Im Bistum Aachen sind sie keine Unbekannten: Der Schauspieler Roman Knižka ist mit dem Ensemble Opus 45 und dem siebten Programm in Folge unterwegs und hat unter anderem Gastspiele in Düren, Jülich und Viersen gegeben. Ihre Mission: Deutsche Geschichte. Ein Interview zum Jahrestag der Operation Queen und dem neuen Programm „Auferstanden aus Ruinen“.
Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen. Das war das erste Programm, mit dem Roman Knižka und das Ensemble Opus 45 auf sich aufmerksam machten. Gewidmet war es mutigen Querdenkern und Künstlern, die sich bis zuletzt hartnäckig gegen den faschistischen Terror behaupteten. Die selbstgewählte Aufgabe, mit der passenden Musik, Liedgut und Textpassagen verknüpft auch schwer zu ertragende Themen der deutschen Geschichte von jüdischem Leben in Deutschland, dem Krisenjahr 2023 oder dem KZ Theresienstadt spürbar zu machen, gelingt auf außergewöhnliche Weise. Das Publikum ist berührt, bleibt immer aufmerksam und kann selbst das Schwere sichtbar mit Herz und Geist annehmen.
Das ist große Kunst und inzwischen künstlerische Lebensaufgabe des Schauspielers Roman Knižka, der einem breiten Fernsehpublikum bekannt ist, Dramaturgin Kathrin Liebhäuser und Benjamin Comparot, organisatorischer Motor des Projekts und Hornist im hochkarätig besetzten Quintett Opus 45, das inzwischen aus den größten Orchestern Deutschlands Gastmusiker beschäftigt.
„Uns geht es darum, Geschichte sinnlich erfahrbar zu machen, um einen emotionalen, sinnlichen Zugang“, erläutert Roman Knižka nachdenklich.
Es folgt dem bekannten Gedanken von Wilhelm von Humboldt: Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft. „Der kann die Zukunft gestalten“, setzt Knižka noch einmal nach. Bewusstsein zu schaffen, ist das Ziel, die Erkenntnis, dass Geschichte nicht Vergangenheit ist, sondern konkret mit den Menschen im Heute zu tun hat.
Bundesweit sind sie inzwischen mit ihren Programmen unterwegs – im Kulturpalast in Dresden mit 900 Sitzplätzen ebenso wie in Schloss Burgau in Düren, in Schulen oder Kirchen. Einige Veranstalter, so die Erfahrung, erachten die Themen als zu ernst und zu schwierig. Sie polarisieren. Das gilt etwa für das Programm „Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen“. „Inzwischen spielen wir im Osten auch viel mit Polizeischutz“, sagt Roman Knižka wie nebenbei.
Ängstlich sieht er dabei nicht aus. Tatsächlich hat sich bislang die Sorge vor Übergriffen als unbegründet erwiesen – auch wenn es durchaus schon zu kontroversen Gesprächen mit Anhängern der AfD gekommen sei. „Wir können uns das ja auch ein bisschen einfacher machen und halt einfach in Berlin spielen, in Hamburg und dann halt auch gleich mehrere Shows in Köln und in Frankfurt und in München“, sagt Knižka. „Aber es ist wichtig, was wir machen, und es ist wichtig, dass wir zu den Leuten gehen.“
Die berührendsten Begegnungen haben sie oft mit Jugendlichen. „Das Tollste ist eigentlich“, berichtet Kathrin Liebhäuser, „wenn Schülerinnen und Schüler zu uns kommen und sagen: ,Ich hasse Geschichte, aber wenn Geschichtsunterricht immer so wäre, dann wäre es mein Lieblingsfach.’“
Die Art der Darstellung erzeugt bei den Jugendlichen eine hohe Glaubwürdigkeit. Gerade sie ließen sich gut auf der emotionalen Ebene abholen, und „denen konnte man richtig was zumuten“, ergänzt Benjamin Comparot. Die Musik erzeuge Bilder im Kopf. „Die Noten malen“, sagt er poetisch. Die Jugendlichen hätten vielleicht andere Assoziationen, „vielleicht Liebeskummer“, aber es spreche sie an. „Wir spielen ein Wiegenlied von Viktor Ullmann, das in Theresienstadt entstanden ist, und dann sprechen sie uns an, was für ein Stück das gewesen ist: ,Ich will das in meine Playlist einsortieren’“, begeistert sich der Musiker.
Die Initialzündung fand in einer KiTa in Berlin statt, erzählt grinsend Comparot. Die Kinder gingen gemeinsam in eine Einrichtung. Man traf sich beim Hinbringen oder Abholen des Nachwuchses, und dem bekannten Künstlerspruch „Wir müssten mal was zusammen machen“ folgten erste Aufführungen von Prokowjews „Peter und der Wolf“ nach der Inszenierung von Loriot und Camille Saint-Saens. In den abendlichen Runden stellten die Musiker und der Schauspieler fest, „dass wir alle zum Politischen neigen“.
Das Ensemble Opus 45 stieß bei der Suche nach einem neuen Repertoire auf ein Bläserquintett von Pavel Haas. Der Komponist wurde 1941 von den Nazis verschleppt und im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. „Und dazu kam die Todesfuge von Celan, die uns Roman gelesen hat. Wenn Roman das liest, wird ein dunkler Raum schwarz“, schildert Benjamin Comparot eindrücklich das Erlebnis. Ein Glücksfall ist, dass Comparots Schwester Kathrin Liebhäuser als Dramaturgin ins Boot geholt werden konnte. Sie stellt das Material zusammen, und die Idee eines neuen Formats entstand. „Wir sind uns bis heute noch nicht so ganz klar, wie wir das Kind nennen sollen“, sagt Kathrin Liebhäuser schmunzelnd.
Es ist eine eigene Kunstform zwischen Konzertlesung und Performance. „Bei Performance denken die Leute an Blut und Kot auf der Bühne. Das ist ja auch nicht, was wir erreichen wollen“, gibt Roman Knižka zu Bedenken. Ihm gefällt das englische Wort „Narration“. „Ich bin kein Erzähler, und eine Lesung ist es auch nicht.“
Klar ist eins: Dieses besondere Format ist politische Bildung. Die Finanzierung ist nicht unkompliziert. Alleine durch Eintrittsgelder lässt sich das Programm nicht bezahlen. Derzeit erhält das Ensemble für seine Programme notwendige Bundes- und Landesmittel als Förderung.
Gerade darum machen sich Roman Knižka, Benjamin Comparot und Kathrin Liebhäuser Gedanken. „Es gibt keine Planungssicherheit.“ „Wenn sich gewisse politische Strömungen hier durchsetzen, dann ist ganz klar, wo gespart wird. Nämlich genau an diesem Netzwerk, das wir in Deutschland haben. Und das ist ziemlich einzigartig in politischer Bildung und auch Erwachsenenbildung“, resümiert Kathrin Liebhäuser.