Der siebenjährige Miran schaut neugierig auf das silberglänzende Ding, das Ärztin Lina Niebes in der Hand hält. „Darf ich auch mal? “, flüstert er aufgeregt. Vorsichtig hält sie das Stethoskop an seine Brust. „Und? Kannst Du es hören?“, fragt sie. Miran lauscht, die Stirn konzentriert, die Augen voller Erwartung – bis sie plötzlich leuchten. „Ich hör’ mein Herz!“, ruft er begeistert. Ein Augenblick, der zeigt, worum es hier geht: Staunen statt Angst, Neugier statt Unsicherheit.
„Wir möchten Kindern zeigen, dass Medizin nichts Bedrohliches ist“, sagt Initiatorin Lina Niebes, Ärztin im Stolberger Bethlehem-Krankenhaus. „Viele Kinder haben Angst vor Arztbesuchen – wir wollen diese Angst spielerisch nehmen.“ Für zwei Tage hat sie neun Kolleginnen und Kollegen mobilisiert, die ehrenamtlich ihren Dienst in der Teddyklinik im D-Hof antreten.
Zwischen Kuscheltieren, bunten Pflastern und Ärzte-Kitteln wuseln Kinder im Grundschulalter durcheinander. Jeder hat einen kleinen Panda im Arm – mit eigener Krankenakte, in der Stempel für jede Station gesammelt werden: Herz und Lunge abhören, Blut abnehmen, Wunden versorgen, Zähneputzen und richtig Händewaschen und unden.
Die Teddyklinik ist Teil der Gesundheitswoche im Rahmen des Projekts Let’s move, das die Offene Tür seit über zehn Jahren trägt. Bewegung, Ernährung, Entspannung, Nachhaltigkeit und naturnahe Angebote in den eigenen Gärten – alles kostenlos und niedrigschwellig. Besonders wichtig in einem Stadtteil, in dem fast jedes zweite Kind in Armut lebt.
„Gesundheit darf aber kein Luxus sein“, sagt Einrichtungsleiterin Sandra Jansen. „Wir wollen, dass Kinder verstehen: Ihr Körper ist wertvoll – und sie selbst sind es auch.“
Vor der Tür, neben dem blau aufleuchtenden Rettungswagen, steht Rettungssanitäter Felix Beckers und erklärt, was eine Vakuumtrage ist. „Die ist wie eine Matratze, die sich um dich kuschelt“, erklärt er mit einem Lächeln auf den Lippen, während Miran eingemummelt darin liegt – überglücklich und unbeweglich.
Auch die Pandas werden fachkundig versorgt. „Sonst kommt da noch Dreck rein!“, erklärt die achtjährige Carolina, während sie den Arm ihres Plüschbären im Rettungswagen gewissenhaft desinfiziert. Später verrät sie stolz ihren Berufswunsch: „Ich will Ärztin werden!“ Notfallsanitäterin Anne Schuler steht neben ihr und freut sich über die Begeisterung: „Es ist richtig schön, wenn wir den Kindern lebensrettende Technik ganz in Ruhe und kindgerecht erklären können. Und ganz nebenbei fördern wir dabei Nachwuchs,“ sagt sie und lächelt.
Für viele Mädchen und Jungen ist der D-Hof längst ein zweites Zuhause geworden – ein Ort, an dem sie mitreden dürfen, ernst genommen werden und Gemeinschaft erleben. „Armut bedeutet oft weniger Chancen“, sagt Jansen. „Wir wollen die Welt der Kinder größer und bunter machen.“ Rund 250 Kinder haben an den beiden Tagen die Teddyklinik besucht, Ärzte hautnah erlebt. „Die Resonanz war überwältigend“, freut sich Projektleiterin Simone Jansen. „Wir haben das ernste Thema Arztbesuch mit Leichtigkeit, Spaß und ganz viel Herz vermittelt.“
Am Ende verlässt Miran die Teddyklinik mit einem blauen Verband an der Hand, einem kleinen Kulturbeutel gefüllt mit Pflastern, Seife, Zahnbürste – und einem plüschigen Panda, der jetzt wieder ganz gesund ist. Möglich wurde dieses kleine Geschenk an jedes Kind nur durch eine großzügige Spende. „Mein Panda hat nur ein bisschen Angst gehabt“, erklärt er ernst. Dann lacht Miran, rennt los – und winkt. Ein Herzschlag voller Zuversicht hallt nach.
Ein Gespräch mit Sandra Jansen, Leiterin der Offenen Tür D-Hof
Frau Jansen, warum war es Ihnen wichtig, die Teddyklinik im D-Hof umzusetzen?
Gesundheit ist für uns ein zentraler Baustein unserer Arbeit. Wir erleben täglich, dass Arztbesuche für viele Kinder mit Angst und Schmerzen verbunden sind. Als Dr. Lina Niebes mit der Idee der Teddyklinik auf uns zukam, waren wir sofort begeistert. Viele Familien, die zu uns kommen, leben in schwierigen Verhältnissen – mit belasteten Gesundheitsbiografien, chronischen Krankheiten oder Langzeiterkrankungen. Genau da wollen wir ansetzen und Zugänge schaffen, die Mut machen.
Was erleben Sie in dieser besonderen Woche mit den Kindern?
Am meisten berühren mich die Faszination und die strahlenden Augen. Die Resonanz ist riesig. Besonders bewegend war ein Moment, als ein Kind vor Rührung Tränen in den Augen hatte, weil es zum ersten Mal den eigenen Herzschlag gehört hat. Da wird deutlich, wie viel Bildung im ganzheitlichen Erleben steckt – und vielleicht entsteht hier sogar Lust auf einen späteren Beruf im medizinischen Bereich.
Wie fügt sich das Projekt in Ihre Arbeit im Stadtteil ein?
Im D-Hof geht es immer um ganzheitliche Förderung – körperlich, seelisch und sozial. Gesundheitsförderung bedeutet für uns, Kinder stark zu machen und ihnen zu zeigen: Du bist wertvoll, dein Körper ist wichtig. Wir erleben täglich, dass Armut oft auch Gesundheit betrifft. Deshalb ist uns wichtig, dass Kinder erfahren: Gesundheit darf kein Luxus sein.
Und was bedeutet dieses Projekt für Sie als kirchliche Einrichtung?
Wir möchten mit unserer Haltung und unserer Art, Menschen zu begegnen, die frohe Botschaft erfahrbar machen – nicht nur in Worten, sondern durch Taten. Wenn Kinder hier staunen, lachen und lernen, dann spüren sie: Ich bin gemeint. Das ist für mich gelebte Kirche.
Unser Ziel ist es, die Welt der Kinder ein wenig bunter und weiter zu machen und jedem zu vermitteln: Du bist geliebt, so wie Du bist!