80 Jahre Kriegsende

Krefeld war im Zweiten Weltkrieg 149 Mal von Luftangriffen betroffen. Der schwerste Angriff erfolgte im Juni 1943 und zerstörte die Innenstadt weitgehend. (c) Stadtarchiv Krefeld, Objektnummer 1299
Krefeld war im Zweiten Weltkrieg 149 Mal von Luftangriffen betroffen. Der schwerste Angriff erfolgte im Juni 1943 und zerstörte die Innenstadt weitgehend.
Datum:
7. Mai 2025
Von:
Aus der Kirchenzeitung, Ausgabe 17/2025 | Chrismie Fehrmann

Die NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer zeigt, wie die Krefelder das Ende der NS-Herrschaft und den Wiederaufbau erlebten.

Zum Schluss harrten die Menschen noch zwei ganze Tage in den Bunkern aus. Als sie die Schutzräume dann verlassen konnten, herrschten Ruhe und Erleichterung, aber auch Angst und Ungewissheit. Die amerikanischen Truppen beendeten den Zweiten Weltkrieg und die Herrschaft des Nationalsozialismus in Krefeld. Das ist nun 80 Jahre her.

Die Stimmungslage war diffus: Es gab diejenigen, die den Untergang ihrer Heimatstadt Krefeld befürchteten. Andere hofften auf das Ende der zwölfjährigen Nazi-Herrschaft. Ein Großteil wollte einfach nur überleben, und dass das millionenfache Sterben endlich ein Ende hat. Beim Wiederaufbau, sprich: Notverwaltung, waren Menschen für städtische Positionen gefragt, die ihrer Kirche treu geblieben waren.

Florian Schmitz, Archiv und Recherche in der  NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer. (c) Andreas Bischof
Florian Schmitz, Archiv und Recherche in der NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer.

Nach dem Einmarsch der Amerikaner am 2. und 3. März 1945 durften die Krefelder nur eine Mittagsstunde auf die Straße gehen. Ansonsten herrschte Ausgehverbot. Viele Wohnungen wurden von den Amerikanern beschlagnahmt, die Bewohner auf die Straße gesetzt. Die Uerdinger Bevölkerung in Nähe der Rheinbrücke, traf das Kriegsende besonders hart.

„Eines war sicher“, berichtet Florian Schmitz, Mitarbeiter Archiv und Recherche in der NS-Dokumentationsstelle Villa Merländer: „Die Todesangst war vorbei. Anfang März kamen die amerikanischen Truppen aus Richtung Forstwald in die City. Bereits wenige Tage zuvor hatte keiner mehr in der Stadt das Grollen des Geschützfeuers überhören können. Sie marschierten Richtung Rheinbrücke. Die letzten deutschen Truppen verließen die Stadt am 1. März und gaben sie kampflos auf.

Gemeinsames Ziel von Deutschen und Amerikanern: „Die noch intakte Rheinbrücke, die ,Adolf-Hitler-Rheinbrücke‘ in Uerdingen, die der Namensgeber 1936 bauen ließ“, berichtet Schmitz. Fremdarbeiter, Kriegsgefangene, Parteifunktionäre und Zivilisten mussten oder wollten ans rechte Ufer. Deutsche Wehrmachtssoldaten zogen sich aus Richtung Hüls und St. Tönis zurück und bewegten sich zur Flussquerung. „Material und Truppe sollten weggeschafft werden.“

Um die Rheinbrücke wurde demnach noch heftig gekämpft. Die Wehrmacht stellte auf dem Marktplatz unweit des Rheins ein Geschütz auf. Bis zum letzten Augenblick sollte die Brücke für den Abzug von Soldaten und Flüchtlingen gehalten werden. Ohne Pause feuerten die US-Soldaten in die Rheinstadt. Die Vorbereitungen für eine Sprengung der Hitler-Brücke liefen indes schon frühzeitig an. Doch zuerst mussten noch 100 russische Kriegsgefangene über den Strom gebracht werden. Bereits am Vormittag des 2. März schlugen die ersten alliierten Geschosse links und rechts neben der Brücke ein. Dem deutschen Brückenkommando gelang am Abend des 3. März die Sprengung eines Munitions-Lkw, der ein gut 100 Meter langes Stück aus der Brücke riss. Das Getöse soll bis in die Innenstadt zu hören gewesen sein. „Es folgten weitere Sprengungen, so dass die Brücke am 4. März komplett zerstört war.“

Panzer der US-Armee rollen über die Neusser Straße. Krefeld war am 2. und 3. März 1945 weitgehend unter alliierter Kontrolle. (c) Stadtarchiv Krefeld, Objektnummer 8086
Panzer der US-Armee rollen über die Neusser Straße. Krefeld war am 2. und 3. März 1945 weitgehend unter alliierter Kontrolle.

Die Uerdinger Bevölkerung musste ihrem Stadtteil vom 16. bis 19. März verlassen und in das zerstörte Krefeld flüchten. Die Rheinstadt blieb in dieser Zeit komplett geräumt. Erst am 20. April durften die Einwohner in ihre teils schwer zerstörten Wohnungen zurückkehren. Es wurde aus Teilen der früheren Stadtverwaltung eine „Restbehörde“ aufgebaut, um ein Minimum an Organisation aufrechtzuerhalten. Schmitz: „Hierfür wurden neben früheren Verwaltungsmitarbeitern gerne Krefelder katholischen und evangelischen Glaubens hinzugezogen, die während der Nazi-Herrschaft nicht aus der Kirche ausgetreten waren. Sie wurden als nicht so ideologisch angesehen.“

Hitler selbst war zwar katholisch getauft und erzogen worden, jedoch kein Katholik mehr. Einer organisierten Religion gehörte er nicht an. „Er wollte die Kirche nicht verbieten. Er verfolgte jedoch das Ziel, dass junge Menschen nicht durch die Kirche geprägt wurden, sondern wollte sie selbst formen. Er hat gesagt: ,Wir müssen uns die Kinder so früh wie möglich nehmen‘.“

Parteieigene Einrichtungen wie Hitlerjugend, Bund deutscher Mädel, Reichsarbeitsdienst und dann die Wehrmacht waren Parteiorgane, die dabei zum Einsatz kamen. Über die jungen Menschen sagte Hitler: „Sie werden uns nie wieder los.“ Bei dieser langfristigen Strategie seien die Kirchen nur hinderlich gewesen, berichte Schmitz. „Die Kirche sollte ihren Platz in der Gesellschaft verlieren.“

 

Wenn Geistliche nicht regimetreu waren, geschah ihnen Schreckliches. Zwei Beispiele: Kapuzinerpater Anizet (Adalbert) Koplin war von 1913 bis 1918 im Kapuzinerkloster in Krefeld-Inrath ansässig und vor allem für die seelsorgliche Betreuung der Polen bis in das Ruhrgebiet tätig. In der Zeit nach 1933 aber war Polenseelsorge streng verboten. So geriet der Ordensmann in die Fänge der Geheimen Staatspolizei und wurde im Jahre 1941 im Konzentrationslager Auschwitz vergast. Papst Johannes Paul II. hat ihn am 13. Juni 1999 seliggesprochen.

In Krefeld wurde 1903 Dionysius (Heinrich) Zöhren geboren. Nach dem Abitur trat er in den Orden der Kapuziner in Krefeld-Inrath ein. Wegen Vergehens gegen das Lebensmittelgesetz wurde Pater Dionysius, wie er im Orden hieß, verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau überwiesen. Dort starb er 1943. Die Urne wurde in Krefeld beigesetzt. 
Für die Menschen in Krefeld und am Niederrhein begann mit dem Kriegsende eine Zeit des radikalen Umbruchs und Wiederaufbaus. Die folgenden Monate waren zwar auch mit Entbehrungen verbunden, aber ebenso wieder mit der Hoffnung auf eine friedlichere und bessere Zeit.

Obwohl der Krieg noch mehr als zwei Monate bis zu den Kapitulationen in Reims und Berlin-Karlshorst dauerte, hat diese Zeit des Aufbruchs mit dem März 1945 in Krefeld bereits begonnen. Diese Tage und Wochen im Frühjahr 1945 — heute als „Stunde Null“ bekannt — haben das Leben vieler Krefelder bis heute – noch nach 80 Jahren - geprägt.