„Es sind vier Töne – und der dritte ist kein C, sondern ein H“, ruft Chorleiter Christof Rück den Sängerinnen und Sängern zu – und lässt diese Takte des „Agnus Dei“ so lange wiederholen, bis er sichtbar zufrieden ist mit dem, was er hört.
Die bald darauf folgende Pause haben sich die Mitglieder des Kirchenchors St. Adelgundis Koslar redlich verdient, weil ein Mitglied Geburtstag hatte, wird die Stimme noch einmal auf Wunsch und je nach Geschmack mit einem besonderen Elixier geschmiert. Geprobt wird immer dienstags um 19 Uhr im Pfarrheim. Im Mittelpunkt steht die Musik, der gemeinsame Gesang. Doch auch die Gesellschaft kommt nicht zu kurz. „Wir stehen immer noch! Wenn der Grundstock nicht so eng zusammengehalten hätte, wäre unser Chor vermutlich schon längst auseinandergefallen“, bringt es die Vorsitzende Agnes Holz mit einem Augenzwinkern auf den Punkt. Anfang Oktober, zum Erntedankfest, hat der Kirchenchor sein 200-jähriges Bestehen gefeiert. Ein stolzes Alter, ein starkes Zeichen der Gemeinschaft und des Engagements.
1825 wurde der Kirchenchor als reiner Männerchor gegründet, unter dem Dach von St. Adelgundis singen längst auch Frauen mit, die Männer sind – wenn man es denn so bezeichnen möchte – eine Minderheit geworden. Aktuell hat der Chor 20 Mitglieder, die Leitung übernimmt seit elf Jahren Christof Rück, hauptberuflich Kantor der Gemeinschaft der Gemeinden Heilig Geist. „Der Chor ist konstant, bei uns sind noch alle Stimmen besetzt, wir suchen aber immer Nachwuchs“, sagt Sängerin Marlies Ulrich, die schon seit vielen Jahren im Chor singt; was keine Seltenheit in Koslar ist, denn der Chor hat im Leben vieler Mitglieder schon immer eine Rolle gespielt, wenn es auch schon einmal (berufliche) Auszeiten gab.
Franz Josef Zeleken beispielsweise ist so ein Mitglied, das gerne als Urgestein bezeichnet wird. Der Vater des heute 67-Jährigen war selbst Küster und Chorleiter, der Sohn war folglich von Kindesbeinen an dabei. Vom Kinderchor, den es damals noch gab, wechselte er in den Kirchenchor, wo er nach einer kleinen künstlerischen Pause nicht nur wieder voll mit einstieg, sondern dem Vernehmen nach auch ganz hervorragende Qualitäten als Rekrutierer entwickelte und für manche Verstärkung sorgte. Engagiert und hartnäckig sozusagen. Entstanden ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die aber stets auch bereit war, neue Sängerinnen und Sänger willkommen zu heißen und zu integrieren.
„Damals gab es noch nicht so viel Auswahl, so viele Freizeitmöglichkeiten und Aktivitäten“, blickt die Vorsitzende Agnes Holz auf die eigene Kindheit zurück. Auch sie wurde Mitglied des Chores, der stets im Dorfleben mit den Ton angegeben hat und bei vielen Feiern dabei war: Ostern, Weihnachten, Adelgundis, Cäcilia, Fastenzeit, Marienlieder im Mai, Pfingsten, Fronleichnam und und und. „Wir haben uns immer gefreut, wenn wir singen konnten, hatten einen starken Bezug zur Kirche“, blickt die Vorsitzende zurück. „Meine Klassenlehrerin in der Grundschule hat immer gesagt: Ihr singt zur höheren Ehre Gottes.“ Damals wie heute waren die Grundpfeiler des Chores die Gemeinschaft, die Freunde am Singen und auch der zwischenmenschliche Zusammenhalt.
„Wir sind auch heute immer da, wenn wir gebraucht werden“, betont die Vorsitzende Agnes Holz – ob als Chor oder als Teil der Dorfgemeinschaft, der mit vielen helfenden Händen anpackt. Vom Pfarrfest über das Konzert des Mandolinen-Orchesters und den Volkstrauertag bis zu Schützenfest und Jubelkommunion gibt der Chor noch den Ton an.
„Der Kirchenchor St. Adelgundis ist etwas, das es heutzutage nur noch relativ selten gibt: ein richtiger Dorfchor“, sagt Chorleiter und GdG-Kantor Christof Rück anerkennend. „In Koslar funktioniert das Vereinsleben noch relativ gut, die Sängerinnen und Sänger sind im Dorfleben integriert, im Sportverein. Ein Dorf singt! Das ist selten geworden. Nichtsdestotrotz gibt es auch in Koslar die Demografie“, führt er weiter aus. Da aber immer wieder neue Menschen hinzu oder wieder zurückkamen, ist der Chor nach wie vor „einsatzbereit“ und zugleich ein eigenes soziales Gefüge geworden. Als sich in Barmen ein Chor auflöste, fanden viele Mitglieder in Koslar eine neue musikalische Heimat, berichtet Rück.
„Ich erlebe herzliche Menschen, die dankbar sind, die sich auf jede Chorprobe freuen. Es ist eine tolle Gemeinschaft, in der es auch eine Fürsorge für den anderen gibt “, findet Rück. Auch bei einer Verdopplung der Proben werde aus dem Kirchenchor kaum ein Meisterchor, aber darum geht es auch gar nicht, betont der Chorleiter. „Wir freuen uns, wenn etwas klingt, wenn uns nach den Proben eine Messe gelingt, wenn wir etwas bewirkt haben“, sagt er. „Wenn man in die strahlenden Gesichter schaut, gibt einem das viel zurück“, freut sich der Profi jede Woche aufs Neue auf die Zusammenarbeit mit den Sängerinnen und Sängern in Koslar. Christof Rück: „Mein Wunsch ist, dass es auch die nächsten zehn Jahre so läuft wie in den vorherigen zehn Jahren.“