Aus 1 & 1 wird zweieinhalb

Erste ökumenische Kirche mit Zustimmung von Bistum Aachen und Evangelischer Kirche im Rheinland

Zukünftig teilen sie sich eine ökumenische Kirche – Christoph Tebbe (l.) und Christoph Zettner. (c) Ann-Katrin Roscheck
Zukünftig teilen sie sich eine ökumenische Kirche – Christoph Tebbe (l.) und Christoph Zettner.
Datum:
1. Sep. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 36/2020 | Ann-Katrin Roscheck

Es ist das Jahr 2011, als in der Evangelischen Lukaskirche in Krefeld-Gartenstadt der alte Glockenturm endgültig saniert werden muss. 200000 Euro zeigt der Kostenvoranschlag für die Instandsetzung der alten Steine an, und Pfarrer Christoph Tebbe entscheidet sich gemeinsam mit dem Presbyterium dafür, statt die Handwerker zu bestellen, den Glockenturm abreißen zu lassen.

„Aber auch ein Neubau hätte perspektivisch viel Geld gekostet, und irgendwie waren wir nicht bereit, das in die Hand zu nehmen“, schildert er. „Die möglichen Instandhaltungskosten setzten einen Prozess in Gang. Einige Monate später klopften wir bei St. Pius X an.“

Schon immer ist das ökumenische Leben im jungen Krefelder Stadtteil sehr ausgeprägt. Als Ende der 50er Jahre die evangelische Kirche gebaut wird, gibt es in Gartenstadt nur ein provisorisches katholisches Gotteshaus. Die Protestanten lassen für die Katholiken ihre Glocken läuten, und auch, als mit St. Pius X ein katholisches Zuhause entsteht, fühlen sich beide Gemeinden so nah, dass sie immer mal wieder „die Kanzel tauschen“. „Der katholische Pfarrer hielt dann eine Predigt in der evangelischen Gemeinde, der evangelische Pastor in der katholischen Kirche“, weiß Pfarrer Christoph Zettner aus Erzählungen. „Das war damals außergewöhnlich.“ 

Als 2012 Pfarrer Tebbe also auf Pfarrer Zettner zukommt und die Idee äußert, Kirche und Pfarrheim zu teilen, stößt er beim katholischen Priester auf offene Türen. In den Gremien, auf katholischer Seite dem Kirchenvorstand und auf evangelischer Seite dem Presbyterium, wird die Idee präsentiert, und einige Wochen später veranstalten am gleichen Abend beide Pfarren eine Gemeindeversammlung. Die Verantwortlichen treffen auf großen Zuspruch. Auf katholischer Seite fällt sogar der Satz: „Jetzt sitzt Pfarrer Höckels auf der Wolke und klatscht Beifall.“ Der katholische Geistliche hatte in den 70er Jahren viel für die Ökumene in Gartenstadt getan. Aber auch Fragen kommen auf: Wie soll das liturgisch funktionieren? Wie kann eine Raumaufteilung aussehen? Wie werden Gottesdienste stattfinden? Und auch: Welche finanziellen Regelungen müssen festgehalten werden?

Die Gemeinden begeben sich gemeinsam in den Prozess. In enger Zusammenarbeit mit dem Bistum und der Landeskirche beginnt eine Prüfzeit: Belegungspläne werden beispielsweise untersucht. „Es war ja nicht von Anfang an klar, dass wir hier einziehen“, erklärt Tebbe. „Aber unsere Kirche war dann auch nachgewiesen einfach zu klein.“ Inspiration wird eingefordert, und die Vertreter besuchen das „Ökumenische Zentrum in Heilige Familie“ in Mettmann-Metzkausen, in dem im Erzbistum Köln ein erstes ökumenisches Zusammengehen durchgeführt wurde. Und auch finanzielle Grundlagen werden geklärt. „Wie wird Personal berechnet? Wie verbleibt man bei der Raumnutzung? All das ist grundlegend für eine vertragliche Vereinbarung“, beschreibt es Tebbe weiter. „Da brauchten wir auch einfach juristischen Rat.“ 

Am Ende entsteht im fast sechsjährigen Verfahren ein zehnseitiger Vertrag, der die Rechte und Pflichten gegenüber der evangelischen Lukaskirche und der katholischen St. Pius X-Kirche klärt, die in der „Pius-Lukas-Kirche“ zusammen leben wollen.
„Wir haben beispielsweise mit den Juristen im Vertrag entschieden, dass wir Nutzer sind und nicht etwa Miteigentümer. Das ist ein großer Unterschied“, erklärt Tebbe. „Aber auch die gemeinsame Wertschätzung füreinander ist darin geklärt.“ Der Vertrag enthält einen Abschnitt, der mit „Lebensordnung“ betitelt ist. Hier wird festgehalten, dass sich die zwei Zusammenschließenden trotz aller liturgischen und rechtlichen Unterschiede, die die verschiedenen Glaubensrichtungen und Kirchenformen mit sich bringen, immer mit Respekt begegnen, sich in ihrer Art zu glauben und ihren Glauben zu feiern, tolerieren und aufeinander Rücksicht nehmen. „Wir sind miteinander unterwegs, und das wird an jeder Stelle unseres Zusammenseins wichtig werden“, erklärt Zettner. „So eine Passage in einem Vertrag festzuhalten, ist gut, denn sie befreit vielleicht manchmal von der eigenen Befangenheit.“


Hier wird Kirchengeschichte geschrieben

Und diese Wertschätzung soll sich im Gemeindeleben widerspiegeln: Schon immer gibt es in St. Pius X zwei Raumteile in der Kirche, in einem findet jetzt der alte Altar aus der Lukaskirche Platz, auch das Kreuz kommt mit. Geplant ist, sowohl evangelische als auch katholische, aber auch ökumenische Gottesdienste abzuhalten. Schon lange gibt es gemeinsame Veranstaltungen wie beispielsweise den Seniorentreff. Diese werden ausgebaut, konfessionell gebundene Treffen finden jetzt in den einzelnen Gemeindezentren im gemeinsamen ökumenischen Gemeindezentrum in Gartenstadt statt.

„In ruhigen Momenten denke ich schon, dass wir hier Kirchengeschichte schreiben“, sagt Tebbe andächtig. „Das, was wir hier tun, zeigt eben auch, wie sich Kirche im gesellschaftlichen Anspruch verändert hat.“ Menschen, so ist sich Tebbe sicher, suchen die Ökumene und die Gemeinschaft im Glauben, statt sich durch Unterschiede zu profilieren. „Das bedeutet nicht, dass wir dabei nicht unsere Besonderheiten beibehalten“, führt er aus. „Und ob wir nun gemeinsam Abendmahl nehmen dürfen oder nicht, das entscheidet sich Gott sei Dank auf einer anderen Ebene.“ 

Und auch Zettner führt aus: „Ich schätze an der katholischen Kirche die starken Riten, in denen wir uns zuhause und sicher fühlen. Und an der evangelischen Kirche gefällt mir deren Spiritualität und das angenehm Nüchterne. Wenn wir die Vorzüge der christlichen Kirchen zusammenzählen, glaube ich fest daran, dass Eins und Eins am Ende Zweieinhalb werden lässt. Zusammen sind wir mehr.“

Am 6. September wird mit einem ökumenischen Gottesdienst ab 14 Uhr an der Lukaskirche, Breslauer Straße 2, Eröffnung gefeiert. Abschluss in der Pius-Lukas-Kirche, Traarer Straße 380.


Werkwoche für Kinder

Nach der offiziellen Eröffnung geht es direkt los: Mit einer ökumenischen Werkwoche startet die Jugendarbeit in die Herbstferien: In Zusammenarbeit der KRETA können Kinder zwischen 8 und 12 Jahren eine Werkwoche im Gemeinsamen Haus in Elfrath verbringen. Die Papier-, Holz-, Schnitz-, Schmuck-, Korb- und Wollwerkstatt öffnet von Dienstag bis Donnerstag, 13. bis 15. Oktober, immer von 10 bis 13 Uhr. Am Freitag, 16. Oktober, wird ab 16.30 Uhr ein Familiennachmittag angeboten, bei dem die Kinder Gelegenheit haben, ihr Können zu präsentieren. Hierfür werden noch Teamer gesucht. Anmeldungen sind möglich unter den Telefonnummern 02151/493472 oder -473, sowie per E-Mail an gr.blum@gdg-st-nikolaus.de oder beatrix.freudenmann@bistum-aachen.de. 

Erste ökumenische Kirche in Krefeld

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