Arbeit zu haben ist in einer Leistungsgesellschaft ein Teil der eigenen Identität. Deshalb ist Arbeitslosigkeit nicht nur ein wirtschaftliches Problem – auch die Psyche leidet. Mit dem Projekt „Clean Up“ der Oberbrucher eingetragenen Genossenschaft Amos bekommen Langzeitarbeitslose wieder eine Aufgabe und Perspektive. Doch das Projekt ist gefährdet.
Marvin wohnt mit seiner Ehefrau und drei kleinen Kindern in Oberbruch. Seit fünf Jahren ist der 32-Jährige arbeitslos. Trotzdem geht er jeden Morgen zur Arbeit: Er ist im „Clean-Up“-Projekt bei Amos beschäftigt. Für den Familienvater ist das gleich aus zwei Gründen eine wichtige Aufgabe. Zum einen tut es Marvin gut, einen Job zu haben, in dem er jetzt sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Das gibt seinem Leben Struktur und eine Perspektive für die ganze Familie. Zum anderen hat Marvin durch die Stelle weitere Qualifikationsmöglichkeiten wie den Erwerb eines Personenbeförderungsscheins. Das erhöht seine Chancen, doch noch auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden.
Auf seine Arbeit bei Clean-Up freut sich Marvin jeden Tag, denn es macht ihm Freude, mit den Kollegen einer sinnvollen und guten Beschäftigung nachzugehen. Das liegt auch an den positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die er für das Aufsammeln und Beseitigen von Müll bekommt. „Es gibt viel Lob, welches die Mitarbeiter in ihrem bisherigen Leben selten erfahren haben“, sagt Amos-Vorstand Johannes Eschweiler. Marvins Bonus: Sein Sohn ist stolz, wenn er seinen Papa bei der Arbeit in der orangenen Jacke sieht. Das gibt Marvin Selbstbewusstsein.
Dass der Familienvater an dem Programm teilnehmen kann und die Chance hat, auf dem ersten Arbeitsmarkt mittelfristig wieder Fuß zu fassen, liegt an den Bestimmungen des §16i SGBII. Am 1. Januar 2019 ist das unter dem sperrigen Namen „Teilhabechancengesetz“ bekannte Gesetz in Kraft getreten. Wie viele Menschen in Zukunft eine Chance, wie Marvin sie hat, bekommen, ist fraglich. Der Bund will die Haushaltsmittel für diese Eingliederungshilfe kürzen.
In den Projekten der Amos eG ist es möglich sowie erforderlich, sieben weitere Stellen nach SGB II §16i einzurichten: drei Stellen im Clean-Up-Projekt, drei Stellen im Amos-Shop mit Waren aus zweiter Hand und eine Stelle im Amos-Laden, in dem es Lebensmittel gibt. „Wir hoffen und engagieren uns dafür, dass diese offenen Stellen auch in Zukunft besetzt und gefördert werden“, sagt Eschweiler. „Unsere Erfahrung ist, dass diese Beschäftigten in einem gut organisierten Umfeld, in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Kollegen sowie bei klar definierten Strukturen und Leitung sich sehr gut integrieren können und hervorragende Arbeit liefern.“
Die beabsichtigten Ziele, wie Schlüsselqualifikationen wieder zu erlernen, mit Fleiß und Freude bei der Arbeit zu sein und verantwortungsbewusst einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, werden durch die angebotenen Arbeitsbereiche erreicht. Für die Amos eG ist das Förderprogramm nach SGB II §16i ein wertvolles und wirksames Programm, denn es bietet ausreichend Zeit die Beschäftigten so zu fördern, dass sie spätestens nach fünf Jahren dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen.
Die Mitarbeiter sind tariflich oder nach Mindestlohn sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Erfahrung zeigt, dass sie keine zusätzliche finanzielle Förderung benötigen. Aus dem Clean-Up-Projekt hat die Amos eG schon vier Kollegen in den Erwerbsarbeitsmarkt vermitteln können.
Unterstützung bekommt Amos von Heinsbergs Bürgermeister Kai Louis: „Paragraph 16i bietet gute Möglichkeiten, Langzeitarbeitslosen neue Einstiegschancen zu geben. So können sie wieder an die regelmäßige Erwerbsarbeit herangeführt werden.“