Beherzt Zukunft gestalten

Wie geht es in meiner Gemeinde, Pfarrei, GdG weiter? Kirchliche Organisationsberater helfen zu antworten

Ein Bild aus vergangenen Tagen: Pfarrgemeinderäte diskutieren im Super C der RWTH Aachen, wie sie das kirchliche Leben vor Ort gestalten. Dabei hilft eine Menge Handwerkszeug für Zusammenarbeit. (c) Thomas Hohenschue
Ein Bild aus vergangenen Tagen: Pfarrgemeinderäte diskutieren im Super C der RWTH Aachen, wie sie das kirchliche Leben vor Ort gestalten. Dabei hilft eine Menge Handwerkszeug für Zusammenarbeit.
Datum:
17. März 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 11/2021 | Thomas Hohenschue

Ungewissheit, Unwägbarkeit, Unsicherheit prägen den Blick auf das kirchliche Leben. Corona setzt noch einen drauf auf das, was die Situation vielerorts belastet: Die klassische Volkskirche vergeht, ohne dass bereits deutlich ist, was an ihre Stelle tritt. Aber auf wen oder was soll man warten, um eine neue Idee dazu zu bekommen? Kirchliche Organisationsberater unterstützen dabei, das Schicksal der örtlichen Glaubensgemeinschaft in eigene Hände zu nehmen. 

Kirche geschieht vor Ort. Jenseits der großen Verwerfungen und Verständigungsprozesse liegt die Gestaltungshoheit bei den Christinnen und Christen in den Dörfern, Vierteln, Städten. Und dort insbesondere bei denen, die sich aktiv engagieren, die aus ihrem Glauben heraus örtliche Vollzüge der Verkündigung, Liturgie und Nächstenliebe prägen. 
Das noch einmal neu zu entdecken, die Chancen am Schopf zu packen, Zukunft zu gestalten, ist die Ermutigung, die in einem Interview mit der KiZ immer wieder ausgesprochen wird. Das Credo: Man brauche dafür nicht beim Bistum fragen, müsse auf keine Freigabe oder fertige Konzepte warten.

Im Gegenteil: „Was die Leute jetzt lernen und als wirksam erfahren, kann ihnen niemand mehr nehmen“, regt Simon Harrich an, die Initiative zu ergreifen und sich mit Hilfe einer kirchlichen Organisationsberatung auf den Weg zu machen. Gerade, weil heute eine Zeit der Verunsicherung ist, mache es Sinn, sich eigenverantwortet daraus zu befreien, resümiert der zuständige Referent aus dem Bischöflichen Generalvikariat. Und erntet Zustimmung in der Videokonferenz.

Zugeschaltet sind mit Jürgen Maubach, Christina Kortmann und Michael Kock gleich drei, die sich in der Begleitung von Pastoralteams, Gremien und Einrichtungsleitungen engagieren. Sie kennen eine Vielzahl von Situationen aus dem ganzen Bistum, unüberschaubar in der Vielfalt personeller und struktureller Konstellationen, mit verschiedensten Vorzeichen, mit Erfahrungen von Aufbruch und von Abbruch. Eines schicken sie ebenfalls vorweg: Bitte nicht erst kommen, wenn es nicht mehr weitergeht, wenn man zerstritten ist, ratlos, demotiviert. Sondern lieber früher als später. 


Der Blick von außen ist wertvoll

„Es tut den meisten ausgesprochen gut, nicht weiter nur im eigenen Saft zu schmoren“, fasst Michael Kock eine häufige Beobachtung zusammen. Das ist fast schon das Wichtigste, was die Beraterinnen und Berater einbringen, neben ihrer Methoden- und Moderationskompetenz, von der die Beratenen ebenfalls profitieren können: ihren Blick von außen, unvoreingenommen, sachlich, frei von persönlichen Verstrickungen und Verzerrungen.

Ihre Aufgabe ist es nicht, den Mitgliedern von Pastoralteams, Gremien und Führungskräften etwas vorzudenken oder mundgerecht vorzulegen. Vielmehr besteht ihre vornehmste Rolle darin, im richtigen Moment die richtigen Fragen zu stellen und bei Bedarf den Spiegel hochzuhalten, in dem sich die Beteiligten in ihrer Situation ungeschminkt wahrnehmen können – wenn sie denn wollen.

Das ist häufig einfacher gesagt als getan, hat die Runde beobachtet. Das hängt unter anderem damit zusammen, ob man akzeptiert, was man wahrnimmt, schlussfolgert und fühlt, oder halt nicht. Wenn es um die Zukunft geht, geht es ans Eingemachte. Wer ehrlich ist, wisse, dass das kirchliche Leben schon heute nicht mehr von der Berufsgruppe der Priester allein geprägt werden kann, aber erst recht nicht mehr morgen, nennt Christina Kortmann ein Beispiel. Das anzuerkennen und diese Erwartung in das eigene Bild des Glaubenslebens in Gemeinschaft einzupassen, bedeutet für so manchen eine Zumutung, für die er Zeit braucht.


Ungeahnte Schätze entdecken

Corona legt gerade wie unter einem Brennglas schonungslos offen, wo es gut läuft und wo nicht im Bistum Aachen. Es gibt kreative Kerne, um die sich neue Angebote auch unter den Bedingungen des Infektionsschutzes entwickeln. Und es gibt GdG und Pfarreien, die pastoral veröden, in denen der Elan spätestens jetzt erloschen ist. Daraus lässt sich lernen, hier wie dort. Es braucht einen neuen Mut und einen neuen Schwung, mit schwierigen Rahmenbedingungen umzugehen und sich auf die Stärken und Chancen zu konzentrieren, die es vor Ort gibt. Welche das sind? Die kirchliche Organisationsberatung hilft, sie zu entdecken, als vielleicht ungeahnte Schätze, und daraus neue Kräfte zu entwickeln.

Dieser Weg ist die richtige Alternative dazu, nichts zu tun und die Verantwortung vermeintlich an andere zu delegieren. Letzteres ist nach Einschätzung der Runde ohnehin ein Trugschluss, denn die Veränderungen laufen, ob mit dem Dazutun von Verantwortlichen, Teams und Gremien oder ohne. Nichts tun bewirkt auch etwas, schreibt Entwicklungen fort.

Jürgen Maubach ermutigt stattdessen dazu, dem Geschehen realistisch ins Auge zu sehen und den Blick in die Zukunft zu werfen: Wie wird die Kirche in zehn, zwanzig Jahren aussehen? Wie soll sie aussehen? Sicherlich setzen die Personal- und Finanzplanungen des Bistums einen Rahmen. Aber im Wesentlichen kommt es auf gelebtes Christentum an, das nicht von Hauptberuflichen und Geld abhängig ist. Es brauche daher schon heute vor Ort einen Geist der Erneuerung, den Mut, Dinge auszuprobieren, die Kultur, Fehler zuzulassen bei der Suche nach den Formen von Kirchesein der Zukunft.

Simon Harrich ergänzt einen Aspekt, der vielerorts die pastorale Situation prägt: Die Volkskirche wandelt sich, aber das Pastoralteam sieht sich in der Pflicht, traditionelle Formen zu erhalten. Die Folge: Es zerreibt sich zwischen den Erwartungen von Teilen der Gemeinden und ihren eigenen, hohen Ansprüchen. Sich daraus aus eigenen Kräften zu befreien, ist schwer. Auch hier kann eine kirchliche Organisationsberatung einen wertvollen Beitrag leisten. Sie ist die neutrale Instanz, die hilft, einen klaren Blick zu gewinnen.