„Am Anfang waren wir allein“

Das Dürener Papst-Johannes-Haus hat sich zum regionalen Treffpunkt in Sachen Ukraine entwickelt

Der Verein COD unterbreitet Angebote für alle Alters-gruppen – vom Sprachkurs bis zum Kreativ-Workshop. (c) COD e. V.
Der Verein COD unterbreitet Angebote für alle Alters-gruppen – vom Sprachkurs bis zum Kreativ-Workshop.
Datum:
28. Feb. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 09/2024 | Stephan Johnen

Auf der Suche nach einem Treffpunkt, der zugleich eine Beheimatung ermöglicht, wurden viele Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Kreis Düren in der GdG St. Lukas fündig (siehe Interview mit Pfarrer Hans-Otto von Danwitz). Im Papst-Johannes-Haus, gleich neben der Dürener Annakirche, gibt es seit Weihnachten 2022 ganz unterschiedliche Angebote – von der Hausaufgabenhilfe über eine Theater-Gruppe bis zum Senioren- und Frauentreff für Geflüchtete aus der Ukraine. Viele der Angebote stehen auch den Gemeindemitgliedern sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen.

Zu den ersten Gruppen, die in der Pfarre nachgefragt haben, zählt der ukrainische Verein COD. „Wir waren ein Zusammenschluss von Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufen, die sich in Düren kennengelernt haben und gemeinsam etwas anbieten wollten, auch um sich besser integrieren zu können“, berichtet Vorstandsmitglied Olena Shchehlova. Pädagogen waren mit an Bord, aber auch Künstler und Manager, die allesamt vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet waren und sich Stück für Stück etwas aufbauten. Im Sommer 2023 wurde der Verein dann offiziell eingetragen.

„Unser erstes Hauptziel war es, die Ukrainer zu vereinen. Wir boten Treffen an, damit wir gemeinsam diese schwierige Zeit besser verarbeiten können“, berichtet Olena Shchehlova. Als immer mehr Kinder und Jugendliche an der Rur ankamen, wurde den Verantwortlichen bewusst, dass die Möglichkeiten an Sprachkursen und vorhandenen Angeboten entweder noch stark begrenzt waren oder die Sprachbarrieren ein Miteinander stark erschwerten. „Aus diesem Grund haben wir begonnen, eigene Aktivitäten anzubieten“, blickt Vorstandsmitglied Olha Fryndak zurück.

Vermittelt werden Kindern und Jugendlichen auch ukrainische Traditionen. (c) COD e. V.
Vermittelt werden Kindern und Jugendlichen auch ukrainische Traditionen.

Zu diesem Zeitpunkt reifte auch die Entscheidung, für eine bessere Integration einen eingetragenen Verein zu gründen. „Die Vereinsgründung war der Schlüssel, um besser mit offiziellen Organisationen zusammenarbeiten zu können und an Projekten teilnehmen zu können“, sagt Olena Shchehlova.

Neben den Kindern und Jugendlichen rückten auch Frauen sowie Seniorinnen und Senioren in den Fokus. Mit Unterstützung der Caritas entstanden spezielle Angebote. Es gab eigene Sprachkurse und Angebote, bei denen beispielsweise Techniken vermittelt werden, um Stress abzubauen und das zum Teil Erlebte besser verarbeiten zu können. Gerade für die Frauen, die zwar mit ihren Kindern in Sicherheit leben, ist die Belastung, nicht zu wissen, wie es den zum Teil in der Heimat kämpfenden Männern geht, gewaltig. 

Zu den Angeboten des Vereins COD zählen unter anderem ein Kindertheaterprojekt und ein Sprachcafé. Kinder und Jugendliche haben bereits mehrere Ausstellungen gestaltet und nahmen am Kinderkarnevalszug Ende Januar in Düren teil. Der „Kinderclub“ findet jeden Sonntag von 12 bis 15 Uhr im Papst-Johannes-Haus statt. Es geht zum einen um die Vermittlung und Pflege der ukrainischen Identität, die Kinder und Jugendliche dank der Kooperation mit vielen Vereinen lernen, aber auch viel über das Leben im Kreis Düren und Deutschland. Weitere Gruppen bieten Gesellschafts- und Brettspiele an – auch deutsche Jugendliche sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen. „Am Anfang waren wir alleine und konnten zum Teil kein Wort Deutsch sprechen. Aber wir wollen uns immer weiter öffnen“, erklärt Olena Shchehlova.

 

Das ukrainische Kulturzentrum Stegjina bietet unter anderem Sprachkurse in der Krypta der Annakirche an. (c) COD e. V.
Das ukrainische Kulturzentrum Stegjina bietet unter anderem Sprachkurse in der Krypta der Annakirche an.

Aktuell plant der Verein mit einem Regisseur aus Köln ein Theater-Angebot für deutsche und ukrainische Kinder und Jugendliche. Gesucht werden auch (Sport-) Vereine, die beispielsweise ihre Angebote vorstellen. Der Luftsportverein Düren-Hürtgenwald hat im vergangenen Jahr Kinder und Jugendliche zu kostenlosen Rundflügen eingeladen – eine unkomplizierte finanzielle Förderung gab es über das Programm des Landessportbunds „1000 x 1000“, berichtet der Vereinsvorsitzende Ralf Pirig. Ebenfalls in diesem Jahr möchte der Verein COD einen „Infopunkt“ initiieren, der Geflüchtete dabei unterstützen soll, ihr Wissen an andere weiterzugeben und das Ankommen in Deutschland somit erleichtern soll.

Eine zweite Gruppe, die sich regelmäßig in der dafür eigens mit mehr Tischen und Stühlen versehenen Krypta der Annakirche trifft, ist das ukrainische Kulturzentrum Stegjina, ein Zusammenschluss von sieben Erwachsenen, die seit einem Jahr rund 65 Kinder und Jugendliche betreuen. „Wir möchten die Integration unserer Leute in Deutschland erleichtern“, sagt auch Dmytro Servetnyk. Die Freiwilligen organisieren Sprachunterricht ebenso wie Ausflüge und gemeinsame Aktivitäten. Dmytro Servetnyk hat bereits in der Ukraine Sprachkurse belegt und weiß, wie schwierig es ist, Deutsch zu lernen – und wie wichtig es gerade für die Kinder ist. Doch das Angebot soll weiter ausgebaut werden, um beispielsweise Sprachkurse für geflüchtete Rentner anzubieten. „Wir sind dankbar, dass wir hier in Sicherheit leben dürfen“, sagt Dmytro Servetnyk. „Wir sind wegen der Sicherheit für unsere Kinder gekommen. Sie sind unsere Zukunft. Jetzt müssen wir alles für die beste Integration machen.“

„Dies ist unser Weg, den Menschen zu helfen“

Hans-Otto von Danwitz (c) Stephan Johnen

Vier Fragen an Hans-Otto von Danwitz, Pfarrer an St. Lukas Düren  

Das Papst-Johannes-Haus in Düren hat sich zum Treffpunkt geflüchteter Ukrainer aus dem gesamten Kreisgebiet entwickelt. Wie kam es dazu?

Vorletztes Weihnachten hatten sich Ukrainerinnen gemeldet, die mit ihren Kindern Bilder gemalt hatten und einen Ort für eine Ausstellung suchten. Da es vor allem Engelsbilder waren, haben wir gerne die Annakirche zur Verfügung gestellt und eine offizielle Ausstellungseröffnung mit Musik und Tanz organisiert. Damit war der Grundstein des Kennenlernens gelegt. 

 

Wie ging es weiter?

Das Angebot ist immer breiter und größer geworden. Zuerst gab es eine Kindergruppe, der wir einen Raum im Papst-Johannes-Haus gegeben haben. Dann kam eine Frauengruppe hinzu, dann eine Seniorengruppe. Die Ukrainer haben sonst keinen adäquaten Platz in der Stadt gefunden, da sind wir eingesprungen. Als Pfarrei engagieren wir uns nicht, indem wir zu großen Spendenaktionen aufrufen oder Hilfstransporte auf den Weg schicken. Wir haben beschlossen, dass dies unser Weg ist, den Menschen das Gefühl von Annahme und Beheimatung zu vermitteln. Als wir im Gemeindezentrum nicht mehr genug Platz hatten, haben wir Stühle und Tische in die Krypta der Annakirche getragen, wo sich nun ebenfalls Kinder und Jugendliche für Angebote treffen.  

 

Werden die Angebote auch von Mitgliedern aus der Pfarrei genutzt?

Es gibt durchaus einen Austausch. Die Pfadfinder der DPSG Wildgänse St. Anna sind im Sommer mit ukrainischen Kindern ins Lager gefahren. Auch über die Jugendarbeit „Annacover“ gibt es Kontakte ins Papst-Johannes-Haus, die über das reine Raumangebot hinausgehen. Wir werben für die Idee, unsere Jugendarbeit mehr mit den Aktivitäten der ukrainischen Gruppen zu verbinden. Im Pfarr-Newsletter und allen Publikationen weisen wir stets auf die Angebote hin, und es kommen auch Menschen aus der Pfarrei, die was wahrnehmen.

 

Gab es Vorbehalte, das Gemeindezentrum zu öffnen?

Nein. Das Papst-Johannes-Haus ist ja schon lange gleichzeitig auch Raum für Deutschkurse anderer Geflüchteter. Fünf Mal pro Woche wird dort unterrichtet. Wir sind auch in der Flüchtlingsberatung aktiv und mindestens eine Person ist ständig im Kirchenasyl. Wir möchten aber auch ein spirituelles Angebot unterbreiten. Der ukrainische Priester, der in Aachen die Gottesdienste für die neue ukrainische Gemeinde hält, aber in Heimbach wohnt, wird ab März einmal im Monat einen Gottesdienst in ukrainischer Sprache in Düren feiern.

Das Gespräch führte Stephan Johnen.