Wer die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen möchte, muss eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen: acht Jahre (in Ausnahmefällen auch weniger) in Deutschland leben, gute Sprachkenntnisse, eine Wohnung, seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können… Nicht aufgelistet ist Geduld. Und davon braucht es gerade in der Städteregion Aachen reichlich: Unter 18 Monaten geht so gut wie nichts.
So lange dauert es in der Regel von der Antragstellung bis zur Entscheidung darüber. In dieser Warteschleife gefangen zu sein, belastet und kostet Nerven und sorgt immer wieder für einschneidende Probleme im Privat- wie im Berufsleben der Menschen, die gerne eingebürgert werden möchten. Diese langen Wartezeiten seien ein Unding, findet Markus Reissen, der in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Aachen ausländische Studierende berät und es dabei immer wieder auch mit Problemen bei der Einbürgerung zu tun hat. Darauf wollte er gern aufmerksam machen und hatte die Idee, im Vorfeld der Einbürgerungsfeier im Aachener Rathaus zur Verleihung der bronzenen, silbernen und goldenen Warteschleife einzuladen. Betroffene sollten ihre Geschichten erzählen und eine Jury entscheiden, welche davon für sie besondere Härtefälle sind. Eine Auszeichnung, die Aufmerksamkeit für die Situation dieser Menschen erzeugt, die ihnen aber auch den Rücken stärken sollte.
Zehn junge Menschen trauten sich und erzählten, wie sie das Verfahren erlebten und welche Probleme die lange Wartezeit für sie persönlich mitbringt. Die Gefühle, die dabei zum Ausdruck kamen, reichten von (Galgen-)Humor über Wut, Unverständnis und Enttäuschung bis zu Verzweiflung. Sie alle möchten Deutschland zu ihrer Heimat machen, eine Familie gründen, im Beruf weiterkommen, sich ein Leben aufbauen und hier Wurzeln schlagen. Dafür bringen sie beste Voraussetzungen mit. Was fehlt, ist der deutsche Pass, für den es die hohen Hürden deutscher Bürokratie zu überwinden gilt.
Ohne ihn kann der werdende Vater keine Aufträge für seinen Arbeitgeber im Ausland übernehmen, verliert so als Mitarbeiter an Wert. Seine Frau, die ebenfalls auf ihre Einbürgerung hofft, sorgt sich: Was wird, wenn im kommenden Januar das Baby kommt? Für die beiden gab es von der Jury, in der unter anderem Bürgermeisterin Hilde Scheidt und Uni-Kanzler Manfred Nettekoven saßen, die silberne Warteschleife. Die bronzene ging an einen jungen Mann, der alle Unterlagen zusammen hatte bis auf den Einbürgerungstest. Doch der verzögerte sich durch Corona und damit sein ganzer Antrag. Dass er Unterlagen auch nachreichen kann, hatte ihm niemand gesagt.
Am meisten berührt die Geschichte der mit Gold ausgezeichneten jungen Frau. Weil sie mit dem Vater ihrer kleinen Tochter nicht verheiratet ist, kann sie sie in ihrer alten Heimat nicht anmelden. In ihrer neuen Heimat Deutschland warten beide Eltern noch auf ihre Einbürgerung, weshalb die Kleine auch hier nicht gemeldet werden kann und nun staatenlos ist. Eine offizielle Stelle schicke sie zur nächsten, brauche andere Unterlagen. Längst fühlt sie sich verloren im Bürokratiedschungel, wo sie doch nur eins möchte: in Deutschland mit ihrer Familie Heimat finden.