Der Vater war Schiedsrichter, der Onkel Vorsitzender der Sportfreunde Düren. In der Familie von Alfred Bergrath führte kaum ein Weg am Fußball vorbei. Der junge Alfred (Jahrgang 1939) spielte in der Schulmannschaft des Wirteltorgymnasiums, bei Düren 99 an der Seite des späteren Nationalspielers Karl-Heinz Schnellinger, in der Kreisauswahl, später an der Uni im Team der Theologischen Fakultät. „Bis zum 40. Lebensjahr habe ich mindestens einmal in der Woche Fußball gespielt“, sagt er. Gut sei er gewesen, aber nicht übertrieben gut. „Fußball ist eine Gemeinschaftstätigkeit, wo keiner ein Egoist sein darf, wo jeder mit dem anderen kooperieren muss, die Bälle zuspielen muss, verteidigen muss“, sagt Alfred Bergrath. Beim Fußball gehe es immer um das Gemeinsame. „Das hat mich schon geprägt. Man muss sich unterordnen, einordnen können. Eigentlich war das auch für später wichtig, für mich und meine Einstellung in der Kirche. Mannschaften, die zerstritten sind, können keine Spiele gewinnen. Man muss aufeinander achten. Man wird eingewechselt und ist sofort mit im Spiel drin. Wenn sich jeder zurückzieht und andere spielen lässt, kann keine Mannschaft ein Spiel gewinnen.“
Dass Fußball etwas mit den Füßen zu tun hat, liegt auf der Hand. Doch der Priester hat mit dem Blick des Fußballfans einmal ganz genau in die Bibel geschaut – und kommt auf über 200 Stellen, in denen Füße eine wichtige Rolle spielen. „Du stelltest meine Füße in weiten Raum“, heißt es in einem Psalm. Oder: „Meine Füße wanken nicht auf deinen Pfaden.“ Bergrath: „Es geht darum, Raum zu haben, auf den man sich verlassen kann.“ An einer anderen Stelle heißt es: „Seine Engel tragen dich auf Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Liebe auf der Stelle tritt“, hat die Mystikerin Teresa von Ávila gesagt. „Wir verändern uns auch im Glauben, bleiben nicht auf der Stelle stehen. Kirche darf nicht die Füße hochlegen und stehenbleiben, sie muss wie ein gutes Fußballspiel dynamisch und nicht statisch sein“, sagt Alfred Bergrath. Was er der Kirche als Trainer vom Spielfeldrand zurufen würde? „Dass alle aufeinander hören, dass alle wichtig sind, dass es keine Unterschiede zwischen Arm und Reich, Alt und Jung gibt, dass wir nicht auf der Stelle stehen bleiben und Veränderungen möglich machen“, sagt er. Im Fußball laufe es nur rund, wenn alle miteinander kooperieren, wenn einer für den anderen einspringt. So soll es auch in der Kirche sein. sj
Kein Heimspiel ohne ihn: Kaplan Christoph Glanz hat bei jedem Auftritt der Aachener Alemannia auf dem Tivoli mitgefiebert. Das hat offensichtlich geholfen: Immerhin gab es am Ende der Saison das Double – Aufstieg in die 3. Liga und Gewinn des Mittelrhein-Pokals, damit Teilnahme am DFB-Pokal.
„Irgendwie fand ich den Fußball schon als Kind immer faszinierend: Die Regeln sind einfach, und es reichte ein Ball und irgendetwas, um zwei Tore zu markieren.“ Für den Vereinssport hat seine Leidenschaft damals allerdings noch nicht gereicht. Welt- oder Europameisterschaften fand er als Kind besonders spannend, weil es so viel Fußball auf einmal gab. „Da war man voll im Fieber, und es war klar, wofür man ist: die Nationalmannschaft.“ Besonders das gemeinsame Fußballgucken im Freundeskreis und in der Jugendarbeit hat ihn damals sehr gereizt. Danach war es mit dem Fußball aber erst einmal gut.
Die Alemannia war damals schon immer da, und die Identifikation mit dem Heimatverein für den Priester irgendwie selbstverständlich. „Ich habe mich immer gefreut, wenn Aachen gewonnen hat.“ Über einen Freund aus der Oberstufe kam er das erste Mal auf den neuen Tivoli. „Das war ein spannendes Erlebnis! Die Einheit zu erleben, als Fan dazuzugehören und ein Teil des Spiels zu sein, hat mich sehr beeindruckt“, erinnert sich der 31-Jährige. „Man trägt einen kleinen Teil dazu bei, dass das Spiel gelingt. Das ist großartig.“ Diese erlebbare Gemeinschaft beeindruckt Kaplan Christoph Glanz noch heute. „Man ist gefühlt eins, durchlebt alles gemeinsam, teilt es. Das ist faszinierend.“ Genau hier zieht der Seelsorger auch die Verbindung zum christlichen Glauben. Viele Fußballbegeisterte würden die Erfahrung machen, dass Leistung alleine nicht reiche; dass da irgendeine höhere Macht mitspiele. „Eine Parallele zu dem, wo unser Denken nicht mehr weiterkommt. Das finde ich spannend. Auch, dass einzelne Spieler als Fußballgott bezeichnet oder zu einer ‚gottähnlichen‘ Gestalt werden, hat schon etwas von Heiligenverehrung,“ schmunzelt der Kaplan. SSB
Einmal Alemanne, immer Alemanne – das ist das Motto von Pfarrer Hans-Georg Schornstein. Sein Herz schlägt schwarz-gelb, und zwar schon seit seiner frühesten Jugend. Damals in den 1960er Jahren war der heute 67-Jährige schon Fan der Kartoffelkäfer. Geboren in Stolberg, hatte er schon früh die Vermutung: Mich verschlägt es mal nach Aachen. Und siehe da: Er hatte recht.
Eine kleine Beziehungspause legte Schornstein in den 1970er Jahren ein. Zu viele Skandale in der damaligen Zeit verdrängten die Lust auf Fußball. Vorbei war die Liebe allerdings nie. „Bayern-Fan kann ja jeder sein“, sagt Hans-Georg Schornstein und kann sich ein schelmisches Lachen nicht verkneifen. Aber dabei bleiben, wenn es mal nicht so gut läuft – Abstiege, Insolvenzen und sonstiges Theater, die Alemannia-Fans wissen Bescheid – das macht richtiges Fansein dann erst wirklich aus, betont der Wahl-Oecher (Schornstein über Schornstein).
Und im Übrigen ist das auch eine Frage des Glaubens: Alemannia habe jahrelang seinen Glauben an die Auferstehung geprüft, sagt Schornstein. Verloren hat er ihn übrigens nie! Wie sollte er auch: „Alemannia ist die Mannschaft der Auferstehung, es kann ja immer wieder nur aufwärts gehen.“ Gepaart mit der Stimmung, der Begeisterung und der Gemeinschaft der Fans auf dem Tivoli, ist es das, was Schornstein auch nach so vielen Jahren noch begeistert.
Die Dauerkarte für die 3. Liga ist übrigens schon gekauft, Schal und T-Shirt sind parat für eine hoffentlich erfolgreiche neue Saison. Und als zukünftiger Ruheständler wird Hans-Georg Schornstein sicherlich kein Spiel mehr auf dem Tivoli verpassen. ak