Ansprechpartner in der Ungewissheit

Drei Sozialbetreuer kümmern sich in der Gemeinde Simmerath um geflüchtete Menschen

Quttaiba Diab (rechts) ist einer von drei Sozialbetreuern für Geflüchtete in der Gemeinde Simmerath. (c) Stephan Johnen
Quttaiba Diab (rechts) ist einer von drei Sozialbetreuern für Geflüchtete in der Gemeinde Simmerath.
Datum:
6. Nov. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 45/2024 | Stephan Johnen

Vor dem Bürgerkrieg in Syrien hat Quttaiba Diab Englisch studiert – und für die Vereinten Nationen gearbeitet. Er war viel in den Flüchtlingslagern an der syrisch/israelischen Grenze unterwegs, in denen seit 1948 die palästinensischen Flüchtlinge Zuflucht suchten. Ein Schicksal, das der Student gut kannte: Seine Familie flüchtete 1948 während des Palästinakrieges nach Syrien. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges machten sich Quttaiba Diab und seine Brüder auf den Weg. Seit zehn Jahren ist er in Deutschland, die Asylanträge der Brüder wurden genehmigt. Quttaiba Diab weiß, wie sich Flucht und Ankunft in der Ungewissheit anfühlen. Er hatte Angst, hat Schreckliches erlebt, einen Bruder verloren. „Ich war wie du. Hab Geduld, glaub an die Zukunft“, sagt Diab während eines Gesprächs einem jungen Iraker, der in einer Unterkunft der Gemeinde Simmerath lebt.

Quttaiba Diab arbeitet für die Gemeinde als Sozialbetreuer. Er ist verheiratet, hat eine Familie, sein Sohn geht aufs Gymnasium. Einer seiner Brüder studiert in Koblenz, der zweite lebt in Aachen. „Ich kann nicht sagen, ich bin ein Deutscher. Aber meine Kinder sind es, sie wurden hier geboren und kennen nur Deutschland“, sagt er. Zwei weitere Kollegen und ein Hausmeister gehören zum Team, das die Geflüchteten in den Einrichtungen der Gemeinde betreut. „Uns ist wichtig, dass wir die Menschen, die zu uns kommen, nicht sich selbst überlassen. Unsere Sozialbetreuer sind Ansprechpartner für die verschiedenen Anliegen“, sagt Bürgermeister Bernd Goffart.

Das Team hat die Gemeinde mit Blick auf immer weiter steigende Zuweisungszahlen ins Leben gerufen. Eine freiwillige Ausgabe, für die es keine Unterstützung vom Bund gibt. Seit zweieinhalb Jahren ist das Team im Zweischichtsystem von 8 bis 21 Uhr im Einsatz. Die Mitglieder helfen den Menschen bei Formularen, begleiten sie zum ersten Einkaufen, zur Bank, zum Job-Center und zur Ausländerbehörde, um zu vermitteln, wie die Dinge im Alltag strukturiert sind und funktionieren. Sie unterstützen die Menschen mit Aufenthaltstitel bei der Suche nach Arbeit und einer Wohnung.

Ob sich die Gemeinde diesen Personalaufwand leisten kann? „Ich halte es für nicht richtig, dass wir alles selber zahlen müssen. Aber wir wollen uns das leisten. Es ist im Grunde ein Skandal, dass man uns vor Ort mit so vielen Dingen alleine lässt. Aber unsere Investition ist aus zweierlei Sicht gut: für die Bevölkerung, aber auch für die Menschen, die zu uns kommen“, stellt Bürgermeister Bernd Goffart klar.

Zwei Dinge sind für ihn wichtig: Möglichst zentrale Unterkünfte und Akzeptanz in der Bevölkerung. „Wenn man den Kontakt nicht verlieren will, braucht es Menschen, die nach den Geflüchteten schauen, die gleiche Sprache sprechen“, sagt Goffart. Dass auch die größeren Unterkünfte durchweg eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung hätten, sei nicht zuletzt „aufgrund der herausragend guten Arbeit“ des Teams so. „Es gibt faktisch keine Probleme in der Nachbarschaft“, sagt der Bürgermeister. Gleichzeitig vermitteln die Sozialbetreuer die Leitplanken für das Zusammenleben, sie stehen soweit wie möglich mit Rat und auch Tat zur Seite, erklären Besonderheiten wie die Mülltrennung und die Behördenstruktur. „Unsere Sozialbetreuer sind freundliche Menschen mit Vorbildfunktion, die sich einer hohen Akzeptanz erfreuen und die zeigen, dass man es als Geflüchtete schaffen kann, für eine Kommunalverwaltung zu arbeiten“, sagt Bernd Goffart. Und als Folge der Betreuung vermeidet Simmerath bisher hohe Folgekosten für die Beauftragung externer Unternehmen, beispielsweise für Sicherheitsdienste.

„Wenn die Menschen Fragen haben oder Hilfe benötigen, fragen sie uns. Als ich hier neu war, habe ich auch Hilfe benötigt, hatte Fragen“, sagt Quttaiba Diab. An diesem Tag hat sich Hussein Sabah Thamer al Hassan an den Sozialbetreuer gewandt. Er besucht einen Integrationskurs und würde gerne eine Weiterbildung machen, aber die Prüfung seines Verfahrens läuft noch. Seit zwei Jahren ist der 22 Jahre alte Iraker in Deutschland, seine Familie, sagt er, sei im Irak getötet worden. Ein Zurück gebe es für ihn nicht. „Reden hilft unheimlich viel“, weiß Quttaiba Diab. Auch wenn die Themen oft traurig und emotional seien. „Ich kann es nicht immer schaffen, den Menschen zu helfen, aber ich probiere es. Das ist nicht nur eine Arbeit für mich.“