Baumhäuser in Lützerath

Das kleine Dorf am Tagebaurand hat den Charme eines Feriencamps – trotz des bitteren Hintergrunds

So sieht der Tagebau von der Aussichtsplattform in Jackerath aus. Bis Lützerath sind es nur wenige Kilometer. (c) Garnet Manecke
So sieht der Tagebau von der Aussichtsplattform in Jackerath aus. Bis Lützerath sind es nur wenige Kilometer.
Datum:
27. Juli 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 30/2021 | Garnet Manecke

Lützerath hat sich verändert. Nicht nur, weil bis auf einen Landwirt die Lützerather ihr Dorf alle verlassen haben. Es ist eine neue Gemeinschaft entstanden. Zwölf Frauen und Männer haben hier einen Wohnsitz angemeldet. Dazu kommen die vielen Unterstützer und Unterstützerinnen im Kampf gegen den Tagebau. Streifzug durch ein überraschend buntes und lebendiges Dorf.

In die Bäume wurden die ersten Baumhäuser gebaut. Für den Herbst wird mit ersten Rodungen gerechnet. (c) Garnet Manecke
In die Bäume wurden die ersten Baumhäuser gebaut. Für den Herbst wird mit ersten Rodungen gerechnet.

Ordnung muss sein. Gerade in einem Dorf wie Lützerath, in dem aus so vielen Richtungen ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Das Zusammenleben ist hier geregelt. Tafeln zeigen jedem Ortsfremden gleich, wer Küchendienst hat und dass der Müll weggebracht werden muss. Durch das kleine Waldstück führen angelegte Wege, damit nicht alle kreuz und quer durch die Natur stapfen und die Tiere stören. Die Zelte sind in Reih und Glied im Schutz der Büsche aufgebaut und der Platz in der kleinen Wagenburg ist sauber aufgeräumt. Das muss so, wenn man wehrhaft bleiben will. Denn auch wenn hier direkt am Rand des Tagebaus die Wildpflanzen blühen und für Insekten paradiesesche Wiesen entstanden sind: Gleich dahinter ist die große Ödnis, die die riesigen Bagger in die Landschaft fressen.

Die meisten Häuser in Lützerath sind bereits verlassen worden. Nur ein Landwirt stellt sich dem Tagebau noch entgegen und weigert sich, wegzuziehen. Unterstützt wird er von den Leuten, die hier nach Lützerath gezogen sind und jenen, die zu Aktionen und an den Wochenenden kommen, um gegen den Tagebau zu protestieren.
Es gibt Stellen, da sieht der Ort wie ein fröhliches Feriencamp aus: Bei der großen Open-Air-Küche zum Beispiel, hinter der der Gemüsegarten angelegt wurde. Oder bei den Baumhäusern im „Lütziwäldchen“, wie es auf dem bunten Schild steht. Selbst die Warnung „Betreten auf eigene Gefahr“ ist hier so farbenfroh, dass man sich fast auf einem Abenteuerspielplatz wähnt.

Doch der Grund für die Gemeinschaft, hier (zeitweise) zu wohnen, ist bitter: Die Frauen und Männer versuchen, den Ort zu retten oder doch zumindest den weiteren Abbau der Braunkohle zu stoppen. Wie ernst die Lage ist, zeigt schon die Nähe zum Grubenrand, der sich direkt hinter dem kleinen Wall mit den bunten Wildblumen befindet.
Im Herbst soll diese Grenze zum Tagebau hinter das Dorf verlegt werden. Das hätte Konsequenzen für zukünftige Aktionen. „Dann würden alle Unterstützerinnen und Unterstützer Hausfriedensbruch begehen, weil das Areal RWE gehört“, sagt Hajo Bannewitz. Der 66-Jährige ist seit August 2020 vor Ort. Er selbst kommt aus dem sächsischen Vogtland – auch ein Bergbaugebiet, in dem Erz und Steinkohle abgebaut wurden.

Derzeit laufen Rechtsstreitigkeiten. Der Landwirt, der nicht weichen will, hat seine Grundstücke nicht verkauft. Im April hat er gegen die Enteignung Klage eingereicht. Auch auf anderem Weg hoffen die verschiedenen Aktionsgruppen, die gemeinsam um Lützerath und die anderen bedrohten Dörfer kämpfen, auf eine Wende: Ein knapp 40 Quadratmeter großes, von einer niedrigen Mauer umgebenes Grundstück unter Eiben soll noch der Kirche gehören. Hier hat einst eine Kapelle gestanden. Nun appellieren die Klima-Aktivisten an Bischof Helmut Dieser, das Grundstück nicht RWE zu überlassen und damit ein Zeichen gegen den Abbau der Braunkohle unter Lützerath zu setzen. Für den Herbst erwarten die Klima-Aktivisten, dass RWE mit der Rodung des Wäldchens beginnen wird. Die bunte Gemeinschaft ist zum Widerstand entschlossen.