Was war das für ein Leben? Architekt, Archäologe, Stadtkonservator, Dombaumeister – am 3. Januar wäre Leo Hugot 100 Jahre alt geworden. Mit lesbarem Stolz und gelebter Verbundenheit zu seiner Heimatstadt nannte er sich „Öcher“. Und es war sein Aachen, das er nachhaltig prägen durfte.
Aufgewachsen in Burtscheid, trat er mit 10 Jahren in den Domchor ein. Die Chormusik war seine Leidenschaft, die er bis zu seinem frühen Tod im August 1982 mit genau so viel Energie verfolgte, wie seine Interessen in Architektur und Geschichte. Da er sein Abitur am Kaiser-Karls-Gymnasium erst nach dem Kriegsdienst und französischer Gefangenschaft ablegen konnte, war er schon 24, als er das Architekturstudium an der RWTH aufnahm. Was folgte, war eine nahezu rastlose Tätigkeit im Herzen der Stadt.
Wenn man sich heute durch die Innenstadt bewegt, ist auf nur wenigen Metern Hugots Wirken spürbar. Mit seinen ersten architektonischen Werken am Klosterplatz 1 und dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Kirche St. Foillan sind ihm eindrucksvolle Zeitzeugen des Wiederaufbaus gelungen. Ob die versetzten Fassaden in der Jakobstraße oder der Kockerellstraße, die altehrwürdigen Zeugen der Stadtgeschichte am Markt mit Haus Löwenstein und den Rathaustürmen, am Dom mit seiner Schatzkammer oder den Häusern an Fischmarkt, Schmiedstraße und Münsterplatz – überall begegnet man seinem Schaffen.
Als Stadtkonservator Aachens war er während der großen städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen in der Nachfolge Hans Königs ab 1969 federführend damit befasst, den gesammelten Fassaden abgebrochener alter Aachener Gebäude wieder neue Orte zu geben und damit den Aachenern ein Stück Stadtbild zu erhalten, nachdem das Schreckgespenst der autogerechten Stadt die Gesellschaft wachgerüttelt hatte. Natürlich hatte er auch all die anderen Denkmäler im Blick – und doch, heute würde man ihn eher als schöpferischen Denkmalpfleger sehen, nicht nur als Bewahrer des bereits Gebauten. Doch am besten fragt man ihn selbst, was es mit der Denkmalpflege auf sich hat: „Denkmalpflege ist die Aufgabe aller, die unserer Vergangenheit eine Zukunft wünschen und unseren Nachkommen eine Umwelt hinterlassen wollen, in der der Mensch das Maß aller Dinge ist und bleibt.“ (Sanierung im Schatten des Rathauses, S.41)
Leo Hugot war aber nicht nur Architekt und Planer, er war auch Wissenschaftler. Mit seiner Doktorarbeit über die Abteikirche in Kornelimünster hat er sich als Bauforscher gezeigt. In seiner Eigenschaft als archäologischer Berichterstatter für das Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland hat er umfangreiche Grabungen und Notdokumentationen zu einer Zeit durchgeführt, als es noch kein Denkmalschutzgesetz gab. Die von ihm gefertigten Berichte und die Funde sind ein wichtiger Lückenschluss in vielen Fragestellungen zur Vorgeschichte. Hervorzuheben sind die Veröffentlichungen Hugots insbesondere zu archäologischen und bauforscherischen Fragestellungen. Sein Beitrag zur Erforschung der römischen Provinz Germania inferior ist bislang nicht vollständig darstellbar. Seine Arbeiten zur karolingischen Geschichte bilden einen wesentlichen Grundstein für die neuere Pfalzenforschung. Das von ihm erarbeitete Pfalzmodell von 1965 ist ein wichtiges Stück Wissenschaftsgeschichte, das uns noch unbeschädigt erhalten ist.
1974 berief das Domkapitel Leo Hugot schließlich zum Dombaumeister in der Nachfolge von Felix Kreusch. Hugot legte allerdings Wert darauf, dass er gleichzeitig Stadtkonservator bleiben und sein Büro weiterführen konnte, was nur dadurch möglich wurde, dass er für Stadt und Domkapitel freiberuflich tätig war. Schon während seines Studiums hatte er am Dom praktische Erfahrung gesammelt. Von 1954 bis 1965 war er als örtlicher Bauleiter unter anderem auch mit dem Wiederaufbau der südlichen Turmkapelle befasst. In seine Zeit am Dom fiel vor allem die erneute statische Sicherung der Chorhalle und auch der Bau des Kunstgutschutzbunkers für die Domschatzkammer sowie die Einrichtung des Museums am heutigen Ort. Am Dom begegnet man Leo Hugot zum Beispiel in den neu gestalteten Fenstern im Westen der Chorhalle.
Einige seiner anderen Bauprojekte lagen im Aachener Umland, sein größter Fokus auf der Stadt selbst. Besonders wichtig war ihm die Wiederherstellung von St. Gereon und St. Kunibert in Köln, zwei der berühmten 12 romanischen Kirchen Kölns. Für die Rathaustürme und die Rekonstruktion von Haus Löwenstein wurde schnell der leicht spöttische Begriff „Hugotik“ gefunden, da er sich doch so sehr der Formensprache des Mittelalters bediente. Er hat darüber, so wurde es erzählt, lachen können, wie er wohl so manches mit Humor nahm.
Seine enge Verbundenheit zur Heimat ist vielleicht am besten an einem ganz besonderen Ort in Aachen zu erfahren. Hugots vielfältige Aufgaben und Interessen kulminieren am Hof. Der kleine Platz im Herzen der Altstadt war bis in die 1960er nicht mehr als ein Hinterhof. Wo früher Krämer und Schuster ihre Werkstätten hatten, eine Brauerei ihr Lager und das Kaiserbad einen Hinterausgang, schuf Leo Hugot einen neuen Stadtplatz.
Ein Ort, der mit der Kopie einer von ihm beim Neubau hinter der alten Fassade des Quirinusbades gefundenen römischen Arkade und der Stufenanlage mal wie ein kleines offenes Theater wirkt, mal wie die gute Stube der Stadt, wo man sicher jemand im Café oder der Kneipe trifft. Hier am Hof errichtete er sein Wohnhaus mit Architekturbüro und versetzte dazu die Fassade des Abbruchhauses aus der Eilfschornsteinstraße Nr. 25 in die Baulücke Hof Nr. 9. Sein kleiner Garten liegt direkt unter dem Kirchenschiff von St. Foillan.
Aus Büro und Wohnzimmer sind der Dom und von oben auch der Granusturm zu sehen. Und im Keller ruht das Haus auf den Resten eines von Hugot selbst ausgegrabenen und dokumentierten mittelalterlichen Spitals. Kaum ein Grundstück wäre besser für ihn, den Mann mit der charakteristischen Hornbrille und Baskenmütze, seine Frau und die vier Kinder geeignet gewesen.
Durch seinen frühen Tod war es Hugot nicht möglich, alle seiner Projekte zum Abschluss zu bringen, was die Beschäftigung mit seinen offenen Fragen umso notwendiger erscheinen lässt. Sein Nachlass befindet sich in Aachen – das Papier im Stadtarchiv, der Rest im Stadtbild.