Fastenzeit, für die meisten heißt das, auf etwas zu verzichten, das ihnen mehr oder weniger schwer fällt. Zum Beispiel darauf, zu jammern und sich selbst leid zu tun. Damit stieß Pastoralreferent Franz-Josef Wolf aus der Kohlscheider Pfarrei „Christus unser Friede“ 2020 auf unerwartet große Resonanz. Im Gespräch mit der KiZ berichtet er, wie sich die Aktion weiterentwickelt hat und warum er sich in diesem Jahr für „Barmherzigkeit“ entschieden hat und die Herausforderung auch im mehr (tun und sagen) als im weniger liegen kann.
Im vergangenen Jahr haben Sie zu „Sieben Wochen ohne … Jammern“ in der Fastenzeit eingeladen und haben damit bei vielen aus der Pfarrei „Christus unser Friede“ (und darüber hinaus) einen Nerv getroffen.
Oh, ja! Entstanden ist die Aktion ursprünglich aus eigenem Jammerverdruss. Ich dachte, wenn ich 20 oder 30 Weggefährtinnen und Weggefährten dafür gewinnen kann, will ich nicht „jammern“. (Er lacht.)
Mit Beginn am Aschermittwoch, dem 26. Februar 2020, waren es 135, die sich dafür angemeldet hatten. Und was mich überrascht hat: Weniger aus der eigenen Kerngemeinde, als querbeet von Aachen bis Chemnitz und von Hamburg bis Wien. Und – soweit ich das abschätzen kann – im Alter von 17 bis 77 Jahren. Diese Bandbreite finde ich noch heute total überwältigend!
Mitten in diese Zeit fiel der erste Corona-Lockdown, der für viele sicher ein nachvollziehbarer Grund war, doch zu jammern. Wie hat das die Aktion beeinflusst?
Ja, die zu Beginn allgemeinen Impulse zum Thema jammerfreie Gelassenheit
haben sich dadurch teilweise zur „Anti-Corona-Frustrations-Intervention“ weiterentwickelt. Für manche waren die Rückmeldungen der Teilnehmergruppe und auch die Möglichkeit zum Einzel-Chat zuweilen ein hilfreiches Anti-Jammer-Ventil in dieser Zeit. Alle Impulse und offenen Beiträge der Gruppe finden sich auch jetzt noch als „Blog“ auf der dazugehörigen Homepage.
Der Blog ist entstanden, weil nicht alle per Whatsapp teilnehmen konnten, aber dennoch an der Aktion interessiert waren. Außerdem konnten damit die Beiträge der Gruppe – anonymisiert – für alle zugänglich gemacht werden. Heute ist das eine wertvolle Chronik der gesamten Aktion, nachzulesen unter: www.kein-gejammer.jimdofree.com/blog.
Eigentlich auf sieben Wochen angelegt, war nach Ostern dann aber doch noch nicht Schluss. Aus „Sieben Wochen ohne … Jammern“ wurde „Mini-Impuls am Sonntag“. Wie und warum kam es dazu? Wie hat sich das Angebot übers Jahr weiterentwickelt?
Am Ende der sieben Wochen mit Ostersonntag – und noch mitten im Lockdown – kam von einigen der Wunsch, „irgendwie weitermachen“ zu wollen. Daraus ist dann der „Mini-Impuls am Sonntag“ geworden: Jeden Sonntag ein Bild, ein kurzer Gedanke und ein Mini-Handlungsimpuls, um mit mehr Gelassenheit und Lebensfreude durch die kommende Woche zu gehen. Oft ist er durch den kirchlichen Jahreskreis und die biblischen Texte des Sonntags inspiriert. Manchmal eher naturjahreszeitlich oder am aktuellen Zeitgeschehen orientiert. Mehr als 50 der 135 Teilnehmer haben sich dafür angemeldet und sind bis heute mit dabei! Manche kommen ganz neu hinzu, denn ein Einstieg ist auch jetzt noch jederzeit kostenfrei und unverbindlich möglich unter www.kein-gejammer.jimdofree.com/mini-impuls.
Ab Rosenmontag starten Sie nun eine neue Fasten-Herausforderung oder englisch „Challenge“. Thema diesmal ist „Barmherzigkeit“. Warum haben Sie sich gerade dafür entschieden?
Ich finde es für mich selbst eine hilfreiche Strategie der Psychohygiene, die eigene Lebensgestaltung für eine befristete Zeit unter ein handlungsmotivierendes Leitmotto zu stellen. In den Sozialen Medien – Youtube, Facebook und Instagram – sind „Challenges“ überaus angesagt. Ein zeitgemäßer Begriff für das, was wir in unserer christlichen Tradition kennen als „Losung“. Losung, weil der Motivationsspruch als Jahres- und auch Monatslosung aus zuvor ausgewählten Bibelsprüchen ausgelost wird. Für 2021 heißt das von der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen“ ausgeloste Jahresmotto: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,36).
Wie passt „Barmherzigkeit“ als Thema für Sie in die Fastenzeit?
Der erste Zugang war tatsächlich erst einmal über die Losung. Zu Jahresbeginn habe ich den Bibelvers zunächst in die automatische Fußzeile meiner E-Mails gesetzt. So sehe ich ihn immer wieder mal. Und es ist faszinierend, wie sich dadurch die Gedanken dazu schon jetzt weiterentwickelt haben. „Barm“-„herzig“ zeigt sich Gott als „warm“-„herzig". (lächelt) Wie feinfühlig unsere Sprache doch sein kann! Hat sogar in Jesus von Nazaret ein durch und durch menschliches Herz aus Fleisch und Blut für uns. Und als solcher hat er am Ende seines menschlichen Lebens sein Herzblut in Liebe zu uns vergossen.
Können Sie schildern, was die Teilnehmer bei dem Thema erwartet und wie das Angebot im Einzelnen aussehen wird?
Angelehnt an die Jahreslosung und die traditionellen sieben Werke und sieben Worte der Barmherzigkeit gibt es beginnend mit Rosen-montag (nicht Aschermittwoch) jeweils einen kurzen Wochenimpuls – ähnlich dem „Mini-Impuls am Sonntag“. Ein Bild, ein Gedanke, ein Handlungsimpuls für mehr Gelassenheit und Lebensfreude. Die Impulse stehen in einer Balance von Wort und Werk im Verhältnis zu mir selbst und meinen Mitmenschen: Was kann ich mir und anderen Gutes sagen und Gutes tun? Insgesamt sieben Mal bis Ostern, dem Fest unkaputtbarer Lebensfülle (Joh 10,10) – aller Pandemie und selbst dem Tod zum Trotz. Dem Fest immer wieder aufblühender Hoffnung – gegen alle Hoffnung (Röm 4,18)!
Wenn ich mich jetzt angesprochen fühle und mitmachen möchte, was muss ich tun?
Um die Datenschutzschwelle so niedrig wie möglich zu halten, finden sich die Impulse jeweils ab montags (beginnend mit dem 15. Februar) auf der Startseite der Pfarrei-Homepage: www.christus-unser-friede.de. Wer die Impulse gerne direkt auf sein Smartphone bekommt, „folgt“ am einfachsten auf Instagram dem Hashtag: #Mini_Impuls.
Das Gespräch führte Andrea Thomas.