Als Gemeinschaft unterwegs

Seit 250 Jahren pilgert die Eilendorfer Kevelaer-Bruderschaft in den Sommerferien zu Fuß nach Kevelaer

Besonderer Moment: Der Einzug in Kevelaer mit Vortragekreuz, Fahnen und Glockengeläute. (c) Kevelaer-Bruderschaft Eilendorf
Besonderer Moment: Der Einzug in Kevelaer mit Vortragekreuz, Fahnen und Glockengeläute.
Datum:
22. Mai 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 21/2024 | Andrea Thomas

Mit Erscheinungsdatum dieser Ausgabe sind es noch genau sechs Wochen bis zu den Sommerferien. Für viele heißt das: Urlaub! Für zahlreiche Eilendorfer heißt das auch: Kevelaer! Vom 11. bis 17. August sind sie unterwegs von Aachen an den Niederrhein und wieder retour. Eine Tradition seit 1774 und bei Weitem keine, die nur „ältere Herrschaften“ pflegen.

Michael Hermanns (l.) und Matthias Koenig mit alten Fotoalben. So lange es jemanden gibt, der alles organisiert, ist ihnen um die Wallfahrt nicht  bange. (c) Andrea Thomas
Michael Hermanns (l.) und Matthias Koenig mit alten Fotoalben. So lange es jemanden gibt, der alles organisiert, ist ihnen um die Wallfahrt nicht bange.

„Ich bin schon als Kind mit neun Jahren zum ersten Mal mitgegangen“, erinnert sich Matthias Koenig. Das war zu Beginn der 1990er-Jahre, und da sei das noch eine „Prozession mit älteren Herrschaften“ gewesen. Seitdem hat sich viel gewandelt, hätten immer mehr Jüngere und vor allem auch Familien das Wallfahren nach Kevelaer für sich entdeckt, berichtet der heutige Brudermeister der Kevelaer-Bruderschaft Eilendorf. „Zum Teil sind sie, so wie ich, über die Eltern dazugekommen und dabeigeblieben.

Ein Punkt ist aber sicher auch, dass wir im Gegensatz zu anderen Bruderschaften immer in den Sommerferien pilgern, was es auch für Familien attraktiv macht.“ Kinderwagen sind keine Seltenheit, wenn sich die Prozession von der Kirche St. Severin auf den Weg ins gut 100 Kilometer entfernte Kevelaer macht. Das hat auch Michael Hermanns, der sich in der Bruderschaft um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, und seine Familie letztlich überzeugt. „Wir haben zwei, drei Jahre gezögert, weil wir nicht die sportlichste Familie sind“, erzählt er. „Aber wir wohnen direkt an der Route, die die Pilger bei ihrer Rückkehr nehmen, und als ich da ein Paar gesehen habe, das einen Kinderwagen vor sich herschob, wusste ich: Das schaffen wir auch.“

So ist über die Jahre eine bunte Pilgerschar quer durch alle Altersgruppen entstanden, von einem bis über 90 Jahre. Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre hätten sie ihren Höhepunkt mit über 110 Pilgerinnen und Pilgern gehabt. Vor Corona seien sie stabil 50 bis 60 Personen gewesen, dann habe es einen leichten Knick gegeben, berichtet Matthias Koenig, bei dem die organisatorischen Fäden zusammenlaufen. Fürs Jubiläumsjahr rechnet er wieder mit einer größeren Gruppe.

Was macht den Reiz aus, an einem Sonntagmorgen um sechs Uhr in der Früh aufzubrechen, um drei Tage lang täglich gute 30 Kilometer zu Fuß zu laufen und dann das Ganze wieder zurück? Zumal der Weg nicht nur idyllisch durch die Natur, sondern oft genug entlang der Straße verläuft. „Das muss man mal erlebt haben“, sagen Matthias Koenig und Michael Hermanns fast aus einem Mund. Pilgern sei eine besondere Erfahrung, aus der jeder etwas für sich persönlich mitnehme. Es sei die Gemeinschaft mit anderen, tagsüber beim Laufen, im gemeinsamen Gebet und abends, wenn man noch zusammensitze und einen Tag ausklingen lasse. Die trage einen durch die Tage, auch dann, wenn einem der Weg lang werde. Und auch Unterhaltung und Spaß kämen bei der Wallfahrt nicht zu kurz, erläutern beide. 

Tradition und Moderne verbinden

Nicht immer ist die  Strecke schön, aber immer die Gemeinschaft gut. (c) Kevelaer-Bruderschaft Eilendorf
Nicht immer ist die Strecke schön, aber immer die Gemeinschaft gut.

Hilfreich ist sicher auch, dass sie ihr Gepäck nicht selbst tragen müssen. Früher begleitete ein Pferdegespann mit Wagen fürs Gepäck die Wallfahrt, seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat ein alter Traktor diese Aufgabe übernommen. Da mal mitfahren zu dürfen, ist für die Kinder natürlich das Größte, aber auch den Erwachsenen helfe es zu wissen, dass sie, wenn sie gar nicht mehr können, ein Stück mitfahren dürfen. Übernachtet wird in Hotels oder Jugendherbergen. Alle unterzubringen, ist eine ausgetüftelte Logistik.

Unterwegs wachsen sie zusammen. „Es ist eine Woche Gemeinschaft. Jeder kommt mit jedem mal in Kontakt, hat miteinander geredet, ist ein Stück zusammen gelaufen oder hat zusammengesessen“, sagt Matthias Koenig. Wichtig sei aus seiner Sicht, dass sie mit der Zeit gegangen seien, dass Gottesdienste, Marienlieder und der Rosenkranz immer noch dazugehören, aber alles eingebunden in eine Form, die alle Generationen anspricht. „Sonst wären wir nicht mehr über 60 Leute.“ Das ist auch der Verdienst von Monsignore Gregor Huben, ihrem geistlichen Begleiter und früheren Pfarrer. Er sei ihnen auch als Domkapitular weiter treu geblieben und gehe jedes Jahr zu Fuß mit. „Wir haben ihn zum Ehrenpräses unserer Bruderschaft gemacht, was wohl ein kluger Schachzug war“, sagt Matthias Koenig lachend. Er habe eine sehr verbindende Art, in seinen Impulsen und Gottesdiensten alle mitzunehmen.

Es ist die geistliche Erfahrung, die das Pilgern so besonders macht. „Wer nur auf der Suche nach einer Wandertour ist, würde wahrscheinlich enttäuscht“, sagt Michael Hermanns. Da gebe es schönere Strecken. Eine gewisse Gläubigket bringe jeder mit, sonst wäre er oder sie wohl nicht dabei. Innerkirchliche Debatten, die natürlich geführt werden müssten, spielten in dieser Woche keine Rolle, ergänzt Matthias Koenig. Es gehe darum, Kraft zu tanken, auch aus den traditionellen, feierlichen Formen den Glauben zu leben. Etwas, was, wie Michael Hermann es empfindet, in den Gemeinden schwierig zu finden ist, weil es dort am Personal dafür fehle. Was die Pilgertage umso wertvoller mache.

Gänsehautmoment beim Einzug

Die Kerze der Eilendorfer Bruderschaft vor dem Gnadenbild. (c) Kevelaer-Bruderschaft Eilendorf
Die Kerze der Eilendorfer Bruderschaft vor dem Gnadenbild.

„Der bewegendste Moment“ der Wallfahrt ist nicht nur für Matthias Koenig der Einzug in Kevelaer, wenn sie mit Vortragekreuz und Fahnen (zum Jubiläum ist die alte Fahne von 1910 ausgebessert und mit einer Widmung zum 250-jährigen versehen worden) die letzte Wegstrecke zur Gnadenkapelle gehen. Empfangen werden sie (wie auch bei der Heimkehr nach Eilendorf) von den Bläsern des Instrumentalvereins Eilendorf, was auch für Gänsehautmomente bei manchem sorge.

„Wenn man unter Glockengeläut an der Kapelle ankommt und dort vor dem Gnadenbild all seine Last abwirft …“ Da blieben nicht alle Augen trocken, erzählt Matthias Koenig. Für Michael Hermanns ist die Heimkehr nach Eilendorf fast noch ergreifender. „Das, was man unterwegs und in Kevelaer getankt hat, mit nach Hause zu tragen, nach einer Woche samstags wieder in der Kirche einzuziehen, von der man sonntags zuvor aufgebrochen ist, mit dem Gefühl, es geschafft zu haben.“ Das trage noch eine ganze Weile.

Zu den besonderen Erlebnissen in Kevelaer gehört auch immer das Zusammentreffen mit den Pilgerinnen und Pilgern aus Eilendorf, die mit dem Bus oder dem Auto kommen und mit der Fußpilgergruppe gemeinsam das Pontifikalamt in der Basilika St. Marien feiern. „Die füllen wir Eilendorfer dann mit rund 400 Personen alleine schon gut aus“, berichtet Matthias Koenig. Im Jubiläumsjahr wird Aachens Bischof Helmut Dieser diesen besonderen Gottesdienst mit ihnen feiern. worauf sie sich besonders freuen. 250 Jahre regelmäßig nach Kevelaer zu pilgern, dass ist nicht nur eine Leistung, sondern auch eine Tradition, die verpflichtet und die sie weitertragen wollen. „So lange es jemanden gibt, der das organisiert, wird die Wallfahrt weiterleben“, sind Matthias Koenig und Michael Hermanns sich sicher. Wer sich einmal mit dem Kevelaer-Bazillus angesteckt habe, den lasse das so schnell nicht wieder los.

Gepilgert wird im Jubiläumsjahr vom 11. bis 17. August. Höhepunkt ist das Pontifikalamt 
mit Bischof Helmut Dieser am 14. August um 11.30 Uhr in der Basilika in Kevelaer.