Adventszeit international

Trotz aller gemeinsamer Besinnlichkeit gibt es bei den verschiedenen Religionen feine Unterschiede

Zur Tradition in Deutschland gehört der „liebe, gute Nikolaus“, der Geschenke bringt. (c) PuKBSuS
Zur Tradition in Deutschland gehört der „liebe, gute Nikolaus“, der Geschenke bringt.
Datum:
1. Dez. 2020
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 49/2020 | Ann-KAtrin Roscheck

Krefeld ist ein multikulturelles Pflaster – hier leben Menschen aus mehr als 100 unterschiedlichen Nationen zusammen. Nur rund 45 Prozent der Krefelder gehören der katholischen Kirche an. Die Adventszeit in Krefeld trägt deswegen in den Gemeinden und Familien ganz unterschiedliche Gesichter. KiZ-Autorin Ann-Katrin Roscheck hat mit sehr unterschiedlichen Krefeldern über internationale Riten und Bräuche rund um die Zeit vor Weihnachten gesprochen.

>> Heiligabend erst im Januar

Alexej Veselov. (c) privat
Alexej Veselov.

„Die Russisch-Orthodoxe Kirche richtet sich am alten julianischen Kalender aus. Weihnachten feiern wir deswegen erst am 7. Januar. Es ist für uns das drittwichtigste Fest. An erster Stelle steht Ostern und an zweiter die Taufe des Herrn am 19. Januar. Eine klassische Adventszeit gibt es nicht, aber wir bereiten uns anders auf das Weihnachtsfest vor: Bei uns beginnt am 28. November die Fastenzeit. Wir enthalten uns und leben zurückhaltender. Dazu gehört, dass wir auf tierische Produkte verzichten. 
Dennoch sind natürlich auch Weihnachtssüßigkeiten bei uns sehr beliebt. Diese werden aber ohne Ei, Butter oder Milch zubereitet. Weihnachten selbst ist in unserer Tradition sehr ruhig und trägt einen rein religiösen Charakter. Am Heiligen Abend, dem 6. Januar, besuchen wir die Kirche und am Morgen des 7. Januar sind wir wieder dort. Silvester wird bei uns groß mit der Familie gefeiert, Weihnachten verbringen wir dagegen eher im kleinen Kreis. Das große Weihnachtsessen gibt es natürlich auch: Während der Heilige Abend der strengste Fastentag ist, wird am 7. Januar zu Weihnachten das Fasten gebrochen.“

Alexej Veselov, Priester der Russisch-Orthodoxen Kirche in Krefeld

 >>Kein großer Unterschied

„In unserer Geschichte als Freikirche, die aus einer Protestbewegung entstand, ist begründet, dass Gottesdienste bei uns sehr schlicht gehalten und ohne Rituale durchgeführt werden. Das merken Sie auch an Weihnachten und in der Adventszeit: Zwar ist unser Kirchraum geschmückt und die Predigt ist der Weihnachtsliturgie angepasst, grundsätzlich ist aber kein großer Unterschied zu anderen Jahreszeiten sichtbar. Auch in unserer Gemeinde ist Weihnachten ein Familienfest: In meiner Familie kommen beispielsweise meine drei Söhne für die Weihnachtstage nach Hause, es wird gemeinsam gegessen und musiziert – so wie es wahrscheinlich viele Familien in Krefeld kennen.“

Christoph Wiebe, Pfarrer der Mennonitengemeinde Krefeld

>> Ein Licht am Ende des Tunnels

Lokini Rameskumar. (c) privat
Lokini Rameskumar.

„Krefeld steht für Multikulturalität, auch im Glauben. Ich bin als junge Frau aus Sri Lanka nach Deutschland gekommen und habe heute zwei Kinder. Für mich ist es wichtig, dass meine Kinder sowohl den hinduistischen Glauben als auch die deutsche Kultur kennenlernen – zu der eben auch die christlichen Feste gehören.

Im Hinduismus ist das Diwali-Fest vergleichbar mit Weihnachten. Das Lichterfest wird bei uns an Neumond im Spätherbst gefeiert. Wie hier in Deutschland an Weihnachten schmücken wir dann unsere Häuser, kleiden uns neu ein und treffen uns mit der gesamten Familie. Diwali erinnert an die Krönung des Prinzen Rama, der nach einer 14-jährigen Verbannung den Dämonen Ravana tötete und damit als Guter über das Böse siegte. Wir feiern, dass es am Ende des Tunnels immer ein helles Licht gibt.

Auch Weihnachten ist inzwischen in meiner Familie wichtig geworden: Natürlich gibt es auch bei uns einen Weihnachtsbaum, mein jüngster Sohn glaubt noch an den Nikolaus, und meine Kinder wissen, warum das Weihnachtsfest für die christliche Religion so wichtig ist.“

Lokini Rameskumar, Hinduistin, Inhaberin des Restaurants Namaste

 >>Schiffe mit Lichterketten

Antonios Arabatzis. (c) privat
Antonios Arabatzis.

„In der griechisch-orthodoxen Kirche kommt dem Nikolaustag eine besondere Bedeutung zu, denn generell werden in unserer Kultur Namenstage besonders gefeiert. Es ist zum Beispiel Tradition, Schiffe mit Lichterketten zu schmücken – in Erinnerung daran, dass der heilige Nikolaus auch der Schutzpatron der Seefahrer ist.

Unsere Weihnachtstage umfassen den Zeitraum von Heiligabend bis zum 6. Januar. Ein besonderer Brauch ist das Singen der Kalanda. Kinder gehen von Haus zu Haus und tragen Weihnachtslieder vor. Diesen Brauch behalten wir auch in den Familien bei. Wenn wir zusammen sind, singen die Kinder von Weihnachten und den Festtagen, und wir Erwachsenen bedanken uns bei ihnen mit Süßigkeiten, Obst oder etwas Geld für die Spardose. Einen weiteren Brauch während der Weihnachtstage stellt der Neujahrskuchen dar, in den eine Münze eingebacken wird. Wer die Münze in seinem Kuchenstück findet, soll im neuen Jahr viel Glück haben.“

Antonios Arabatzis, griechisch-orthodox, Inhaber der Brauerei Gleumes

>> Kein Anfang und kein Ende

David Grüntjens (c) Ann-Katrin Roscheck
David Grüntjens

„In der katholischen Kirche schafft die Adventszeit die Möglichkeit, das Sinnliche noch einmal ganz neu zu transportieren. Für mich gibt es drei wichtige Bräuche: den Adventskranz, das Nikolausfest und die Roratemessen.

Der Adventskranz hat eine starke Symbolkraft: Mit der runden Form zeigen wir, dass Jesus unendlich ist – unser Glaube hat keinen Anfang und kein Ende. Das Grüne am Kranz symbolisiert das Leben. Und mit dem Anzünden der Kerzen begreifen wir, dass es immer heller wird, je näher wir dem Geburtsfest Jesu kommen.

Den Nikolaustag finde ich gerade für Kinder wichtig, denn er schafft es – ähnlich wie die Geschichte von Sankt Martin –, auch den Kleinsten die christlichen Werte zu transportieren. Die Kinder verstehen, dass Nikolaus ein Heiliger ist und dieser aus dem Himmel kommt. Er beschenkt sie, auch falls etwas Schlechtes in seinem goldenen Buch steht. Bei den Kindern bleibt ein gutes Gefühl.

Die Roratemessen, die bei uns montags in der Liebfrauen- und mittwochs in der Josefskirche jeweils um 19 Uhr stattfinden, haben noch einmal einen ganz 
besonderen Charakter und laden ein, in der Nähe Gottes bei sich selbst zu sein. Wir beleuchten die Kirche dann nur mit Kerzen und verzichten auf elektronisches Licht. Das ist für viele unserer Gemeindemitglieder ein ganz besonderes, besinnliches Erlebnis.“

David Grüntjens, Pfarradministrator in Papst Johannes XXIII.