Baugeschichte ist auch Geschichte der Jugendhilfe

Buch greift die Historie des Hauses und Wirkens der Dominikanerinnen von Bethanien in Schwalmtal auf

Viele Jahre traf sich Heimatforscher Karl-Heinz Schroers immer wieder mit Schwester Helene, die als Dominikanerin von Bethanien ihre gesamte Ordenszeit in Schwalmtal verbrachte - Bild AKR (1) (c) Ann-Katrin Roscheck
Viele Jahre traf sich Heimatforscher Karl-Heinz Schroers immer wieder mit Schwester Helene, die als Dominikanerin von Bethanien ihre gesamte Ordenszeit in Schwalmtal verbrachte - Bild AKR (1)
Datum:
12. Okt. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 41/2021 | Ann-Katrin Roscheck

Es war ein Geistesblitz, der dem Schwalmtaler Karl-Heinz Schroers bei einem Urlaub im Jahr 2014 durch den Kopf zuckte. Als er das Schloss Marienburg in der Nähe von Hannover besichtigte, stolperte er über den Namen des jüdischen Architekten Edwin Oppler. „Den hatte ich doch schon einmal im Zusammenhang mit dem Haus Clee gehört, dachte ich“, erinnert sich der Heimatforscher. „Und ich machte mich auf die Suche.“

Eine lange Reise begann. Obwohl Karl-Heinz Schroers nur wenige Minuten vom Haus Clee entfernt aufwuchs, hier selbst mit seinem Schlitten als Kind durch die hohen Tore des Parks rodelte und auch als erwachsener Mann mit Rad und Auto immer wieder an der Einfahrt des eindrucksvollen Herrenhauses, in dem heute die Dominikanerinnen von Bethanien leben, vorbeifuhr, beschäftigte er sich in den ersten 65 Jahren seines Lebens weder mit der Geschichte noch mit der Bedeutung des Geländes. „Ich glaube, dass es mir da genauso wie vielen anderen Schwalmtalern ging“, schildert er. „Für uns alle ist das Bethanien-Kinderdorf rund um das Haus Clee herum schon immer da. Seine Geschichte aber und auch die der Dominikanerinnen von Bethanien kennen wir nicht.“

Also begann Schroers seine Recherche. Er machte sich auf in das Kreisarchiv Kempen und sichtete alte Unterlagen. Auch trug er jede Literatur zusammen, die er zur Historie des Geländes finden konnte. Dabei tauchte er zum Beispiel in die Geschichte der Familie Eduard Rosbach ein, die 1870 genau dort, wo heute das Haus Clee steht, ein Schlösschen bauen ließ. Auch lernte er die Hintergründe der Familie des Kommerzienrats Kaiser kennen, des Besitzers von Kaisers Kaffee, der kurz vor dem Zweiten Weltkrieg das Schloss abreißen und zur Sommerresidenz umbauen ließ. Und schlussendlich landete Schroers an der Pforte des heutigen Herrenhauses und lernte Schwester Helene kennen, die als eine der ältesten Schwestern im Schwalmtaler Orden bereits ihr Noviziat in Schwalmtal verbrachte und miterlebte, wie sich die Bethanien-Kinderdörfer in Deutschland gründeten.

Auch die Geschichte hinter dem Kinderdorf anzuschauen lohnt sich

Mit ihrer besonderen Kinderdorffamilien-Pädagogik galten die Dominikanerinnen vor mehr als 60 Jahren als revolutionär. (c) privat
Mit ihrer besonderen Kinderdorffamilien-Pädagogik galten die Dominikanerinnen vor mehr als 60 Jahren als revolutionär.

„Viele Stunden verbrachte ich mit Schwester Helene. Wir schauten gemeinsam Fotoalben, und sie half mir, Aufzeichnungen zu verstehen, die ich bei meiner Recherche gefunden hatte“, erklärt der studierte Jurist. „Ich muss ehrlich sagen: Ich wusste nicht, was die Dominikanerinnen von Bethanien vor allem in der Jugendhilfe damals für eine Bedeutung hatten.“ Denn als sie das Kinderdorfgelände kauften, um hier einen Ort für Kinder und Jugendliche zu schaffen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern leben konnten, waren Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in ihrer Struktur weit von dem entfernt, was wir heute kennen. Die Kinder lebten damals geschlechtergetrennt, es gab Schlafsäle statt eigener Zimmer, und die Regeln waren hart.

„Die Schwestern versuchten von Beginn an, einen Familiencharakter zu integrieren. Geschwisterkinder sollten unabhängig ihres Geschlechtes gemeinsam untergebracht werden, und schon früh hatte jedes Kind sein eigenes Zimmer“, erklärt Schroers. „Auch wenn der Gegenwind aus der Jugendhilfe stark war, setzten sich die Schwestern durch und leisteten Pionierarbeit.“

All das, was der Heimatforscher seit 2016 im Rechercheprozess erfahren hat, hat er nun zu einem Buch verschriftlicht. Die ersten beiden Kapitel, „Haus Clee und seine Besitzer“ sowie „Das Haus Clee des Kommerzienrates Kaiser“, sind bereits im Heimatbuch des Kreises Viersen erschienen. Nun werden sie gemeinsam mit dem letzten, bisher unveröffentlichten Kapitel „Das Haus Clee der Dominikanerinnen von Bethanien“ unter dem Titel „Vom Rittergut zum Bethanien-Kinderdorf“ verlegt.

Das Buch ist über die Bethanien-Kinderdörfer erhältlich. Die Einnahmen spendet Schroers dem Kinderdorf. „Für uns alle hier in der Region sind das Kinderdorf, die Dominikanerinnen von Bethanien und das Haus Clee immer schon präsent“, sagt der Heimatforscher abschließend. „Ich kann nur dazu auffordern, sich auch die Geschichte dahinter anzuschauen.“

Weitere Informationen sind unter 
www.bethanien-kinderdoerfer.de abrufbar.