Alle hoffen auf Frieden

Der Krefelder Jochen Pesch war als Freiwilliger für zwei Monate in Tabgha am See Genezareth

Während seines Freiwilligendienstes verrichtet Jochen Pesch alles, was anfällt. (c) privat
Während seines Freiwilligendienstes verrichtet Jochen Pesch alles, was anfällt.
Datum:
4. Dez. 2024
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 49/2024 | Kathrin Albrecht

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die Situation in Israel weiter eskaliert. Auch vom Norden her ist die Bevölkerung durch die Hisbollah, einer weiteren islamistischen Terrororgansiation im Libanon, bedroht. Als Freiwilliger verbrachte Jochen Pesch einige Wochen in Tabgah, einem Ort am See Genezareth, der eine wichtige Pilgerstätte für Christen ist. Er schildert, wie die Situation für die Menschen, die dort leben, ist. 

Reinigungsarbeiten im Wasserbecken. Vier Freiwillige kümmern sich ums Außengelände. (c) privat
Reinigungsarbeiten im Wasserbecken. Vier Freiwillige kümmern sich ums Außengelände.

Jochen Pesch hat Mittagspause. Im Gästehaus in Tabgha ist er unter anderem zuständig für den Garten, hält die Gästezimmer instand und hat ein Auge auf die Küche – eine Art Mädchen für alles. Vor etwa 25 Jahren hat seine Liebe zum Heiligen Land begonnen, über Pfarrer Wilhelm Bruners ist er nach Israel gekommen. Seitdem hat er das Land mehrere Male besucht: „Es ist die Üppigkeit der Natur, die Archäologie, die Menschen, die ich in der Zeit kennengelernt habe, all das hat mein Leben sehr geprägt.“

Das Wort Tabgha ist eine Ableitung des griechischen Wortes „Siebenquell“. Mehrere Stätten, wie die Brotvermehrungskirche, die Primatskapelle, antike Ruinenreste der Kapelle der Seligkeiten, die an das Handeln Jesu erinnern, sind in Tabgha Anlaufstellen für christliche Pilger aus aller Welt. Er ist jetzt zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder für eine längere Zeit vor Ort. Davor war das nicht möglich. Durch Corona konnten größere Gruppen das Heilige Land und die Stätten rund um den See Genezareth – neben Tabgha sind das Kafarnaum, Bethsaida, Magdala und der Berg der Seligpreisungen  – nicht besuchen. Dann kam der Überfall der Hamas.

Auch jetzt sei es schwierig, erzählt Jochen Pesch. Seit Beginn der 1980er Jahre gibt es in Tabgha eine Behinderten- und Jugendbegegnungsstätte, doch aufgrund des Krieges ist Reisen in Israel nur sehr eingeschränkt möglich. „In den zwei Monaten, die ich vor Ort bin, ist eine Gruppe hier“, erzählt er. Außerdem ist im Gästehaus eine Gruppe missionarischer Christen, die sich um die Soldaten an der Grenze zum Libanon kümmern und für diese kochen.

Die Situation beschreibt der ehemalige Krankenhausseelsorger als ambivalent. „Wenn ich im Garten arbeite, kann ich die Flugzeuge hören, die Richtung Beirut fliegen.“ Die Menschen leben ihr Leben im Wissen, dass Krieg ist. „Einige Angestellte, die in Tabgha arbeiten, leben in der Nähe der Grenze, für sie ist es existenziell“, erzählt Jochen Pesch. 

Die Situation wird für die Menschen auch finanziell schwierig

Abendstimmung am See Genezareth.  Auch hier hinterlässt der Krieg Spuren. (c) privat
Abendstimmung am See Genezareth. Auch hier hinterlässt der Krieg Spuren.

Es gab Zeiten, da mussten sie regelmäßig die Schutzräume aufsuchen, weil die Hisbollah die Region mit Raketen beschoss. Zwischenzeitlich hatten Israel und die Hisbollah eine Waffenruhe vereinbart. Auch davor war es ruhiger geworden, erzählt Jochen Pesch. Doch für viele bleibt die Situation ungewiss. „Die Ausweglosigkeit macht vielen Angst. Sie sind froh, dass der Staat sie schützt“, sagt Jochen Pesch. Auch, wenn die Waffen einmal ruhen, bleibt unklar, ob es eine dauerhafte Aussicht auf Frieden gibt. Viele trauen sich noch nicht nach Hause. Etwa 60 000 bis 80 000 Menschen leben in Hotels, das gehe auf Dauer nicht, so entstehe kein Alltag, sagt Jochen Pesch.

Für die fünf Mönche, die in Tabgha leben, ist es wichtig, vor Ort zu sein. „Sie wollen bleiben, so lange es geht, die Menschen haben sie immer unterstützt“, unterstreicht Jochen Pesch.

Auch für die Menschen, die dort leben, sind die christlichen Gemeinschaften wichtig. An der Schmidt-Schule in Jerusalem können palästinensische Mädchen ihr Abitur machen. Doch in anderen Einrichtungen, wie dem Emmaus-Altenheim, macht sich bemerkbar, dass die Freiwilligen fehlen. Auch das Ausbleiben der Pilgergruppen macht sich finanziell bemerkbar. Jochen Pesch: „Früher kamen 60 Busse am Tag in Tabgha an. Heute sind es drei Busse in einer Woche.“ Die Einrichtungen sind zunehmend auf Spenden angewiesen. 
Auch für die Angestellten, die ihren Lebensunterhalt in Tabgha bestreiten, ist die Situation schwierig. Alle Angestellten des Gästehauses seien unbefristet in Urlaub. „Das ist ein tragischer Umstand“, sagt Jochen Pesch. 

Niemand weiß, wie sich die Situation  entwickelt

Eine Gruppe missionarischer Christen kocht für Soldaten an der libanesischen Frontlinie. (c) privat
Eine Gruppe missionarischer Christen kocht für Soldaten an der libanesischen Frontlinie.

Er hat die Hoffnung, „dass Menschen den großen Wunsch haben, dass der Krieg endet.“ Die Christen, die in Tabgha arbeiten, erzählen ihm, dass sie täglich darum beten, dass es Frieden gibt. „Wir wissen nicht, wie es sich entwickelt, wir haben es nicht in der Hand“, sagt Jochen Pesch. Aber er spürt die Zuversicht der Menschen. In der ersten Novemberwoche wurde eine Art Pfarrfest in Tabgha gefeiert, das Brotvermehrungsfest. 180 Leute wurden erwartet: „Christen aus Tiberias und Nazareth kommen, ebenso die Bischöfe aus Jerusalem“, erzählt Jochen Pesch. „Die Menschen lassen sich nicht unterkriegen. Das finde ich fazinierend und beeindruckend.“

Bis Mitte November war Jochen Pesch vor Ort, inzwischen ist er wieder zurück in Krefeld. Einerseits sei er froh, wieder in einen Alltag hineinzukommen, andererseits sei er traurig, erzählt er: „Es war eine wichtige Zeit, dort zu sein.“

Jochen Pesch weiß, dass er wiederkommen wird. Doch so schnell werde sich die Situation nicht verändern. Jochen Pesch bereitet die Begleitung von zwei christlichen Pilgergruppen zu Ostern und im Herbst vor. Ob sie wirklich reisen können, weiß er im Moment noch nicht. Wenn es nicht klappt, will er allein hinreisen.