Mehr als 40 Jahre hat der Kölner Betriebswirt Werner Langfeldt im sozialkaritativen Bereich gearbeitet, 18 davon als Geschäftsführer der Bethanien Kinder- und Jugenddörfer in Deutschland mit den Standorten Schwalmtal, Bergisch Gladbach und Eltville. Nun ist er laut und liebevoll verabschiedet worden. „Das ist der Geist Bethaniens“, erklärt Werner Langfeldt. „Ein spirituelles Gefühl der Gemeinschaft, das sich schlecht fassen lässt. Das theologisch nicht abgehoben ist, sondern ganz nah am Menschen. Das wird mir fehlen.“
Als Werner Langfeldt nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann ein Betriebswirtschaftsstudium an der Hochschule Köln beginnt, ist er sich sicher, dass sein Weg in die Industrie führen wird. Der junge Mann aus Köln-Porz nimmt dafür sogar eine Diplomarbeit beim „Kostenrechnungs-Guru“ Professor Elmar Mayer in Kauf. Das Studium in der Tasche bewirbt er sich: Große Erdölchemie-Firmen stehen auf seiner Wunschliste, genauso wie erfolgreiche pharmazeutische Betriebe. „Und dann erzählte mir jemand von einer freien Stelle bei der Caritas“, erinnert er sich. „Das war Fügung.“ Der Betriebswirt beginnt bei der Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft in Köln als dritter Mitarbeiter, langsam arbeitet er sich zum Finanzchef hoch und steht mit am Kopf des wachsenden Unternehmens mit inzwischen 1600 Mitarbeitern. In den sozialkaritativen Strukturen fühlt er sich wohl: Aufgewachsen in einem katholischen Elternhaus, ist der Bezug zur Gemeinde schon immer da. Werte und Normen des christlichen Miteinanders findet er auch in der Arbeitswelt wieder.
Als er 2001 von den Dominikanerinnen von Bethanien eingestellt wird, um als Geschäftsführung der neu gegründeten gemeinnützigen GmbH den Kinderdörfern Struktur zu verleihen, erreicht die eigene spirituelle Wahrnehmung eine neue, stärkere Form. Auf wunderschönen Geländen mit Spielplätzen, mit Therapieangeboten wie Musikschulen, heilpädagogischen Reiterhöfen und Psychomotorikangeboten trifft Langfeldt auf Menschen, die ihr eigenes Leben zurückgestellt haben, um Kindern und Jugendlichen, die nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, in guten und in schlechten Zeiten ein Zuhause zu schenken. In eigenen Häusern auf dem Kinderdorfgelände mit gemütlichen Wohnzimmern und Küchen, die genug Platz zum gemeinsamen Leben und Zusammensein bieten, sowie mit einer hohen fachlichen Kompetenz, leben hier Kinderdorfmütter und Kinderdorfehepaare mit bis zu neun Kindern zusammen. Spielerisch fließen die Religion und der Glaube mit in den Alltag der Kinderdorffamilien und Gruppe ein, geben Kraft und Halt in einem Aufwachsen, das von Unsicherheit geprägt ist, und spenden wie selbstverständlich Trost, wenn das Erlebte sowohl Kinder und Jugendliche als auch Kinderdorfeltern einnimmt.
Beim Essen wird gebetet, die christlichen Feste werden gemeinsam vorbereitet und gefeiert, und jeden Sonntag gestalten die Kinder den Familiengottesdienst mit. Die Bindung zur Kirche wächst von klein auf mit. „Gott mag mich so, wie ich bin. Das ist in Bethanien spürbar“, beschreibt der 62-Jährige. „Und das hat auch mir selbst Motivation gegeben.“ Langfeldt baut die gGmbH auf, sorgt für eine einheitliche Außenwirkung, für verbesserte Kommunikationsformen der einzelnen Kinderdörfer, die in ganz Deutschland verstreut sind, und pflegt den Kontakt zu Fürsprechern wie Guido Cantz, seinem Freund aus dem Kölner Karneval, oder Heidi Klum. Auch hat er die Aufgabe, die Werte des zunehmend älter werdenden Ordens der Dominikanerinnen von Bethanien weiter in die Kinderdörfer zu tragen. Das sei eine der größten Herausforderungen gewesen, schildert er: „Die Dominikanerinnen haben das Kinderdorf gegründet, um Kindern zu helfen. Heute muss es aber auch wirtschaftlich Schritt halten können.“
Mehr als 400 Kinder und Jugendliche in den Kinderdörfern, zusätzlich vier Kindertagesstätten und rund 500 Mitarbeiter – das bedarf einer betriebswirtschaftlichen Hand. 18 Jahre lang hat Langfeldt die Kinderdörfer mit sicherer Hand geführt, nun gibt er die Zügel an Klaus Esser ab, der seit 26 Jahren im Kinderdorf Schwalmtal wirkt: Erst als pädagogische Leitung, seit 2001 als Kinderdorfleiter. Werner Langfeldt und Klaus Esser haben eine besondere Bindung: In seiner ersten Dienstwoche beförderte der Betriebswirt Esser zum Kinderdorfleiter. Schon immer arbeiten die Männer eng zusammen. Esser freut sich darauf, als Pädagoge die Leitung der zweitgrößten Kinderdörfer in Deutschland zu übernehmen. In der Jugendhilfe ist er schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr: Nicht nur durch das Herausbringen von Fachliteratur und zum Beispiel des Buches „Zwischen Albtraum und Dankbarkeit“, in dem er gemeinsam mit ehemaligen Heimkindern ihre Erlebnisse in der Erziehungshilfe zwischen 1945 und 2008 aufarbeitet, sondern auch als Vorsitzender des Bundesverbandes katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in Deutschland (BVkE), einem Fachverband, der fast 400 Einrichtungen in ganz Deutschland vertritt, hat er sich bundesweit einen Namen gemacht. Auch Esser vertraut darauf, dass Gott ihn an die richtige Stelle geführt hat. „Als Kind hat mich die Kirche verzaubert, als junger Mann hab ich dieses Gefühl aus den Augen verloren und hier in Bethanien wiedergefunden“, sagt der Heilpädagoge. „Die Kirche ist der Ort, an dem wir sprechen dürfen und an dem wir gefragt werden. Das ist Bethanien.“