„Das riecht hier so gut!“, ruft die sechsjährige Svea, als sie mit großen Augen den Aachener Dom betritt. Es duftet nach Weihrauch, in der Luft liegt eine feierliche Stille, durch die Fenster fällt goldenes Licht.
Nur kurz bleibt Svea stehen - ihre kleine Pilgergruppe aus Venwegen ist schon auf dem Weg, um es sich auf dem Boden des Oktogons bequem zu machen . In ihrer Hand hält sie fest den bunt verzierten Pilgerstab, den sie mit ihren Freundinnen und Freunden selbst gebastelt hat. Darauf baumeln kleine Häuser und Steine aus Pappe – Zeichen für das Leitmotiv des Tages: „Ein Haus aus lebendigen Steinen“.
Schon früh am Morgen ist die Linie 35 erfüllt von fröhlichem Gesang. Die Vorschulkinder aus der Kita Haus Maria im Venn stimmen in das Lied „Ein Haus aus lebendigen Steinen“ ein – die Vorfreude auf den großen Tag ist mit Händen zu greifen. Bei sonnigen 20 Grad machen sich rund 2000 Kinder aus dem gesamten Bistum Aachen auf den Weg in die Aachener Innenstadt. Wochenlang haben sie sich in ihren Kitas vorbereitet: mit Liedern, Geschichten, Bastelaktionen und Gesprächen über den Glauben.
„Es ist mein persönliches Highlight im Kindergartenjahr“, erzählt Tamara Baldt, Erzieherin im Montessori-Kinderhaus St. Adalbert in Aachen. „Der Tag ist so rund und gut durchdacht – das spüren auch die Kinder.“
Erster gemeinsamer Programmpunkt für die Vorschulgruppe aus Venwegen: das offene Singen in St. Foillan. Die Kinder mit ihren blauen Mützen füllen die Kirchenbänke. Domkantor Marco Fühner bringt sie zum Mitsingen und Klatschen – spätestens bei „Gott braucht sie alle – Dich und mich“ sind alle Stimmen lautstark dabei.
„Die Lieder sind einfach eingängig, und die Kinder machen sofort mit“, sagt Susanne Lörcks von der Kita St. Konrad in Aachen, die schon oft das Kinderpilgern mitgemacht hat. Zusammen mit ihren Kollegen Mika Thevissen und Pastor Bernd Schmitz begleitet sie ihre Gruppe durch den Tag. „Es ist eine intensive Zeit, die Kinder sind fasziniert. Sie erzählen noch lange davon – und auch wir schöpfen aus dem Projekt weit über diesen Tag hinaus. Ein schöner Abschluss der Kindergartenzeit."
In der Aachener Citykirche erwartet die Kinder das nächste Highlight: ein großes, rundes, rotes Erzählzelt. Ohne Schuhe, auf weichen Teppichen, in sanftem Licht – so entsteht ein Raum der Ruhe und des Staunens. Erzählerin Susanne Tiggermann von Theomobil e.V. öffnet einen alten Koffer, entnimmt eine Bibel mit vergoldeten Seiten und alter Schrift und macht damit deutlich, wie alt die Geschichten sind, die sie heute hören. „Kannst du das wirklich lesen?“, fragt Max ungläubig. Doch anstatt vorzulesen, erzählt sie frei, mit vielen Gesten und Geräuschen.
Die Kinder hören gebannt zu. Stefan Voges, Leiter des Fachbereichs Geistlich Leben im Bistum Aachen, bringt die Geschichte vom jungen Samuel zum Leben – wie er die Gerüche auf dem Marktplatz riecht, wie ihn Jesus berührt und heilt. Die Botschaft „Jesus hat alles gut gemacht“ klingt nach.
Im Herzen des Tages steht der Gottesdienst im Aachener Dom, den alle Kinder in verschiedenen Gruppen heute erleben. 500 Vorschulkinder versammeln sich im Oktogon – einem Ort, der älter ist „als eure Oma“, wie der Dompropst Rolf-Peter Cremer schmunzelnd erklärt. Die Botschaft ist klar: Wo Menschen zusammenkommen, entsteht Kirche. „Wo seid ihr mit anderen zusammen?“ – Diese kindgerechte Übersetzung des biblischen Leitverses „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ trifft den Nerv.
Danach schwirren die kleinen Glaubensentdecker aus und erkunden den Aachener Dom auf ihre Weise: Kleine Finger bringen die Orgel zum Klingen, in den Wandmosaiken werden Mäuse gesucht und in einer der Kapellen Kerzen angezündet.
Das Thema ist für viele Kinder greifbar geworden: Leopold schaut auf sein grünes Sweatshirt: „Ich bin ein grüner Stein!“, ruft er stolz. Seine Freunde lachen, rufen ihre Farben – „blauer Stein!“, „gelber Stein!“ – und bilden so ganz wörtlich ein lebendiges Mosaik des Glaubens.
Zum Abschluss versammeln sich alle Gruppen auf dem Katschhof. Unter freiem Himmel spricht Weihbischof Karl Borsch den Reisesegen: „Ihr habt heute vielen eine große Freude gemacht, weil ihr da wart und gezeigt habt, was wir für eine frohe Gemeinschaft sind.“ Es ist ein stiller Moment, der die emotionale Tiefe des Tages spiegelt.
Yvonne Kretschmer, Erzieherin aus der Kita Venwegen, ist berührt: „Das Gefühl der Zugehörigkeit ist so schön. Alles ist so perfekt organisiert – und die Kinder nehmen diesen Tag mit allen Sinnen wahr. Vom Weihrauch im Dom bis zu den Printen am Pilgerimbiss.“
Der Erfolg dieses Tages liegt nicht nur an der kindgerechten Gestaltung, sondern auch an den rund 100 haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. „Alles hat perfekt geklappt“, resümiert Sicherheitsmitarbeiter Michael Amberger zufrieden. Brigitte Wendorff-Kling, pensionierte Erzieherin und Helferin beim Pilgerimbiss, ergänzt: „Ein Tag voller Freude und Dankbarkeit – ein schöner Kontrast zu all dem Negativen, was man sonst so hört. Ich werde noch lange von diesem Tag zehren.“
Der 13. Kinderpilgertag hat gezeigt: Kirche lebt, wenn Menschen sich begegnen – selbst die Kleinsten. Und wenn Leopold noch einmal sagt: „Ich bin ein grüner Stein“, dann klingt das nicht nur niedlich, sondern nach echter, lebendiger Glaubensfreude.