Appetitliche Werkschau

Alte Backformen sind die Stars der Ausstellung über Printen im Aachener Couven Museum

Das älteste Exponat der Ausstellung aus dem späten  17. Jahrhundert: Gebäckmodel aus Holz; Jesus als Wickelkind in einem Herzrahmen. (c) Andreas Drouve
Das älteste Exponat der Ausstellung aus dem späten 17. Jahrhundert: Gebäckmodel aus Holz; Jesus als Wickelkind in einem Herzrahmen.
Datum:
21. Dez. 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 51-52/2021 | Andreas Drouve

Es sind vergessene Schätze, die Kuratorin Dilara Uygun für die Ausstellung „Stille Nächte. Süße Printen“ im Aachener Couven-Museum gehoben hat: Gebäckmodel, also Backformen, die einst fein aus Holz herausgearbeitet und mit religiösen Motiven versehen wurden. Bis 6. Februar ist die Ausstellung zu sehen. Ein Streifzug durch süße, unbekanntere Seiten der Kunst- und Kulturgeschichte.

Dilara Uygun ist Kuratorin der Ausstellung. (c) Andreas Drouve
Dilara Uygun ist Kuratorin der Ausstellung.

So hat man den heiligen Nikolaus als Gabenbringer wohl nie gesehen: barfuß im weißen Kittel auf einer Leiter stehend, den Kopf unter einer Mütze, wie sie sonst nur ein Konditor trägt. Kein Rauschebart, kein Stab, keine Stiefel, nirgendwo ein rotes Gewand, nicht der Hauch eines Anklangs an seine gewohnten Attribute. Mit der linken Hand greift er nach Brezeln, Obst und gut gefüllten Gefäßen auf einem Regal. Daneben wartet der beladene Lastesel – bereit, von der himmlischen Vorratskammer auf die Erde aufzubrechen und die braven Kinder zu beschenken. Das detailverliebte Motiv ist gleich doppelt vertreten: spiegelverkehrt als hölzernes Model und formvollendet als koloriertes Marzipanbild in einem Holzrahmen. Eine wunderbare Dekoration, zu schade zum Verzehr. Das konnte auch anders aussehen. „Es war kein Sakrileg, dem Jesuskind mal den Kopf abzubeißen“, sagt Dilara Uygun und lacht. Recht hat sie. Süße Verführung ist süße Verführung, die selbstredend bis zum letzten Krümel verspeist wurde.

Für ihre erste eigene Ausstellung hat Kuratorin Uygun ganze Arbeit geleistet. Fündig wurde die 30-jährige Historikerin bei den Gebäckmodeln in der Städtischen Sammlung Aachen und örtlichen Printenbäckereien, die dafür gewissermaßen „Keller und Dachböden“ durchforsteten, hält sie vor Augen. So kamen für die Ausstellung „Stille Nächte. Süße Printen. Bilder und Bräuche seit dem Biedermeier“ Schätze zutage, die sonst im Verborgenen schlummern. Die Exponate – insgesamt 125 – sind nicht in einem separaten Bereich gebündelt, sondern in Vitrinen trefflich in die Museumsräume eingebettet. Generell spaziert man in dem historischen Haus am Hühnermarkt durch die Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts. Zugaben zu den Modeln sind Christbaumschmuck von anno dazumal, Kinderspielzeug und zwei Krippen.

Urheberrecht spielt in der früheren Zeit keine Rolle

Stechwerkzeuge zur Herstellung von  sogenannten Gebäckmodeln. (c) Andreas Drouve
Stechwerkzeuge zur Herstellung von sogenannten Gebäckmodeln.

Gebäckmodel, so erfährt man beim Rundgang, konnten aus Holz, Gips, Ton, Schiefer, Kalkstein, Zinn oder Messing bestehen. Ab der frühen Neuzeit bevorzugten Formstecher und Bäcker robuste, feinfaserige, vergleichsweise leicht zu bearbeitende Harthölzer wie Ahorn, Erle, Birn-, Kirsch- und Nussbaum. In die fertigen Formen – vergleichbar mit Schablonen – kam Marzipan ebenso wie die entsprechende Teigmasse für Spekulatius, Lebkuchen, Printen und anderweitiges Festtagsgebäck wie Springerle aus einem Anis-Eierschaumteig.

Was bei den Formen hervorstach, war die Ausgestaltung mit religiösen Motiven. Zu Zeiten, in denen Urheberrechte keine Rolle spielten, übertrug man mit Hilfe von geschwärztem Pauspapier schlichtweg die entsprechenden Vorlagen von Kupferstichen, Bilderbögen, Andachtsbildern, Zunftkarten. Abkupfern war also Usus und das Ganze dennoch eine Kunst für sich, wie die Station im Fliesenzimmer des Museums belegt. Dort sind Stechwerkzeuge zur Herstellung von Modeln ausgestellt und vertiefende Informationen auf einer Tafel zu lesen, die Bezüge zur Printenstadt Aachen geben: „Gegenüber den kleineren Spekulatiusmodeln mit einfachen volkstümlichen Motiven waren die Printenmodel meist deutlich größer und aufwendiger gestaltet. Für sie stand der ganze Fundus der christlichen Festmotivik von Weihnachten, Ostern und Pfingsten zur Verfügung. Auch Heiligendarstellungen, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament sowie christliche Symbole wurden, manchmal noch eingefasst mit kleinteiligen Zierrahmen, in den Model gekerbt.“

Die Vorlagen für das Bildergebäck ziehen sich wohl dosiert durch die Ausstellung. Da begegnet man Nonnen in fein ziselierten Ordensgewändern und einem Christkind in Engelsdarstellung. Da steht man der Heiligen Familie beim Auszug aus Jerusalem gegenüber und einer Madonna mit Kind. Da blickt man auf einen bestens gelaunten Weihnachtsmann und den heiligen Nikolaus im Bischofsornat. Aus Qualitätsgründen verzeihlich ist, dass einzelne Stücke nicht der vorgegebenen Zeit des Ausstellungstitels „seit dem Biedermeier“, also dem 19. Jahrhundert, entsprechen. Deutlich älter ist eine Darstellung von Jesus als Wickelkind, eingefasst in einen Herzrahmen. Der Säugling, fest mit Stoffbinden umwickelt, wirkt wie eine winzige Mumie. Dies ist das älteste Holzmodel der Städtischen Sammlung Aachen und stammt aus dem späten 17.Jahrhundert. Ebenfalls bereichernd ist ein achtzackiger Stern mit den Heiligen Drei Königen aus dem 18. Jahrhundert.

Leider waren nicht überall Datierungen möglich, so wie bei der Szene um den Neugeborenen im Stall zu Betlehem, die auf Basis eines Gipsabgusses aus Marzipan gestaltet und koloriert wurde. Das Marzipan ist laut Dilara Uygun nach einer vorsichtigen Handschuhprobe im Vorfeld der Ausstellung „immer noch weich“. Doch sie gibt zu bedenken: „Früher war die Lebensmittelfarbe sicher nicht auf dem Stand von heute.“

Eindrücke aus der Ausstellung

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