Auf des Kreuzwegs Spuren

Bilderensemble aus der Krefelder „Bunkerkirche“ findet Platz in St. Lambertus Monschau-Kalterherberg

Perfekt in Szene gesetzt: Der Kreuzweg aus St. Antonius Krefeld wurde in St. Lambertus in einem durchgehenden „Passepartout“ aus schwarzem Stahlblech eingelassen. (c) Stephan Johnen
Perfekt in Szene gesetzt: Der Kreuzweg aus St. Antonius Krefeld wurde in St. Lambertus in einem durchgehenden „Passepartout“ aus schwarzem Stahlblech eingelassen.
Datum:
20. Nov. 2018
Von:
Stephan Johnen
Wer die Worte „Diebstahl“ und „Kirchenabriss“ im ersten Satz liest, hat meist nur wenig Hoffnung, dass die nachfolgende Geschichte noch eine positive Wendung nimmt. Zum Glück ist es dieses Mal etwas anders. Auch wenn sich an zwei Stellen der Schmerz eines Verlustes zunächst nicht verleugnen lässt.
Die einzelnen Stationsbilder stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Händen des Künstlers Heribert Reul. (c) Stephan Johnen
Die einzelnen Stationsbilder stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Händen des Künstlers Heribert Reul.

1994 stahlen in Monschau-Kalterherberg Kunstdiebe den Kreuzweg aus der Pfarrkirche St. Lambertus, und in Krefeld-Dießem wurde 2005/06 die „Bunkerkirche“ St. Antonius abgerissen. Zwei Ereignisse, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, aber heute erklären, wie ein Kreuzweg vom Niederrhein in der Eifel eine neue Heimat fand. Auch das ehemalige Prämonstratenserkloster Wenau spielt eine kleine, aber feine Rolle.

Fast 25 Jahre ist es her, dass am Ostermontag der historische Kreuzweg aus der neoromanischen Kirche St. Lambertus verschwand. „Die Polizei vermutete damals, dass der Dieb auftragsbezogen Gegenstände aus Kirchen gestohlen hat und diese sofort an den ‚Kunden‘ weitergeleitet hat“, blickt Stephan Mertens aus dem Kirchenvorstand auf die Zeit des Hoffens und Bangens zurück. Doch selbst als eine Einbruchserie in der Grenzregion aufgeklärt wurde, fehlte vom Kreuzweg nach wie vor jede Spur. 1998 fertigten Kinder daher an einem Aktionstag einen Kreuzweg aus Papier-Reißbildern. Als Provisorium. Zumindest war das der Plan. Mehrere Versuche, einen neuen Kreuzweg zu finden, beziehungsweise eine maschinelle Reproduktion des gestohlenen Kreuzwegs anhand von Fotos zu erstellen, scheiterten seitdem aus verschiedenen Gründen. Während der Umgestaltung des Altarraums im Jahr 2008 wurde bewusst eine Seitenkapelle „freigelassen“, um Platz für einen neuen Kreuzweg zu haben. Im Jahr 2015 reifte der Entschluss, sich beim Bistum Aachen nach alten Kreuzwegen aus geschlossenen Kirchen zu erkundigen. „In einer Zeit, in der wir den Abriss oder die Umwidmung von Kirchen erleben, ist es uns wichtig, auch etwas zu bewahren“, sagt Stephan Mertens.

Gut möglich, dass bei der Suche nach einem geeigneten Ersatz eine Portion Zufall mit im Spiel war. Die Blicke der Delegation aus St. Lambertus fielen im Depot des Bistums im Kloster Wenau auf den Kreuzweg der ehemaligen Krefelder Kirche St. Antonius, die 1953/54 aus einem erweiterten Hochbunker entstanden war. Der Kreuzweg, der vermutlich von Heribert Reul angefertigt wurde, hatte zwar schon etwas Staub angesetzt, zog mit seiner künstlerischen Strahlkraft aber das Interesse der Suchenden auf sich.
Die 14 einzelnen Bilder schlummerten bereits einige Jahre im Depot, denn 2005/06 wurde die „Bunkerkirche“ für den Bau eines Heims für Menschen mit psychischer Erkrankung abgerissen. Der Architekt des Sakralbaus war Alfons Leitl, einer der führenden Architekten und Stadtplaner des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Rheinland, in Berlin und in Österreich baute er zwischen 1948 und 1972 mehr als 50 Sakralbauten.


14 neue Stationsbilder finden Platz an der Kopfseite des nördlichen Seitenschiffes

Die Freude in der Eifel war groß, als die Gemeinde St. Antonius in Krefeld ihre Zustimmung gab, den Kreuzweg als Dau-­erleihgabe zur Verfügung zu stellen. 2017/18 wurden die 14 Stationsbilder, je etwa 43 mal 56 Zentimeter große Spanplatten mit aufgelegten Glasmosaiken, von der Restauratorinnen-Partnerschaft Beier, Freund und Kühler aus Köln restauriert. Nach der Genehmigung durch die Bau- und Kunstabteilung des Bistums begann in St. Lambertus der Einbau des Kreuzweges. An der Kopfseite des nördlichen Seitenschiffes fand der Kreuzweg aus Krefeld einen hervorragenden Platz.

„Zur Präsentation der filigranen Bilder aus den Nachkriegsjahren in einem großvolumigen neoromanischen Kirchenraum war es uns wichtig, ein neutrales Umfeld zu schaffen, innerhalb dessen der Fokus vor allem auf die bestechende Farbigkeit der hochwertigen Darstellungen gelenkt werden kann“, beschreibt Architekt Elmar Paul Sommer die Einbettung der Mosaike in den Kirchenraum. Das Farben- und Formenspiel der Mosaike dürfe weder durch einen unruhigen Hintergrund noch durch die eigene Struktur und Formensprache des „Eifeldoms“ gestört werden. Da die einzelnen Stationen beim Betrachten zudem eine innere Dynamik haben, entschloss sich der Architekt dazu, die Bilder in einer strengen, engen Reihung anzuordnen – eingelassen in ein schwarzes Metallblech. Dieses außergewöhnliche Passepartout wirkt beinahe wie ein Filmstreifen und lässt die ausdrucksstarken Bilder gut zur Geltung kommen. Eine für den Kreuzweg konfektionierte Beleuchtung wird in den kommenden Wochen installiert. Zum Einsatz kommen spezielle LED-Strahler mit Schlitzblenden, die die einzelnen Kreuzwegstationen aus der Dunkelheit „ausschneiden“ und die Bilder vor dem dunklen Hintergrund erstrahlen lassen.

„Die Versicherung hat damals eine Entschädigung für den gestohlenen Kreuzweg gezahlt“, erklärt Stephan Mertens. Das Geld wurde seit fast 25 Jahren nicht angerührt, sodass sämtliche Arbeiten nun aus diesem Topf bezahlt werden können. Der Kirchenvorstand hat zudem entschieden, dass der von Kindern und Jugendlichen 1998 ursprünglich als Provisorium gestaltete Kreuzweg in der Kirche verbleibt. Die Reise des Krefelder Kreuzweges führte über das Wenauer Depot schließlich nach Kalterherberg, wo er aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde. Auch wenn es ein weiter Weg ist: Die Mitglieder der Gemeinde St. Lambertus freuen sich, Gäste aus Krefeld-Dießem willkommen zu heißen und den neuen Standort des alten Kreuzweges zu zeigen.