Die Zukunft beginnt heute. 60 Frauen und Männer trafen sich in der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen zum Barcamp. Ein für viele ungewohntes, erfrischend anderes Format, Wissen und Werte miteinander zu teilen: Die Gäste bringen ihre Themen mit, die Tagesordnung organisiert und sortiert sich somit fast von selbst, greift aktuelle Schwerpunkte auf.
Mit und mit zieht dieses Beratungsformat, das aus einer lebendigen Gründerszene bekannt ist, auch in kirchliche Kreise ein. Jugendverbände haben es bereits vorexerziert, aber auch in die Erwachsenwelt sickert das Barcamp als Methode zunehmend ein. Es ermöglicht, gleichzeitig über viele verschiedene Dinge zu sprechen und zwar über genau die Themen und Fragen, welche die Leute im Gepäck haben. Der Austausch erfolgt mit einer besonderen Haltung. So gibt es nicht nur „Teilnehmer“, sondern „Teilgeber“.
Das Zepter liegt ganz in den Händen der Gäste. Der Veranstalter sorgt vor allem für einen guten und gastlichen Rahmen, für Räume, Medien – und für ein stabiles W-Lan! Ein Teil der Tagung findet nämlich im Internet statt, geöffnet für Dritte, aber insbesondere, damit man selbst noch besser mitkriegt, was rechts und links von einem geschieht. Denn das ist auch klar: Jenseits des klaren Rasters von Runden, in denen fokussiert in Kleingruppen über selbst mitgebrachte Themen diskutiert wird, gibt es wenig Verbindendes. Die Szenerie ist unübersichtlich, vieles geschieht nebeneinander. Da hilft es sehr, Impressionen auf Twitter zu verfolgen und Notizen auf speziellen digitalen Pinnwänden nachlesen zu können. Während der Tagung wächst dieser Datenberg, eine Art Steinbruch, aus dem sich jeder das mitnehmen kann, was er für seine Arbeit, sein Engagement und sein Leben braucht.
Gleichwohl trägt eine solche Tagung doch reichlich analoge Momente in sich. Wie bei anderen Versammlungen ist das, was zwischen den Beratungen geschieht, das vermutlich Wichtigste. Lange stehen die Teilgeberinnen und Teilgeber beim Kaffee zusammen. So sehr sich manches Geschehen in den digitalen Raum verlagert, viele Gäste auch mit ihren Geräten häufiger Ausflüge zu anderen Orten, Personen, Themen machen – am Stehtisch treffen sich dann doch alle.
Ganz unverhoffte, überraschende Begegnungen mit Personen und Sichtweisen jenseits der eigenen Filterblase ermöglicht so ein Barcamp. Das Netzwerk Weiterbildung in der StädteRegion Aachen hatte nicht nur Pädagogen, Berater und Start-up-Vertreter am Start. Sondern es tummelten sich auch zum Beispiel Blogger und Seelsorger in der Akademie. Wie Albert Altenähr. Der 77-jährige Benediktinerpater aus Kornelimünster beeindruckt eine gar nicht so kleine Gemeinschaft auf Facebook mit geistlichen Impulsen und schönen Impressionen rund um die Abtei.
Er bekannte, sich als „integrierter Fremdkörper“ unter den Teilgebern zu fühlen. Und hatte doch so einiges im Austausch über Werte- und Glaubensvermittlung beizutragen. Denn auch das war ein Thema im schillernden Spektrum des Barcamps: Wo steht eigentlich die Kirche im Prozess der Digitalisierung? Dringt sie noch mit ihren Botschaften durch? Die einmütige Diagnose: eher nicht. Aber spannend andererseits: Auch nicht katholisch sozialisierte Gäste wiesen der Kirche noch eine wichtige Rolle zu im Oberthema des Tages: Wie den digitalen Wandel menschenfreundlich gestalten?
Aus dieser und 15 anderen Sitzungen wurden ein paar Teilergebnisse gebündelt und aufgenommen. Es war an der Aachener Autorin und Beraterin Andera Gadeib, mit einem Vortrag ein paar Fäden zusammenzubinden. Sie rief auf, sich der Digitalisierung offen zu stellen, die eigene Komfortzone zu verlassen und informiert über den richtigen Weg zu streiten. Maschinen und Algorithmen würden immer mehr Routinearbeiten übernehmen, aber die menschliche Kraft, Probleme zu lösen, sei eher schwer zu ersetzen. Folgerichtig forderte Andera Gadeib, Kinder schon im frühen Alter zu fördern und zu qualifizieren. Neben den technologischen Kompetenzen hatte sie dabei auch die Selbstständigkeit und Selbstsicherheit des Nachwuchses im Blick.