In Nordrhein-Westfalen existiert eine einzigartige Dichte und Qualität an Kirchengebäuden, insbesondere auch im modernen Kirchenbau.
Im Bistum Aachen, wo gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Front verlief, wurden etliche Kirchen nach völliger Zerstörung neu errichtet. Von den 35 Prozent der erfassten Kirchen, die in NRW nach 1945 gebaut wurden, standen 2013 allerdings erst 12 Prozent unter Denkmalschutz. Um zu zeigen, dass moderne Sakralarchitektur eine ebensolche Qualität wie die Kirchenbauten der Romanik, der Gotik oder des Barocks aufzuweisen hat, rief das Deutsche Liturgische Institut (Trier) 2015 die „Straße der Moderne“ ins Leben. In diesem Beitrag stellen wir Kirchen von Stefan Leuer auf dem Gebiet des Bistums Aachen vor. Mit seinen Bauten prägte er das Bild der jungen Bundesrepublik beträchtlich mit.
Geboren 1913 in Bad Neuenahr, studierte Stefan Leuer ab 1933 Architektur an der Technischen Hochschule (TH) Aachen – und legte die Diplom-Hauptprüfung Ende 1937 mit der Note „sehr gut“ ab. Während der Kriegsjahre arbeitete der dienstverpflichtete Jungarchitekt beim Reichsautobahnbau, um nach Kriegsende als wissenschaftlicher Assistent bei Hans Schwippert an der TH Aachen anzufangen.
Auch wenn er als Mitarbeiter von Schwippert an so renommierten Gebäuden wie dem Bonner Bundeshaus beteiligt war, so lag sein Schwerpunkt dennoch auf Kirchenbauten. Zwischen 1956 und 1967 entstanden allein im Bistum Aachen fünf Kirchen nach seinen Entwürfen. Nummer eins war die Herz-Jesu-Kirche in Thiergarten (1956). Dann folgten 1959/60 St. Franziskus Krefeld-Mitte (gemeinsam mit Artur Janssen), 1960/61 St. Andreas Setterich, 1964 St. Thomas Morus Krefeld und 1966/67 St. Gregorius Aachen. In den Jahren 1958/59 zeichnete Leuer zudem für die Umgestaltung des Chorraums von St. Cornelius Dülken verantwortlich. Weitere acht Kirchen wurden nach seinen Plänen im Erzbistum Köln und eine im Bistum Trier errichtet.
Unverkennbar ist die Vorliebe des Architekten für gebogene Linienführung. „Idee und Aussage des Bauwerkes in Worte zu fassen, fällt dem Architekten schwer, seine Sprache sind seine Bauten“, beschrieb Stefan Leuer einmal seine Grundhaltung. Seine Werke setzen sich deutlich ab vom protzigen Stil der Zeit des Nationalismus. „Es sind klare, von Fensterluken durchsetzte Räume auf parabolischem Grundriss“, sagt die (Kunst-)
Historikerin Michaela Kalusok. Für seine Bauten bevorzugte Stefan Leuer Beton und Ziegelstein.
Eine Besonderheit unter den Kirchengebäuden stellt St. Barbara (vormals
St. Franziskus) in Krefeld dar. Hier handelt es sich um einen Zentralbau mit einem gleichseitigen Kreuz als Grundriss. Mit seinen vier Konchen gleichen Durchmessers und gleicher Höhe weist das Gebäude eine ausgezeichnete Akustik auf. Der Lichteinfall erfolgt durch 228 quadratische Fenster, die stufenförmig jeweils von einer Kante der Konche bis zum Scheitelpunkt aufsteigen.
Auch bei der Kirche St. Thomas Morus in Krefeld handelt es sich um einen Zentralbau, allerdings mit ellipsenförmigem Grundriss, wobei die Scheitelpunkte spitz sind. Der Kirchenraum ist umschlossen von hohen, glatten weißen Wänden. Keine Mauern oder Säulen versperren Sicht und Weg. Die traubenähnlichen Fenster lassen nur Licht von oben einfallen.
1954 trat Stefan Leuer die Nachfolge von Dominikus Böhm an den Kölner Werkschulen an und wurde 1971 zum Professor an der Fachhochschule Köln ernannt. 1978 ging er in den Ruhestand, und schon 1979 verstarb er in Köln.