Martin Schulz ist Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung und ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments. Am Rande des 1. Bundeskongresses katholischer und evangelischer Schulen hat die KirchenZeitung die Gelegenheit genutzt, mit ihm über die Bedeutung christlicher Schulen in Zeiten aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen zu sprechen.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Schulen für die Gesellschaft?
Schulz: Die Vereinzelung, die wir in der Gesellschaft erleben, findet sich in den Schulen wieder. Deshalb müssen wir in den Schulen mehr auf Gemeinschaft setzen. Das Prinzip, dass man gemeinsam stärker ist als allein, sollte auch in der Erziehung eine größere Rolle spielen. Was mir aber am meisten Sorgen macht, ist Folgendes: Es gibt immer mehr Elternhäuser, die die Lösung gesellschaftlicher Probleme an die Schule delegieren. Das wird auf Dauer nicht funktionieren.
Die Gesellschaft scheint allerdings vielfach gespalten, die Gemeinschaft wird oft von Rechtspopulisten auseinanderdividiert. Wie können Schulen ein Ort sein, jungen Menschen die Gefahren von Extremismus zu verdeutlichen?
Schulz: Das ist die schwierigste Frage, die man heute stellen kann. Die Schulen können dazu beitragen. Dort muss man Leistung zeigen, wenn man vorankommen will. Darüber hinaus können Schülerinnen und Schüler die Wirkung von Solidarität und Gemeinschaft erfahren. Anerkennung in einer Gruppe erreicht man nicht durch Stärke, sondern durch Toleranz und Respekt.
Tiktok ist für viele jungen Menschen der Kanal, auf dem sie sich informieren. Dort findet sozusagen politische Meinungsbildung statt. Oft aber auch vermischt mit Fake News. Stichwort: Medienkompetenz. Ist das auch ein Auftrag für die Schulen?
Schulz: Davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Ich würde mir wünschen, dass in den Schulen ein Fach eingeführt wird, das sich mit dem Umgang mit Social Media beschäftigt. Dazu gehört auch zu erkennen, was erlaubt ist und was nicht. Früher habe ich im Unterricht Filme analysiert. Warum sollte man heute nicht auch Tiktok-Clips anschauen und analysieren?
Welchen besonderen Beitrag zur Stärkung demokratischer Werte leisten christliche Schulen?
Schulz: Christliche Schulen fordern ihre Schülerinnen und Schüler, geben ihnen aber auch Orientierung. Religionen wirken in die Gesellschaft hinein, sie geben den Menschen Orientierung und Halt. Die Welt ist schwierig, das Leben ist hart, der Glaube hilft, Halt zu finden. Kirchliche Schulen sind eine Chance, diesen Halt zu vermitteln.
Das Gespräch führte Paul Arns.