Ausflüge mitten ins Leben

Zwei neue Angebote wollen ältere Menschen aus der Isolation in die Gemeinschaft zurückholen

Beim Aachener Fahrradtag hat der Regionalcaritasverband sein „Flaniermobil“ vorgestellt und beworben – Probefahrten inklusive. (c) Andrea Thomas
Beim Aachener Fahrradtag hat der Regionalcaritasverband sein „Flaniermobil“ vorgestellt und beworben – Probefahrten inklusive.
Datum:
22. Sep. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 38/2021| Andrea Thomas

Mit zunehmendem Alter und/oder eingeschränkter Mobilität, wird die Welt schnell kleiner. Zwei Projekte wollen dem entgegenwirken und diesen Menschen ein Stück Teilhabe am Leben ermöglichen. Der Regionalcaritasverband bietet in Kooperation mit „Radeln ohne Alter“ Fahrrad-Rikscha-Fahrten an, die Malteser Aachen Begleitung zu Kulturveranstaltungen, in den Tierpark oder ins Café. Möglich wird beides durch engagierte Ehrenamtliche.

Der Blick ist toll, wenn anfangs auch etwas ungewohnt. Bei den Fahrrad-Rikschas, die der Caritasverband liebevoll „Flaniermobil“ getauft hat, sitzen die beiden Passagiere vorne, der Pilot tritt hinter ihnen in die Pedale. Unterstützt von einer leistungsstarken Batterie, denn alle Flaniermobile sind E-Bikes. Etwas, was im Auf und Ab Aachens auch die Fahrrad-
enthusiasten unter den Ehrenamtlichen schätzen lernen. Die Rikscha sei etwas anders als ein normales Rad, lasse sich alles in allem aber gut fahren, beschreiben Bernd Wilczek und Hermann Cremer ihre ersten Erfahrungen aus der Schulung, die alle Ehrenamtlichen im Vorfeld bekommen. Rund 20 Personen haben die beiden Projektleiterinnen Ute Fischer und Meike Wilczek für die Idee begeistern können, Menschen, die nicht mehr so mobil sind, durch Aachen zu kutschieren.

Zum Start im Oktober wird es, unter anderem dank Fördermitteln aus der Postcode-Lotterie, vier Rikschas an vier Standorten geben: im Stadtteilzentrum „Brander Hof“ in Burtscheid, an den Seniorenzentren in Haaren und Eilendorf sowie beim Caritasverband in der Aachener Scheibenstraße. An allen Orten hat sich ein Team gefunden, dass unter Leitung eines Kapitäns oder einer Kapitänin und mit Unterstützung der Projektleitung seine Einsätze vor Ort organisieren soll.

 

>>Hier kommen Menschen sicher zusammen.<<

Ute Fischer

 

Das System hat das Aachener Flaniermobil von „Radeln ohne Alter Deutschland“ übernommen, mit dem es kooperiert. Was sehr wertvoll sei in Bezug auf Erfahrungen, Kontakte und Vernetzung, wie Ute Fischer erklärt. „Man fühlt sich sofort mit Menschen von überall her verbunden.“ Die Idee zu dem Projekt hatte sie in der Hochphase der Pandemie, als besonders deutlich wurde, wie sehr gerade Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, Teilhabe und soziale Kontakte fehlten. Sie habe etwas gesucht, „wo Menschen sicher zusammenkommen und Freude haben können“. Da seien sie und ihre Kollegin schnell auf Rikschas und von da aus zu „Radeln ohne Alter“ gekommen. Hier steht neben dem gemeinsamen Unterwegs-Sein der Austausch im Vordergrund. Ältere Menschen, die sonst vielleicht nicht mehr so oft vor die Tür kommen, können noch einmal Orte besuchen, die sie noch von früher kennen, wo sie mal gewohnt haben oder wo sie immer schon mal hin wollten. Darüber soll ein Gespräch mit demjenigen entstehen, der sie fährt. Im Idealfall ist das eine Bereicherung für beide Seiten.

Dieses Teilen von Erinnerungen, Erfahrungen und neuen gemeinsamen 
Erlebnissen ist auch, was die meisten Ehrenamtlichen neben der Freude am Fahrradfahren antreibt. Einige sind in der Altenarbeit oder im sozialen Bereich tätig, andere möchten neue Kontakte knüpfen oder in ihrer Freizeit mehr Bewegung mit etwas Sinnstiftendem verbinden. Doch auch der, dem eher gemächliches Radeln mit Plaudern nicht ganz so liegt, ist willkommen. „Wir brauchen auch Leute, die Touren ausarbeiten, Fahrten organisieren und koordinieren oder sich mit Buchungstools auskennen“, sagt Meike Wilczek. Das Projekt lebe von denen, die sich einbrächten, und ihren Ideen.

Es geht ums Rechts-und-links-schauen und gute Gespräche bei der Fahrt

Ute Wallraven-Achten (l.) und Andreea Repicky hoffen, mit dem KulTour-Begleitdienst alte Menschen vor Einsamkeit zu bewahren (c) Andrea Thomas
Ute Wallraven-Achten (l.) und Andreea Repicky hoffen, mit dem KulTour-Begleitdienst alte Menschen vor Einsamkeit zu bewahren

Wichtig ist den beiden Caritasmitarbeiterinnen, die Ehrenamtlichen gut zu begleiten. Dazu gehört, sie zu vernetzen, bei Fragen ansprechbar zu sein und sie im Vorfeld zu schulen, sowohl im Umgang mit den Rikschas als auch mit ihren Passagieren. Was muss ich mitnehmen? Was mache ich bei einer Panne oder einem Notfall? Und wie fühlt sich das an, vorne zu sitzen? „Ungewohnt, man sitzt da schon sehr präsent“, berichten Hermann Cremer und Bernd Wilczek. Wichtig sei daher, den Passagieren ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, dass sie hinten alles im Blick hätten und nicht zu schnell führen. Aber wie der Name schon so schön sage, gehe es ja ums Flanieren, ums Rechts-und-links-Schauen. Die Besucher des Aachener Fahrradtages, auf dem die Caritas ihr Projekt vorgestellt hatte, waren nach einer Proberunde um den Elisenbrunnen jedenfalls begeistert.

 

>>Alle sollen Spaß und eine schöne Zeit haben.<<

Andreea Repicky

 

Einsamkeit und Isolation im Alter wollen auch die Malteser in Aachen entgegenwirken. Über ihre Seniorenberatungsstelle in Aachen-Richterich machen sie alten und pflegebedürftigen Menschen eine Reihe von Unterstützungsangeboten, vom mobilen Einkaufswagen über den (Telefon-)Besuchsdienst bis zu Angeboten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Neu dazugekommen ist jetzt im Rahmen des bundesweiten Malteser-Projektes „Miteinander-Füreinander – Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ der KulTour-Begleitungsdienst. Unterstützt von Ehrenamtlichen sollen alte und pflegebedürftige Menschen die Möglichkeit bekommen, Veranstaltungen, kulturelle Einrichtungen oder interessante Orte zu besuchen, die sie alleine nicht mehr aufsuchen können oder wollen. „Den Begriff Kultur fassen wir dabei weit, daher auch die Schreibweise Kul-Tour“, erläutert Ute Wallraven-Achten, Referentin für Soziales Ehrenamt der Malteser im Bistum Aachen. Dazu zählen Ausflüge ins Museum, Theater, Konzert oder Kino ebenso wie zu Sehenswürdigkeiten, in den Tierpark, zum Bauernhof- oder Weihnachtsmarkt. Da wollten sie sich, wenn das Angebot angelaufen ist, auch gerne nach den Ideen und Wünschen der Teilnehmer und Ehrenamtlichen richten, sagt Andreea Repicky, die zuständige Projektreferentin. „Alle sollen Spaß und eine schöne Zeit haben.“ Auch hier stehen der Erhalt von Mobilität und Teilhabe am Leben und das Knüpfen sozialer Kontakte im Vordergrund. Kul-Touren sind in der kleinen Gruppe möglich oder auch als Einzelbegleitung. Für September und Oktober sind als erste Gruppenangebote (jeweils sechs Teilnehmer und zwei Begleiter) Ausflüge ins Aachener Katzencafé, in den Skulpturenpark Lemiers, zum Kürbismarkt auf dem Krewelshof bei Mechernich und ins Kino geplant.

Die erste Resonanz ist positiv, neun Ehrenamtliche hat das Projekt bereits gewonnen, weitere sollen auf Wunsch der beiden Koordinatorinnen gerne noch dazukommen: „Je mehr Ehrenamtliche, je mehr Angebote können wir machen“, sagt Ute Wallraven-Achten. Alle Begleiter erhalten zuvor eine Grundausbildung im Umgang mit Senioren sowie einen Erste-Hilfe-Kurs. Die 29 Unterrichtseinheiten können tätigkeitsbegleitend absolviert werden. Auch vonseiten der alten Menschen, an die sich das Angebot richtet, gibt es bereits Interesse. Andreea Repicky ist zuversichtlich, dass sich das entwickeln wird. Corona habe sie gebremst, aber jetzt, wo das ein oder andere wieder möglich werde, spürten sie, wie groß der Wunsch ist, mal wieder unter Menschen zu kommen.