stellenwert einnimmt. Das gilt für die Bewahrung der Schöpfung ebenso wie das Empfinden von Solidarität mit Menschen im sogenannten „globalen Süden“ oder der Einen Welt.
So ruft Misereor gemeinsam mit Brot für die Welt und vielen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern dazu auf, sich in der Fastenzeit an der Aktion Klimafasten zu beteiligen. In diesem Jahr steht die Aktion unter dem Leitwort „So viel du brauchst“.
Und wieder geht es um Nahrung – aber weniger um Verzicht als um Bewusstsein: Das Klimafasten möchte Menschen gewinnen, schon beim Einkauf und der Zubereitung des Essens darauf zu achten, weniger Energie zu verbrauchen und den Alltag, die eigenen Gewohnheiten, so zu verändern, dass sie sich klimafreundlicher ernähren und leben. Für Misereor ist das Klimafasten eine von vielen konkreten Aktivitäten im Rahmen seiner Fastenaktion. „Klimagerechtigkeit beginnt bei uns zu Hause. Dafür ist es wichtig, dass wir uns bewusster ernähren und weniger Lebensmittel wegwerfen. Wenn wir öfter regional und saisonal einkaufen, tragen wir dazu bei, dass für die Erzeugung und den Transport unserer Lebensmittel weniger CO2 erzeugt wird“, sagt Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und Schirmherrin der Aktion Klimafasten.
Der hohe Bedarf an Ressourcen in der konventionellen Landwirtschaft, etwa für Kunstdünger oder Pestizide, aber auch im Lebensmittelhandel beispielsweise für energieintensive Kühlung und den Transport von Waren über weite Strecken beschleunigt den Klimawandel. Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor und ebenfalls Schirmherr, ergänzt: „Unsere Partner auf den Philippinen und in Bangladesch treffen Stürme, Überschwemmungen, Dürren und das Versalzen von Böden durch den Meeresspiegelanstieg hart. Ernten werden zerstört, Lebensmittel unerschwinglich. Anders leben und wirtschaften ist notwendig, um den Klimawandel einzudämmen. Dazu gehört es etwa auch, regionale und ökologische Produkte einzukaufen, unnötige Verpackungen zu vermeiden. Dabei können wir von unseren Partnerorganisationen im globalen Süden lernen, die uns zeigen, dass eine andere Form der Landwirtschaft und Ernährung möglich ist.“
Im Bistum Aachen bereits fest verankert ist seit vielen Jahren das „Auto-
fasten“. Auch im Jahr 2022 ruft der Diözesanrat pandemiegerecht ohne Begleitveranstaltungen gleichwohl dazu auf, bewusst Kilometer im persönlichen Mobilitätsverhalten einzusparen. „Wer sich anmeldet, setzt zum einen das Zeichen, dass Klimaschutz und Verkehrswende nicht nur eine Sache der Politik sind, sondern eine persönliche Aufgabe“, heißt es auf der Internetseite. Auf diese Weise gelang es nach Aussage der Veranstalter, im vergangenen Jahr knapp 15000 und im Vorjahr ganze 28000 Autokilometer auf dem Gebiet des Bistums Aachen einzusparen. Das gelingt durch die Entscheidung, Wege per Pedes oder per Pedalos zurückzulegen.
Damit die eingesparten PS-Kilometer gezählt werden können, müssen sich Unterstützer über die Internetseite anmelden. Geworben wird übrigens auch hier weniger mit Seelenheil und Vorbereitung auf Ostern denn mit der Stärkung von Gesundheit und Wohlbefinden.
Wer weniger aus sicher heraus als in sich gehen möchte, der findet Fastenbegleitungen im Veranstaltungskalender der Exerzitienarbeit im Bistum Aachen. Von Oasentagen bis persönlicher Möglichkeit für Besinnungstage können individuell gewählt werden.
„Verzicht“ und Fasten mit Freude zu kombinieren, ist ebenfalls „im Trend“: Auf einer eigenen Internetseite gibt es für Paare und Familien mit Grundschulkindern die Aktion „7 Wochen leichter“. Per Brief oder via Web ist eine Teilnahme möglich. Von Aschermittwoch bis Ostern gibt es kostenlos einmal pro Woche eine Karte mit Impulsen für Paare. Angekündigt sind leichtere Impulse: „es sich leicht(er) machen | viel-leicht | erleichtert sein | leicht-sinnlich“. Hinter der Aktion steht die „AKF – Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung e. V.“ in Bonn. In diesem Fall steht die Gemeinsamkeit im Vordergrund: Es sollen Anlässe für interessante Gespräche oder neue Impulse für die Partnerschaft ausgelotet werden, aber auch „genussvolle Momente der Nähe“ und „Ideen zum gemeinsamen Ausprobieren“. Geschmückt wird das Angebot mit Luftballons, die Lust auf die Fastenzeit machen.
Nähere Informationen zu Fastenangeboten auf den Internetseiten
https://exerzitienarbeit-bistum-aachen.de
https://autofasten-im-bistum-aachen.de
www.klimafasten.de
https://www.7wochenleichter.de