Basis für ein neues Leben

Solwodi Aachen unterstützt Frauen über ein Wohnungsprojekt beim Ausstieg aus der Prostitution

Eine eigene Wohnung – mit einer Tür, die die Frauen hinter sich schließen können – bedeutet, einen sicheren Rückzugsort zu haben, um zur Ruhe zu kommen. (c) unsplash/kari shea
Eine eigene Wohnung – mit einer Tür, die die Frauen hinter sich schließen können – bedeutet, einen sicheren Rückzugsort zu haben, um zur Ruhe zu kommen.
Datum:
17. Apr. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 16/2024 | Andrea Thomas

Eigene vier Wände: Ein Ort, an den man sich zurückziehen kann, der einem ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobensein vermittelt, bei dem man selbst bestimmt, wen man reinlässt oder wann. Solch einen Ort braucht jeder Mensch. Besonders, wenn das Leben aus den Fugen geraten ist und neue Stabilität braucht.

So wie bei den Frauen, die Solwodi (Solidarity with woman in distress – Solidarität mit Frauen in Not) Aachen betreut und begleitet. Sie stammen aus Osteuropa, Südamerika oder Westafrika und sind von (Zwangs-)Prostitution, Menschenhandel und Gewalt betroffen. Eine eigene Wohnung ist für sie die Chance, diesem Kreislauf aus Erniedrigung, Unterdrückung und psychischer wie physischer Gewalt zu entkommen und einen Neuanfang zu machen. 

Bis zum Ende vergangenen Jahres hat Solwodi gemeinsam mit der Eingliederungshilfe des Caritasverbands in den Aachener Regionen ein Ausstiegsprojekt betreut. Nach dem Ausstieg der Caritas hat Solwodi sich allein um eine Fortführung beworben und den Zuschlag bei der Ausschreibung der Städteregion Aachen für den Betrieb zweier Wohnungen bekommen. Seit Mitte April hat Solwodi zwei Apartments von der Gewoge AG angemietet, um Betroffenen einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie ihren Neuanfang planen können. „Das ist der erste Schritt für ein neues Leben. Ohne Wohnraum keine psychische Stabilisierung und auch keine Leistungen nach SGB II“, sagt Maria Jordan, Leiterin der Fachberatungsstelle von Solwodi Aachen. Sie ist daher sehr froh, trotz der angespannten Lage auf dem Aachener Wohnungsmarkt zeitnah zwei Wohnungen gefunden zu haben.

Maria Jordan (l.), Leiterin von Solwodi Aachen, und ihre Kolleginnen Anna Völl und Melanie Beckers beraten und begleiten die Frauen bei ihrem Ausstieg. (c) Andrea Thomas
Maria Jordan (l.), Leiterin von Solwodi Aachen, und ihre Kolleginnen Anna Völl und Melanie Beckers beraten und begleiten die Frauen bei ihrem Ausstieg.

Gerade weil das so viel mehr ist als nur ein „Dach über dem Kopf“. Hier können die Frauen zur Ruhe kommen, haben seit Langem oder zum ersten Mal einen Schutzraum, in den niemand gegen ihren Willen eindringen kann. „Ohne das wäre es auch schwieriger, als Sozialarbeiterinnen an die Frauen heranzukommen. Viele haben Gewalterfahrungen gemacht. Aus unserer Arbeit kennen wir die schweren Schicksale vieler Frauen und wissen auch, wie schwierig der Prozess des Ausstiegs aus der Prostitution sein kann – unabhängig davon, ob der Einstieg freiwillig oder unter Zwang geschehen ist“, berichtet Maria Jordan, die die Frauen gemeinsam mit ihren Kolleginnen betreut und begleitet.

Perspektivisches Ziel ist, dass die Frauen ein eigenständiges Leben in einer eigenen Wohnung führen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Da Wohnungen in Aachen und der Städteregion nicht ad hoc zu bekommen sind und auch, weil die Frauen in der ersten Phase nach ihrem Ausstieg Unterstützung brauchen, sollen die beiden Wohnungen eine stabile Basis für die Zeit der Klärung bieten. „Unsere Idee ist, dass sie ein halbes bis ein Jahr dort wohnen und sich in dieser Zeit psychisch stabilisieren. Wir unterstützen sie im Alltag und bei Behördengängen dabei, Leistungen und eine medizinische Versorgung, wie eine Krankenversicherung, zu erhalten und, wo nötig, auch bei einer ausländerrechtlichen Klärung.“ 

Ab Mai bezugsfertig sein

Dabei arbeite das Team im Tempo der Frauen, damit sie Schritt für Schritt dahin kommen, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Um Vertrauen zu entwickeln, müssten die Frauen spüren, dass ihnen jemand auf Augenhöhe begegnet, unterstützt, aber nicht bevormundet, denn die meisten der Frauen haben vor allem ausbeuterische und toxische Beziehungen erlebt.

Noch werden die beiden Wohnungen ausgestattet, ab Mai sollen sie dann bezugsfertig sein. Was noch fehlt, sind eine kleine Küchenzeile mit Elektrogeräten, ein Tisch mit Stühlen sowie Geschirr, Töpfe und Besteck. Darüber hinaus fehlen in den Schlafzimmern je ein Bett, ein Kleiderschrank und eine Kommode. Auch Bettbezüge, Handtücher und weitere Kleinigkeiten müssen für die Erstausstattung angeschafft werden.

„Quasi ein kompletter Hausstand“, sagt Maria Jordan, denn die Frauen fangen bei null an, kommen aus prekären Lebenssituationen. Die Ausstattung soll nicht luxuriös sein, aber so, dass man sich wohlfühlen und wertgeschätzt fühlen kann: ein Zuhause als Basis für ein neues Leben. Dafür bittet Solwodi um Spenden: „Jede Unterstützung ist willkommen und wird dazu beitragen, den betroffenen Frauen einen sicheren und unterstützenden Rückzugsort zu bieten, während sie sich auf ihre Zukunft vorbereiten.“ 

Informationen zum Projekt und Möglichkeiten der Unterstützung: 
E-Mail: aachen@solwodi.de,
www.solwodi.de/seite/353240/aachen.html