„2030 fängt jetzt schon an“

Pfarrei Heilig Geist Jülich stellt sich für die Zukunft auf und stellt auch Kirchengebäude zur Diskussion

Pastoralreferentin Barbara Biel und Propst  Josef Wolff gehören mit zum Team Kirche 2030. (c) Dorothée Schenk
Pastoralreferentin Barbara Biel und Propst Josef Wolff gehören mit zum Team Kirche 2030.
Datum:
13. Juli 2021
Von:
Aus der KirchenZeitung, Ausgabe 28/2021 | Dorothée Schenk

Drei Jahre Vorbereitungszeit sind ins Land gegangen. Jetzt legt der Arbeitskreis „Kirche 2030“ in der Pfarrei Heilig Geist erste strategische Pläne vor, wie die Zukunft der Kirche und Immobilien in 16 Gemeinden im Jülicher Land aussehen soll.

„Wir wollen nicht mehr zusehen, wie es an allen Stellen etwas weniger wird – wir möchten in die Offensive gehen“, erklärt der leitende Pfarrer Propst Josef Wolff bei der Pressekonferenz „Pfarrei Heilig Geist Jülich gestaltet ihre Zukunft und setzt Schwerpunkte“. Die Erkenntnis: Finanzmittel, die personellen Ressourcen und die Zahl der Gläubigen sinken stetig. „Wir können nicht überall der Vollsortimentler sein, wenn wir attraktiv sein wollen“, fasste Bianca Hövelmann, stellvertretende Kirchenvorständlerin, zusammen. Das heißt: Nicht jede der 16 Gemeinden der Pfarrei kann das pastorale Angebot „von der Wiege bis zur Bahre“ bieten. „Geistliche Heimat zu sein“, sei vielmehr das Credo der Zukunft.

Pastoralreferentin Barbara Biel erklärt: „Es ist ein Wandel des territorialen Kirchenbildes. Jetzt geht es um Themen.“ Das wird schmerzlich werden, so viel ist allen klar. Gesprochen wird von einer „Fokussierung“ und „Konzentrierung“ kirchlichen Lebens, und das heißt im Klartext nichts Geringeres, als dass ausdrücklich vier Kirchen Bestandssicherheit haben. 

Im Detail, schildert Josefine Meurer vom GdG-Rat, soll in Selgersdorf St. Stephanus das Zentrum für Trauernde entstehen, eventuell auch ein Columbarium. Lich-Steinstraß mit Kirche und angrenzendem Andreashaus ist bereits für Familienpastoral und Veranstaltungen genutzt worden. Das Angebot soll ausgebaut werden. Im Nordviertel ist bereits die Jugendkirche „3.9zig“ zu Hause. Und die Propstei-Pfarrkirche hält inklusive Pfarrzentrum in der Häuserzeile Stiftsherrenstraße 9–19 ein „Rundum-Angebot“ vor. 
Die übrigen kircheneigenen Gebäude – ob Jugendheime, Pfarrhäuser oder die eigentlichen Gotteshäuser – könnten an Interessierte verkauft werden. Grundvoraussetzung ist hierfür eine „würdige Nachfolgenutzung“ und bei Kirchen die Zustimmung des Bistums zur Entwidmung. Für Bourheim, St. Rochus im Heckfeld und auch zwei weitere Orte gibt es offenbar bereits Interessensbekundungen.

Aber, sagt Propst Wolff: „Die Zukunft der Kirchen soll im Konsens mit den Menschen und nicht in der Politik entschieden werden.“
„Wir machen es uns nicht leicht – wir sind Treuhänder“, formulierte es Thomas Surma als Erster Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Aber wenn ein potenzieller Käufer anböte, sogar die Glocken zu läuten, die Kirche weiterhin für Gläubige auf Nachfrage zu öffnen, der Kirchturm stehen bliebe und damit „die Kirche im Dorf“ bleiben könne, dann würde im Sinne der Menschen viel erreicht. 

Das war auch die Grundresonanz zum Vortrag über das Thema „Heimatkirche“ von  Peter Nieveler (KirchenZeitung Nr. 52–53/2020), der im Dezember bereits in die zu erwartenden Veränderungen einführte: Neben den religiösen Motiven zum Erhalt von Kirchen stehen die emotional-traditionellen, so dass eine Vielzahl von Menschen in den Dörfern ein Interesse am Erhalt der Gotteshäuser hat. Mancherorts, so gibt Barbara Biel zu bedenken, werde 
eine Umnutzung die einzige Möglichkeit für den Erhalt der Ortskirchen sein.


Menschen mit allen Facetten ernst nehmen

Mit betrachtet wird selbstverständlich auch das Thema „Kirchenschätze“, also das Inventar der Kirchen, das nach einem etwaigen Verkauf nicht im Gotteshaus bleiben wird. „Da tragen wir große Verantwortung“, ist sich Thomas Surma bewusst. „Für den einen ist es eine Kirchenbank – für den anderen ein emotionales Möbel. Wir müssen die Empfindungen der Menschen in allen Facetten ernst nehmen.“

Als Beispiel, wie eine einvernehmliche Lösung möglich sei, führte Thomas Surma auch „Broich“ an. Hier wird auf dem Grundstück des ehemaligen Pfarrhauses ein neues Feuerwehrhaus entstehen, in dem die St.-Philippus-und-Jakobus-Gemeinde Broich einen eigenen Versammlungsraum nutzen wird. Die Kirche selbst bleibt erhalten. „Das ist ein Glücksgriff für beide Partner“, sagte Surma und deutete an, in regelmäßigen Gesprächen mit der Stadt Jülich zu sein, die das Feuerwehrhaus bauen wird. Für andere Orte werden – wo möglich – ebensolche Lösungen in die Erwägung einbezogen.

Die Umsetzung der nun öffentlich gewordenen Perspektiv-Planungen wird nicht über Nacht geschehen. Gut ist, so der allgemeine Tenor, dass sich die Pfarrei bereits früh auf den Weg gemacht hat, die anstehenden Probleme zu lösen. Denn, so sagt Barbara Biel: „Ideen müssen entwickelt, Häuser gebaut werden.“ Und in diesem Sinne ist auch Thomas Surma nach eigenem Bekenntnis beim Start des Projektes klar geworden: „2030 fängt jetzt schon an.“ Oder um es mit Bianca Hövelmanns Worten zu sagen: „Das ist nicht das Ende – jetzt geht es erst los.“

>> Die Themenkirchen

Die Propsteikirche, St. Stephanus Selgersdorf, St. Matthias und Andreas Lich-Steinstraß und die Saleskirche werden als sogenannte Themenkirchen erhalten. (c) GdG Jülich

St. Andreas und Matthias Lich-Steinstraß: „Die Familienkirche soll ein Ort der Vielfalt, Kreativität und Spiritualität werden. Eine Vernetzung mit Institutionen wie SKF und Frauenberatungsstelle soll entstehen, die dort bei Bedarf auch einen Platz finden. Einen Ort für Gespräch und Rückhalt möchte das schon gestartete Team gestalten. Den Glauben im Alltag wieder spüren und bewusst leben, ist die Vision für diesen Schwerpunkt. Die vorhandenen Aktionen für Familien in vielen Gemeinden der Pfarrei können sich darüber vernetzen, voneinander lernen, sich austauschen und neue Wege gemeinsam planen und ausprobieren. So können Aktionen in vielen Orten stattfinden, sich jedoch im Themenzentrum bündeln“, sagt Petra Graff, Gemeindereferentin und Ansprechpartnerin für die Familienkirche.

St. Stephanus Selgersdorf: „Unsere Vision für die Trauerkirche ist es, hier einen Ort zu schaffen, an dem ein trostreicher Platz für den Abschied und die Auferstehungshoffnung in einer ansprechenden Raumgestaltung entsteht als Ergänzung zu den bestehenden Bestattungsformen. Gleichzeitig soll hier eine hilfreiche Begleitung von Trauernden – persönlich und in Gemeinschaftsangeboten – leicht zugänglich sein sowie eine Auseinandersetzung mit den Themen ,Trauer und Tod‘ für alle Interessierten einen möglichen Ort finden. Dies wird ein Seelsorgeangebot sein, das über die Pfarrei Heilig Geist Jülich hinaus für 
einen größeren Umkreis Wirkung entfaltet“, erklärt Barbara Biel, Pastoralreferentin und Ansprechpartnerin für die Trauerkirche.

St. Franz von Sales: Hier ist bereits die Jugendkirche „3.9zig“  etabliert. Seit 2012 gestalten Jugendliche und junge Erwachsene Kirche für Kinder und Jugendliche. Die Jugendkirche nimmt in ihrem achteckigen Grundriss auch den Grundriss des Aachener Doms auf.

St. Mariä Himmelfahrt, Propstei-Pfarrkirche: Ein vielfältiges, nicht auf ein festes Thema orientiertes Angebot wird es im „Pfarreizentrum Heilig Geist“ mit der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt geben. „Unsere Pfarrkirche ist eine Kirche für alle. Hier trifft sich die Pfarrei, um ihren Glauben zu feiern“, sagt Wolfgang Biel, Vorsitzender des GdG-Rates.